Der Gaza Friedenmarsch 2010

von Gabi Bieberstein

Der Gaza Friedensmarsch (GFM) wurde von der Internationalen Koalition zur Aufhebung der völkerrechtswidrigen Belagerung Gazas organisiert. Dies ist ein breites Bündnis aus Individuen und Organisationen, u. a. CODEPINK, Women for Peace, Internationaler Versöhnungsbund (IFOR), Israeli Committee Against House Demolitions (ICAHD) sowie jüdische, israelische und viele palästinensische Organisationen. Diese Koalition steht nicht für oder gegen eine politische Partei oder "Lösung" des gesamten Konfliktes zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern. Ziel war es, den Einwohnern Gazas zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind, und die Weltöffentlichkeit angesichts der andauernden humanitären Katastrophe wachzurütteln und somit einen Beitrag zur Beendigung der Blockade und insgesamt der Besatzung Palästinas zu leisten. Zu diesem Zweck war geplant, dass internationale FriedensaktivistInnen die Grenze nach Gaza von Ägypten aus überqueren und am 01.01.2010 Seite an Seite mit Bewohnern Gazas gewaltfrei zum Erez-Grenzübergang marschieren.

Die Teilnehmenden des GFM haben etwas Einmaliges erlebt: Zum ersten Mal sind Menschen aus 43 Ländern für ein Anliegen in Sachen Menschenrechte direkt in die Richtung des Geschehens gereist – ca. 1.400 Personen -, um in Solidarität mit den Betroffenen das Unrecht anzuklagen und die Weltgemeinschaft aufzufordern, dieses zu beenden.

Obwohl die Organisatoren mit dem ägyptischen Außenministerium im Kontakt waren und alle Unterlagen, die verlangt wurden, eingereicht hatten, hat Ägypten am 21.12.2009 die Durchreise nach Gaza verboten. Auch den bereits bezahlten Busunternehmen wurde die Erlaubnis entzogen, die Teilnehmenden zu transportieren. Kleingruppen, die dennoch versuchten, nach Gaza zu gelangen, wurden unterwegs von der Polizei abgefangen und gezwungen, nach Kairo zurückzukehren. Des Weiteren wurde untersagt, Treffen abzuhalten oder die bereits für die erste Zusammenkunft am 27.12. gemietete Kirche zu nutzen. Geplante Alternativ-Programme wie Vorträge, Konzerte etc. konnten nicht abgehalten werden.

Das Auswärtige Amt hat die Teilnehmenden unmissverständlich gewarnt: „Ich rate Ihnen und Ihren Mitreisenden ausdrücklich von der Teilnahme an dem Friedensmarsch ab.“ Es müsse „mit Inhaftierung gerechnet werden“.

Auf Grund dieser Rahmenbedingungen führten die Veranstalter die Aktionen gegen die Gaza-Blockade in Kairo durch. Die Proteste richteten sich gegen Israel wie auch gegen Ägypten, das sich an der Blockade beteiligt und mit Hochdruck eine ca. 30 m tief reichende High-Tech-Stahlmauer zwischen Ägypten und Gaza baut und damit die lebensnotwendigen Tunnel zerstört. Als „Kompromiss“ erlaubten die Behörden am 29.12. einer Gruppe von 100 angeblich besonders ausgewählten Personen die Einreise nach Gaza. Dies wurde von den Veranstaltern jedoch als Spaltungsversuch abgelehnt.

Als internationale FriedensaktivistInnen am Silvestertag in der Kairoer Innenstadt gewaltfrei protestierten, wurden ca. 400 DemonstrantInnen stundenlang von der Polizei eingekesselt. Nach Intervention einiger Botschaften wurde der Kessel gelockert. Die Teilnehmenden wurden von ihren Botschaften gewarnt zu demonstrieren; das ägyptische Gesetz verbietet jede Versammlung im Freien von mehr als fünf Personen.

Es fanden weitere Kundgebungen in Kairo statt, insbesondere eine vor der israelischen Botschaft am 01.01.2010. Französische Teilnehmende demonstrierten und campten tagelang vor ihrer Botschaft; sie wurden von der Polizei eingekesselt. Auch nach dem eigentlichen GFM-Ende gab es Aktionen – z. B. die Unterstützung einer ägyptischen Demonstration gegen die Stahlmauer am 04.01. vor dem Obersten Gerichtshof. Die Aktionen wurden von den Ägyptern überwiegend positiv aufgenommen.

Obwohl der GFM nicht in Gaza stattfand, hat der internationale Protest in Kairo weltweite Aufmerksamkeit gefunden und das Problem stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Dieser Protest wird sich bis zum Ende der Blockade fortsetzen. Die Kairoer Erklärung, die auf einer Initiative der südafrikanischen Delegation basiert und ein Ende der israelischen Apartheid gegenüber Palästina fordert, wurde per Akklamation von mehreren hundert Delegierten des GFM angenommen. Bekräftigt wird darin die Unterstützung des palästinensischen Aufrufs vom Juli 2005 für Boykott – Desinvestition – Sanktionen (BDS) gegen Israel bis zum Ende von Apartheid und Besatzung in Palästina. Sie ist ein bedeutendes Signal und eine Stärkung der internationalen Bewegung. Die Deklaration soll den Rahmen für gemeinsame koordinierte Aktionen für ein freies Palästina bilden.

Anzumerken ist, dass in der Abschlusserklärung der ca. 40 deutschen Teilnehmenden auf die besondere Verpflichtung Deutschlands, für Frieden und Sicherheit auch der palästinensischen Bevölkerung Sorge zu tragen, hingewiesen wird, da Deutschland durch die Vernichtung und Vertreibung der europäischen Juden den israelisch-palästinensischen Konflikt mit zu verantworten hat.

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Friedensbewegung international