Aktionsbericht von der EUCOM-Entzäunungsaktion

Gewaltfreier Widerstand am Nagasaki-Gedenktag

von Martin Otto

Für den diesjährigen Hiroshima-Gedenktag am 6. August hatte sich die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen (GAAA) rein demonstrative Aktionen vorgenommen - am 60. Jahrestag des Massenmords von Nagasaki sollte es jedoch wieder einmal eine Aktion des Zivilen Ungehorsams geben. Während in den letzten Jahren meist der Atomwaffenstützpunkt bei Büchel/Südeifel Ziel solcher GAAA-Aktionen war, fand nunmehr am European Command der US-Armee in Stuttgart erstmals seit dem April 2000 wieder eine Entzäunung mit Go-In statt.

Die Aktionsgruppe, zu der der Verfasser dieses Berichts gehört, kündigte ihr Vorhaben in einem Brief an die Verantwortlichen des EUCOM an. Diese Einrichtung in Stuttgart-Vaihingen ist eine von weltweit fünf Hauptquartieren der US-Streitkräfte, zuständig für Europa, Afrika und den Nahen Osten. Sie fungiert auch als Kommandozentrale für die in Europa stationierten amerikanischen Atomwaffen.

Unserem Brief legten wir eine 1 Euro-Münze bei und erklärten, dass wir damit ein paar Quadratmeter des EUCOM-Geländes kaufen würden. Damit verhielten wir uns ähnlich wie die US-Regierung, die vor Jahrzehnten den Western Shoshone-IndianerInnen eine riesige Fläche Land abgekauft hatte, um es anschließend mit Atomtests zu zerbomben. Die IndianerInnen hatten sich zwar geweigert, ihr Land zu verkaufen, aber dann wurde kurzerhand ein Geldbetrag auf das Konto des "Büros für indianische Angelegenheiten" überwiesen, und fortan erklärte sich die US-Regierung zur Eigentümerin des Landes.

Wir erklärten, dass wir den Zaun des EUCOM in einer gewaltfreien Aktion an einer Stelle öffnen und dahinter die von uns gekauften Quadratmeter unsererseits einzäunen wollten: "Unsere Aktion soll gleichzeitig symbolisch und konkret sein. Im EUCOM werden Kriegseinsätze gesteuert, möglicherweise in der Zukunft auch Atomwaffeneinsätze. Wir wollen die vom EUCOM ausgehende Gefahr symbolisch verringern, indem wir das EUCOM-Gelände konkret verkleinern. Wir sehen die Aktion als einen Schritt auf dem Weg hin zu politischen und juristischen Entscheidungen, die irgendwann für die konkrete Schließung des EUCOM sorgen werden. Um solche Entscheidungen zu erreichen, ist politischer Druck notwendig. Unsere Aktion ist ein Beitrag dazu."

Am Schluss des Briefes machten wir noch deutlich, dass wir mögliche juristische Konsequenzen unseres Handelns - z.B. Prozesse, Verurteilungen und Strafverbüßungen - zu weiterem spektakulärem Protest gegen die Stationierung von Atomwaffen nutzen wollen. Gegenwärtig werden weltweit schätzungsweise 30.000 solcher Massenvernichtungswaffen einsatzbereit gehalten, darunter auch Atombomben der US-Army in Ramstein und Büchel.

Am Aktionstag stiegen wir zu dritt wie geplant ins EUCOM ein. Vier UnterstützerInnen sorgten gleichzeitig für die Pressearbeit. U.a. erschien am nächsten Tag ein großer Artikel in den "Stuttgarter Nachrichten" (SN). Der beschäftigte sich aber nur zu einem Teil mit dem von uns geplanten Aktionsverlauf, ein anderer Teil mit dem "Fiasko" (Orginaltitel eines SN-Kommentars), das wir Eindringlinge darüber hinaus - mehr oder weniger ungewollt - den "Sicherheitskräften" bereiteten. Als wir nämlich etwa 100 Quadratmeter des EUCOM-Areals mit einem Band abgeteilt, dann "unser" Gelände mit Transparenten und Schildern kenntlich gemacht hatten, und nach einer halben Stunde immer noch unentdeckt geblieben waren, entschlossen wir uns, noch weiter ins EUCOM-Innere hineinzugehen, um uns dort festnehmen zu lassen. Wir zogen los, aber aus den Festnahmen wurde nichts. Im EUCOM arbeiten rund 1900 hoch spezialisierte US-Soldaten, die dort auch mit ihren Familien wohnen. Wir begegneten etlichen von ihnen, aber niemand schien sich zu wundern, dass eine 70-Jährige, ein 22-Jähriger und ein 51-jähriger langhaariger und vollbärtiger Rucksack(!)-Träger quer durch das angeblich - zumal nach dem 11.9.2001 - bestens gesicherte Areal spazierten.

Nach etwa 15 Minuten gelangten wir zur Haupteinfahrt, legten kurz hinter ihr ein Transparent mit der Aufschrift "EUCOM schließen - Atomwaffen abschaffen!" nieder, gut sichtbar für die Insassen der hereinkommenden Fahrzeuge. Da wir immer noch unbehelligt blieben, liefen wir einfach aus dem Haupttor hinaus und steuerten draußen einen Streifenwagen der Stuttgarter Polizei an, deren Besatzung zum "Objektschutz" dort postiert war. Wir erstatteten Selbstanzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Als die Beamten, die Military Police und die "Security"-Leute allmählich kapierten, was sich gerade getan hatte, waren sie doch etwas konsterniert.

Wir drei Eindringlinge werden wohl demnächst vor Gericht erklären dürfen, warum wir solche Aktionen für gerechtfertigt und geboten halten. Etliche MitstreiterInnen haben das vor uns schon getan. Es war die 17. Aktion Zivilen Ungehorsams durch die "Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen" (seit 1997) und die 9. Entzäunungsaktion am EUCOM durch die "EUCOMmunity" und/oder die GAAA (seit 1990). Bisher haben sich genau 20 Mal AktivistInnen dieser beiden Initiativen wegen solcher Aktionen ins Gefängnis sperren lassen, um auf diese Weise noch einmal besonders nachdrücklich gegen die nukleare Bedrohung zu protestieren.

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