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Nur bei einem Grundgesetz-Doppelbeschluß!
Deutsche Truppen unter UNO-Kommando?
vonWer richtig hinschaut, wird bemerken: Wir befinden uns in der historischen Situation, daß sich drei weltgeschichtliche Prozesse zusammentun, die alle drei mit dem Thema Waffenexportpolitik zu tun haben. Die Entspannung und die daraus folgende Abrüstung im Ost-West-Verhältnis bergen die Gefahr, daß die deutsche Industrie noch stärker - legal und illegal - in den Waffenexport ausweicht. Die Golf-Krise, die nicht nur ein arabischer Konflikt ist, sondern ihre weltpolitische Bedeutung auch deshalb hat, weil sie ein Ressourcenkonflikt um das Öl ist, macht schlaglichtartig deutlich, daß die primären Gefahren für den Weltfrieden mittlerweile im Nord-Süd-Verhältnis erwachsen. Wer den Weltfrieden befördern will, muß überall der Logik zum Krieg" (Mitterand) entgegenwirken. Wir brauchen vor allem eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung und eine gerechtere Ordnung in den Ländern dieser Region selbst. Und natürlich eine Politik der konsequenten Energieeinsparung in den westlichen Industriestaaten.
Die Gefahr künftiger Ressourcenkriege macht es in erster Linie notwendig, daß wir eine Politik der Nichtweitergabe von Waffen in dieser Region betreiben. In neun Monaten verfügt der Irak möglicherweise schon über Atomwaffen. Er verfügt schon jetzt über weitreichende Raketen und über chemische Waffen. Und bei allen drei Waffenentwicklungen sind deutsche Experten und deutsche Firmen mit dabei. Der Magen kann sich einem wirklich umdrehen angesichts der Perversität unserer von uns weiter verschuldeten Geschichte, wenn man im Fernsehen sieht, wie in Israel Menschen Gasmasken kaufen und sich auf einen Krieg mit solch schrecklichen Sachen vorbereiten.
Wir müssen diese skizzierten Entwicklungen nutzen für eine grundlegende Wende. Denn die dritte weltgeschichtliche Veränderung dieser Tage ist in der Tat die deutsche Einigung. In dieser Situation müssen wir uns darüber im Klaren sein, daß wir jetzt noch die Wahl haben für die Definition der künftigen Rolle Deutschlands in der Welt. Wollen wir in die Rolle einer Großmacht herein wachsen -wirtschaftlich sind wir es schon - auch politisch, auch militärisch? Wollen wir uns die Rolle eines Hilfspolizisten oder Hilfssheriffs zuweisen lassen? Oder bestimmen wir selbst unsere zukünftige Rolle durch eine Verfassungsentscheidung von besonderer Bedeutung?
Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, daß die Welt der Zukunft konfliktfrei sein wird, weil es jetzt die ersten Abrüstungsvereinbarungen zwischen Ost und West gibt. Die Konflikte in der Dritten Welt werden eher zunehmen und sie werden uns auch einbeziehen können. Die Verantwortung und die Macht der UNO müssen deshalb auch von uns gestärkt werden. Nur sie wird in der Lage sein, auch diese Konflikte zu verhindern. Eine mit militärischen Mitteln ausgestattete Weltorganisation, die friedensgefährdende Krisenherde in der Dritten Welt eindämmen und dem Interventionismus der Großmächte vorbeugen kann, ist jetzt keine Utopie mehr. Auch die Deutschen werden dabei der gestiegenen Bedeutung und Verantwortung ihres gemeinsamen Staates gerecht werden müssen. Für Teile der Bundeswehr werden sich neue internationale Aufgaben ergeben, die restaurativen Vorstellungen von der Rückkehr zur nationalen Sicherheitsideologie entgegenwirken können.
Ich gehöre zu denen, die dafür sind, daß bei einer Revision unseres Grundgesetzes der Einsatz deutscher Soldaten unter dem Oberkommando der UNO möglich wird. Ich sage aber auch: Das ist jetzt nicht die vordringliche Frage. Deutsche Soldaten können nicht mehr wiedergutmachen, was deutsche Waffenexporte angerichtet haben. Deutsche Soldaten dürfen auch nicht auslöffeln müssen, was deutsche Waffenexporteure noch anrichten werden. Daher müssen wir in dieser Situation zwei Überlegungen zusammenfassen: Eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNO-Satzung und aufgrund von UNO-Beschlüssen sowie das verfassungsrechtlich abgesicherte Verbot von Waffenexporten in Staaten außerhalb unseres eigenen Bündnisses. Ein solcher Doppelbeschluß des zuständigen Verfassungsgebers wäre auch deshalb vielleicht ein Vermächtnis der vielzitierten friedlichen Revolution in der DDR, weil noch der Runde Tisch in der DDR in Artikel 45, Abs. 4 seines Verfassungsentwurfs vorgeschlagen hat: "Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Regierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden, die dem gleichen System kollektiver Sicherheit angehören.2
Wir haben die Chance, aus diesen drei weltgeschichtlichen Prozessen drei vernünftige Lehren zu ziehen: Weniger Waffenexporte, eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung und, als Konsequenz der deutschen Geschichte und Gegenwart: Wir müssen nicht nur die Verfassung ändern, sondern wir müssen auch den Geist ändern, in dem sie angewendet wird.
Quelle: SPW, Zeitschrift für Sozialistische Politik & Wirtschaft, Heft 55/1990,