Bundeswehr und Privatisierungen

von Jürgen Rose

Bereits unter der Regierung Kohl wurden zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erste Schritte unternommen, öffentliche Aufgaben des Bundes durch Private erledigen zu lassen (1). Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung soll im Zuge des eingeleiteten Transformationsprozesses die Bundeswehr modernisiert und stärker betriebswirtschaftlich ausgerichtet werden (2). Ziel ist es, einerseits die Streitkräfte auf ihren militärischen Kernauftrag zu konzentrieren, andererseits die Spielräume für Investitionen, d. h. vor allem militärische Beschaffungen zu erweitern.

Hierzu wurden auf der Grundlage eines zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Wirtschaft am 15. Dezember 1999 geschlossenen Rahmenvertrages über „Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr“, der u. a. zum Inhalt hatte, „gesellschaftsrechtliche Lösungen für Servicefunktionen der Bundeswehr mit Beteiligung der Wirtschaft zu initiieren und umzusetzen“ (3), eine Reihe privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen gegründet. Hierzu zählen unter anderem die:

  • Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (g.e.b.b. mbH),
  • IT-Gesellschaft (HERKULES),
  • Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL),
  • Gesellschaft des Bundes zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten mbH (GEKA),
  • BundeswehrFuhrparkService GmbH (BwFPS),
  • LHBw Bekleidungsgesellschaft mbH (LHBw) sowie
  • Fernleitungsbetriebsgesellschaft mbH (FBG) (4).

Auslagerung der Logistik
Darüber hinaus beabsichtigt die Bundeswehr, einen Großteil ihrer Logistik auszulagern (5). Bis dato jedenfalls nicht intendiert ist die Privatisierung von Aufgaben, die in den Kernbereich der militärischen Exekutivausübung fallen, wie dies mitunter bereits bei verbündeten Streitkräften in Gestalt der berüchtigten Söldnerfirmen geschieht.

Nicht zuletzt wegen der vollmundigen Ankündigung zukünftiger Milliardeneinsparungen respektive – erlöse seitens des vormaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping, der die g.e.b.b. im August 2000 ins Leben gerufen hatte, genoss dieses ÖPP-Projekt (Öffentlich-Private-Partnerschaften) gewisse Prominenz. Auftrag der g.e.b.b. ist es, in der Bundeswehr mit privatwirtschaftlichen Strukturen und Methoden für mehr Wirtschaftlich­keit zu sorgen. Dies geschieht durch die Wahrnehmung folgender Aufgaben:

  • „Beratung des BMVg bei der Gestaltung von Beschaffungs-, Betriebs-, Finanzierungs- und Zahlungsmodalitäten mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr nachhaltig zu steigern.
  • Entwicklung und Bewertung von Organisationsvorschlägen für die interne Optimierung von Unterstützungsleistungen und Kooperationen mit der Wirtschaft.
  • Unterstützung bei der Realisierung angewiesener Modernisierungsmaßnahmen.
  • Controlling- und zum Teil Gesellschafteraufgaben als Holding im Auftrag des BMVg.
  • Operative Aufgaben für das BMVg aufgrund gesonderter Leistungsverträge.
  • Beratung und Unterstützung von Gemeinden, die von Standortschließungen betroffen sind, bei der Erstellung und Realisierung von Konversionskonzepten.“ (6)

Freilich hatte die g.e.b.b. statt der erhofften Milliardenbeträge bis Ende 2004 gerade einmal 687,6 Millionen Euro erwirtschaftet (7). Die g.e.b.b. selbst identifiziert im Hinblick auf die eher mageren Effizienzgewinne eine Reihe kritischer, sich negativ auswirkender Problembereiche:

  • „Schwierige Vereinbarkeit von Kameralistik und Doppik [zwei unterschiedliche Verfahren der Buchführung, J.R.]
  • Geeigneter und fairer Wirtschaftlichkeitsvergleich
  • Steuerliche Benachteiligung von Privatisierungslösungen
  • Gerechte und angemessene Risikoverteilung zwischen öffentlicher Seite und privatem Partner
  • Abbau von Personal des öffentlichen Sektors bzw. dessen Überführung in private Unternehmen“ (8)

Weil zudem der Bundesrechnungshof wegen der Gefahr möglicher Interessenkollisionen die Vereinigung von Beratungstätigkeit und Beteiligungsführung bei der g.e.b.b beanstandete, wurde im Verteidigungsministerium seit 15. Mai 2006 eine neue „Abteilung Modernisierung“ eingerichtet, die zukünftig eine einheitliche Beteiligungsführung sowie straffe und unmittelbare Steuerung aller Gesellschaften gewährleisten soll (9).

Schrankenlose Privatisierung ist nicht erlaubt
Völlig außer acht gelassen zu werden scheint bei dem Prozess der Privatisierung und des Outsourcings, dass Grundgesetz und einfaches Bundesrecht keineswegs dessen schrankenlose Realisierung erlauben, denn „Art. 87b Abs. 1 Satz 2 GG weist der Bundeswehrverwaltung das Personalwesen und die Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte zu. Insoweit verfügt die Bundeswehrverwaltung über ein Wahrnehmungsmonopolitisch. Konkret bedeutet dies, dass diese Aufgabenbereiche ohne Verfassungsänderung weder den Streitkräften noch an Private übertragen werden dürfen.“ (11). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Art 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitlicher Befugnisse, zu denen beispielsweise der Erlass von Verwaltungsakten zählt, im Regelfall auf Beamte überträgt. Jene ist einer Privatisierung nicht zugänglich. Auch stehen das Budgetrecht des Parlaments und andere parlamentarische Kontrollbefugnisse (Art. 110 GG) sowie die Kompetenzen des Bundesrechnungshofes nach Art 114 Abs. 2 GG einer weiterreichenden Privatisierung entgegen. Auch sind Schattenhaushalte gemäß Grundgesetz unzulässig. Und schließlich sind zahlreiche Fragen des Steuerrechts, des Wettbewerbs- und Vergaberechts sowie des Personalsrechts im Zusammenhang mit dem Privatisierungs- und Outsourcing-Prozess noch ungeklärt (12).

 

Anmerkungen
(1)       Vgl. Martina und Dieter Walz: Bundeswehrverwaltung versus Privatisierung (Outsourcing): Effizienzsteigerung oder Verfassungsverstoß?, in: Gerhard Kümmel/Sabine Collmer (Hrsg.): Europäische Streitkräfte in der Postmoderne (Reihe Militär und Sozialwissenschaf­ten, Bd. 31), Baden-Baden 2002, S. 66

(2)       Bundesministerium der Verteidigung – Staatssekretär Dr. Peter Wichert: Bericht zur Weiterentwicklung der g.e.b.b. mbH, Berlin, 19. Juni 2006, S. 1

(3)       Marc Rohde: Die g.e.b.b. im Modernisierungsprozess der Bundeswehr, Präsentation, Köln, April 2006

(4)       Bundesministerium der Verteidigung – Staatssekretär Dr. Peter Wichert: Bericht zur Weiterentwicklung der g.e.b.b. mbH, Berlin, 19. Juni 2006, S. 1f

(5)       Vgl. Anonym: Logistik: Outsourcen?, in: Griephan-Briefe. Wöchentliche Informationen zum Geschäftsfeld äußere & innere Sicherheit, Nr. 45/05, 7. November 2005, S. 1

(6)       Anonym: Logistik: Outsourcen?, in: Griephan-Briefe. Wöchentliche Informationen zum Geschäftsfeld äußere & innere Sicherheit, Nr. 45/05, 7. November 2005, S. 2

(7)       Peter Blechschmidt: Lukrative Zweitverwertung. Die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb erwirtschaftet Geld aus Bundeswehrliegenschaften, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 46, 24. Februar 2006, S. V2/2

(8)       Marc Rohde: Die g.e.b.b. im Modernisierungsprozess der Bundeswehr, Präsentation, Köln, April 2006

(9)       Bundesministerium der Verteidigung – Staatssekretär Dr. Peter Wichert: Bericht zur Weiterentwicklung der g.e.b.b. mbH, Berlin, 19. Juni 2006, S. 1

(10)     Martina und Dieter Walz: Bundeswehrverwaltung versus Privatisierung (Outsourcing): Effizienzsteigerung oder Verfassungsverstoß?, in: Gerhard Kümmel/Sabine Collmer (Hrsg.): Europäische Streitkräfte in der Postmoderne (Reihe Militär und Sozialwissenschaf­ten, Bd. 31), Baden-Baden 2002, S. 75

(11)     Vgl. Martina und Dieter Walz: Bundeswehrverwaltung versus Privatisierung (Outsourcing): Effizienzsteigerung oder Verfassungsverstoß?, in: Gerhard Kümmel/Sabine Collmer (Hrsg.): Europäische Streitkräfte in der Postmoderne (Reihe Militär und Sozialwissenschaf­ten, Bd. 31), Baden-Baden 2002, S. 76

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Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. und Vorstandsmitglied der kritischen SoldatInnenvereinigung ,Darmstädter Signal'.