Militarismus und Gewalt gegen Frauen

Der Krieg zuhause

von Cecilia Kirkman

Frauen sind durch den Militarismus besonders hart betroffen. Sie sind die ersten Opfer der ökonomischen Gewalt, die durch die Militärausgaben geschaffen wird und der sexuellen und physischen Gewalt, die von den militarisierten Männern ausgeht. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Verhältnissen in den USA, die in mancher Hinsicht krasser als die unsrigen sind. Aber die Grundlinien bleiben gleich.

Der Militarismus betrifft jeden Menschen in der amerikanischen Gesellschaft. Von den Kindern, die mit Kriegsspielzeug spielen bis zu den Studentinnen, die die Geschichte von Kriegern, aber nicht von FriedensstifterInnen lernen, von den Teenagern, auf die die Werbeanzeigen der Armee gemünzt sind bis zu den Erwachsenen, die ständig mit neuen Gründen für höhere Militärausgaben bombardiert werden, leben wir alle in einer militarisierten Gesellschaft.
Frauen sind durch den Militarismus besonders hart betroffen. Wir werden sowohl von der ökonomischen Gewalt beeinträchtigt, die - teilweise - durch unseren Militärhaushalt geschaffen wird, wie auch durch die physische und sexuelle Gewalt, die Teil jeder militarisierten Kultur ist. Wenn sich dies mit den Wirkungen einer Gesellschaft verbindet, die Aggression, physische Gewalt und Wettbewerb belohnt und Frauen diskriminiert, dann ist das Ergebnis erschreckend. Für die meisten Frauen wird diese Kombination eine direkte Begegnung mit Gewalt bedeuten, sei es mit der Gewalt des Krieges, der ökonomischen Gewalt der Armut oder der häuslichen Gewalt, wie sie in vielen Familien üblich ist. Einfach ausgedrückt: Während sich viele Friedensaktivistlnnen allein auf die Gewalt eines konventionellen oder nuklearen Krieges konzentrieren, übt der Militarismus eine verheerende Wirkung auf das Leben der Frauen heute aus.

Ökonomische Gewalt gegen Frauen
Die erhöhten Militärausgaben haben den Lebensstandard von Millionen Menschen gesenkt. Besonders die Zahl der Frauen, die in Armut leben, ist zur gleichen Zeit angewachsen wie die höchste militärische Wachstumsrate, die es jemals in Friedenszeiten gab. Die "Feminisierung der Armut", wie sie von Barbara Ehrenreich und anderen dokumentiert wird, beschreibt diesen Trend zu wachsender Armut von Frauen und Kindern. Frauen verdienen niedrigere Löhne, die Kaufkraft fällt, die Zahl von Scheidungen und Trennungen und die Zahl außerehelicher Geburten steigt, was alles zu der wachsenden Armut von Frauen beiträgt. Zur gleichen Zeit ist das "Sicherheitsnetz" des Staates ständig geschrumpft.
Der Haushalt der USA ist ein politisches Dokument, das die Prioritäten unserer Regierung widerspiegelt: Krieg zuerst, Frauen zuletzt. Für 1986 beabsichtigte der Präsident, 64% der Bundessteuern für militärische Zwecke und nur 20% für Sozialausgaben (Bildung, soziale Dienste, Gesundheit, Einkommenssicherung, Steuerhilfe) auszugeben. Nach diesem militarisierten Haushalt wurden 1986 mehr als 1.295 Milliarden Dollar ausgegeben, Krieg zu finanzieren, während ca. 20 Millionen Frauen in Armut lebten!

Wer fällt diese Entscheidungen?
Obwohl die Rechte der Frauen in den vergangenen zwanzig Jahren zugenommen haben, sind Frauen in der nationalen Regierung immer noch krass unterrepräsentiert. Es gibt heute nur zwei weibliche Senatoren und 23 Frauen  als Kongreßabgeordnete. Männer halten fast alle gewählten und ernannten Positionen der Macht und fällen die Entscheidungen über nationale Prioritäten. Würden sich unsere Prioritäten verändern, wenn mehr Frauen Ämter innehätten? Wahrscheinlich nicht. Unsere Wirtschaft ist von einem militärisch-industriellen Komplex abhängig. Unser Haushalt spiegelt diese Abhängigkeit wider. Eine Minderheit - einschließlich weniger Politiker - profitiert von dieser Struktur: Einen Wandel in unseren nationalen-Prioritäten vorzuschlagen, der eine Verpflichtung gegenüber Friede und sozialer Gerechtigkeit berücksichtigt, bedeutet, fundamentalen, radikalen Wandel vorzuschlagen. Da die meisten Menschen scheinbar lenken, daß es ihnen unter dem derzeitigen System am besten gehe, ist es un¬wahrscheinlich, daß irgendein Kandidat, der einen Wandel in den nationalen Prioritäten unterstützen würde, die nötigen Stimmen erhalten würde, ein Amt zu erhalten, ganz zu schweigen davon, tatsächlich Gesetze durchzubringen.

Wer profitiert von den Militärausgaben?
Die US-Rüstungsindustrie ist der wahre Nutznießer des "Verteidungshaushaltes. Ungefähr 40% des Militärhaushaltes fließt an Firmen in der Form von "Verteidigungs-Aufträgen. Diese gleichen Unternehmen tragen aber nur einen geringen Teil der Steuern, die die Militärausgaben finanzieren, Zwischen 1981 und 1985 zahlten Boeing, General Dynamics, General Electric, Grumman und Lockheed drei oder mehr Jahre keine Steuern, steckten aber die Gewinne ein.
Nur sehr wenige Frauen haben eine Vorteil vom militarisierten nationalen Haushalt der USA. In Armut lebende Frauen, die Sozialhilfe beziehen (sofern sie es tun) werden durch Sparmaßnahmen betroffen. Aber so sind auch andere Frauen betroffen. Du mußt nicht von öffentlicher Unterstützung abhängig sein, um durch die obzönen Mengen an Geld betroffen zu sein, die für Krieg und die Vorbereitung von Krieg ausgegeben werden. Viele Zentren für vergewaltigte Frauen, Frauenhäuser, Kindertagesstätten und Gesundheitseinrichtungen werden durch Bundesmittel unterstützt. Und wir alle sind durch den Zustand unserer vom Bund mitfinanzierten Infrastruktur betroffen: öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Unterstützungsprogramme für das Kleingewerbe, Krankenhäuser.
Einsparungen in diesem Bereich kosten auch Arbeitsplätze für Frauen. Soziale Dienste, Kindertagesstätten, Krankenhäuser und Schulen sind alles Bereiche, in denen traditionell Frauen beschäftigt sind: Einsparungen in diesen Bereichen beschneiden Stellen für Frauen. Die Finanzierung von Tagesstätten zu kürzen, beschränkt die Möglichkeiten für Frauen mit Kinder, zu arbeiten. Genauso sind auch viele Ausbildungsprogramme in nicht-traditionellen Frauenberufen betroffen. Und zuletzt haben sich die Militärausgaben von arbeitsintensiven Industrien zu "high-tech"-Industrien verlagert, wo Frauen unterrepräsentiert sind.

Sexuelle und physische Gewalt gegen Frauen
Wenn wir mit unserem Steuergeld und unserer Zustimmung zu dem bestehenden politischen System die materielle Kriegsvorbereitung unterstützen, unterstützen wir auch die psychologischen Komponenten, die Gewalt gegen Frauen begünstigen; die Entmenschlichung des Anderen, die Unfähigkeit, mit anderen mitzufühlen oder für sie zu sorgen, die Glorifizierung der Gewalt, der Gehorsam gegenüber der Autorität, die Schaffung von Hierarchien, wo die oben Stehenden ihren Frust an denen unter ihnen auslassen und die Überzeugung, daß physische Gewalt das effektivste Mittel zur Konfliktlösung ist, da letztlich nur eine Person "gewinnen" bzw. die Situation überleben kann.
Militärische Ausbildung verstärkt die Einstellungen und Verhaltensweisen, die Männer früh in ihrem Leben lernen, wobei sie oft die destruktivsten Aspekte ihrer Sozialisation heraushebt. Vor allem zerstört die militärische Ausbildung methodisch die Fähigkeit des Ausgebildeten, menschliche Beziehungen zu unterhalten. Letztendlich bricht das ganze System des Krieges, das darauf basiert, den Feind zu töten, zusammen, wenn Menschen anfangen, einander als Menschen zu betrachten. Gefühle zu zeigen, wird hart bestraft. Frauen, das einzig "angemessene" Liebesobjekt für männliche Soldaten, werden als Huren herabgesetzt. Pornoshops und Striplokale umgeben jede militärische Einrichtung mit der schweigenden Zustimmung der Militärkommandanten.
Und jene Männer, die Männer lieben, sind „Schlappschwänze“ und so aus dem militärischen "Club" ausgeschlossen. Frauen in den bewaffneten Streitkräften erhalten das gleiche Training - auf sie wird sogar mehr Druck ausgeübt, jene "weichen, weiblichen" Gefühle zu überwinden. Rich Ritter, der in dem Fort Wayne Veteranen-Zentrum arbeitet, schreibt in seinem Artikel "Bringing War Home: Vets Who Have Battered ", daß ungefähr ein Drittel der Veteranen, die sich um Hilfe an das Zentrum wenden, in Gewalttaten gegen Frauen oder Kinder verwickelt waren, seit sie aus dem Militär entlassen wurden. Auch der Bericht des Generalinspektors über häusliche Gewalt (1979) identifiziert militärische Familien als eher geneigt zu gewaltsamen Verhalten, was er u. a. auf das militärische Training, den Stress aufgrund häufiger Umzüge der Familien und die hohe Rate von Alkoholmißbrauch unter dem Militärpersonal zurückführt.

Was tun?
Militarismus und Gewalt gegen Frauen sind untrennbar verknüpft. Ausgaben für militärische Zwecke schafft nicht nur ökonomische Ungerechtigkeiten für Frauen, sie unterstützen den Ethos der Gewalt gegen Frauen. Unsere Möglichkeiten, die überlebenden dieser Gewalt zu betreuen, wird durch das Fehlen von finanzielle Mitteln für Zentren für vergewaltigte Frauen, Frauenhäuser, Kindertagesstätten, Weiterbildungsprogramme usw. beschränkt. Mehr und mehr Friedensgruppen fangen an, diese Verknüpfungen zu sehen.
Es ist ein Anfang, gegen jede Form von Gewalt zu arbeiten. Persönliche und organisatorische Bündnisse zwischen Friedensgruppen und jenen Gruppen, die für das Überleben kämpfen (für bezahlbare Mieten, soziale Rechte, Beratung von Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt) kann die Bewegung für Frieden und soziale Gerechtigkeit nur stärken.

Der Artikel, der hier stark gekürzt wurde, ist erstmals erschienen in: "The Nonviolent Activist", dem Magazin der WRL. Übersetzung: Christine Schweitzer.

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Cecilia Kirkman ist Beraterin in einem Frauenhausprogramm in New York und Mitglied im Exekutivkomitee der War Resisters League.