Israelisch-palästinensischer Friedensdialog

von Heinz Rothenpieler

Beim israelisch-palestinensischen Friedensdialog in New York, Mitte März 1989, bestätigte Professor Hatem Husseine, amerikanischer Vetter des Fatah-Aktivisten Faisal Husseine aus Ost-Jerusalem, er träume tatsächlich immer noch von einem "großen, demokratischen Staat Palästina", in dem auch die Juden wohnen dürfen. Das Prinzip des Rückkehr-Gesetzes, das allen Juden in der Diaspora Zuflucht in Israel garantiert, wollten die Palästinenser in Friedenszeiten selbstverständlich zumindest symbolisch auch für alle Palästinenser im Exil angewendet sehen: eine Rückkehr der Flüchtlinge in noch bestehende Häuser in Haifa, Jaffa, Ramie..." (1)
    
"Das aber", sagt der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk, der zur Friedensbewegung gehört, "ist für die meisten Juden nach dem Holocaust unmöglich. Denn das würde heißen, daß es keine jüdische Bevölkerungsmehrheit mehr gibt, dies wäre dann ein arabischer Staat. Aber wir brauchen einen jüdischen Staat. Schon allein aus der Oberlegung heraus, daß ein solcher Staat Millionen hätte retten können, hätte es ihn Anfang der 40er Jahre bereits gegeben. Wir müssen einen Staat mit jüdischer Mehrheit haben, ganz egal, wie groß dieser Staat ist, darüber gibt es keine Diskussionen." (2) Und genau an diesem Punkt, so fährt Yoram Kaniuk fort, komme mit der Intifada Hoffnung auf: Sie habe eine Führungsgruppe aus Westbank und Gazastreifen hervorgebracht, die dieses Problem anerkenne. Prof. Schlomo Avineri, früher Generaldirektor des Außenministeriums, also kein Linker, meint gar, der Erfolg der Intifada werde "zum wohlverstanden - potentiellen Erfolg für Israel." Er sagt, die Palästinenser hätten erreicht, "worum sie zuvor Jahrzehnte lang vergeblich kämpften: draußen Sympathie der Völker, daheim Nationalstolz, eine Art widerwilligen Respekt sogar bei den lsraelis.“ (3)
Doch zum Frieden. gehören mindestens zwei Partner. Die Kräfte der israelischen Friedensbewegung sind eine Minderheit. Bei den Wahlen im November 1988 konnten die rechten Parteien Zulauf verbuchen. Das Feindbild "PLO" sitzt tief, ebenso wie bei inzwischen randständigen PLO-Gruppen das Feindbild "zionistisches Gebilde" viel Unglück bei ihrem bewaffneten Kampf produzierte.
Ein Gesetz verbietet in Israel, was bisher eh geächtet war: Kontakte mit "terroristischen sprich PLO. (4)
Das Gesetz richtet sich natürlich gegen die Friedensbewegung, die nach seiner Verkündung 1986 demonstrativ in Rumänien in einen Dialog mit PLO-Gesandten trat. Den Teilnehmern wurde der Prozeß gemacht. Das Urteil: 18 Monate Gefängnis, davon 12 Monate auf Bewährung. Noch im März 1989 müssen die prominenten israelischen Teilnehmer des bereits erwähnten Friedensdialogs von New York damit rechten, daß auch ihnen der Prozeß gemacht wird.
Für die israelische Friedensbewegung brachte die Intifada einen ungeahnten Aufschwung: Bereits im Januar 1988 entstanden fast 50 neue Friedensgruppen. Im Februar sollte ein Rückkehrerschiff mit Palästinensern, begleitet von internationalen, aber vor allem von israelischen Friedensaktivisten - darunter auch zwei Rabbis - von Athen nach Haifa fahren: eine WRI-Idee mit großer Symbolkraft (1947 hatte die englische Kolonialregierung ein jüdisches Rückkehrerschiff mit überlebenden des Holocaust in Haifa abgewiesen). Das palästinensische Rückkehrerschiff wurde vermutlich vom israelischen Geheimdienst in Zypern durch eine Bombe zerfetzt. In Haifa demonstrierten 5000 Juden und Palästinenser für das Rückkehrerschiff. Die Spannungsverhältnisse, in welchen sich die israelische Friedensbewegung befindet, wurden kürzlich besonders deutlich: Anfang März richtete der israelische Ministerpräsident Schamir auf einer Parteiversammlung schwere Vorwürfe an "Frieden jetzt", der größten und am besten organisierten (sozialdemokratischen) Friedensorganisation. Die Organisation sabotiere die Sicherheit Israels und helfe den Feinden des Landes, kritisierte Schamir. (5) Doch inzwischen befinden sich auch die USA in Gesprächen mit der PLO, nachdem sie noch im Dezember die UNO genötigt hatten, sich nach Genf zu begeben, um Arafat zu hören. Wie lange der Staat Israel vor diesen Entwicklungen die Augen verschließen kann, wird sich zeigen.
Die israelische Friedensbewegung organisiert jene, welche bereit sind, mit den Palästinensern friedlich zusammenzuleben und prangert mutig die Menschenrechtsverletzungen bei der Besatzung und im Zusammenhang mit der Intifada an. Als Beispiel soll hier Yesh Gvul ("Bis hierher und nicht weiter") erwähnt werden. 1982 gegründet, hilft Yesh Gvul unzufriedenen Soldaten. Im Herbst 1988 hatten über 600 Reservisten eine Erklärung von Yesh Gvul unterzeichnet, daß sie in den besetzten Gebieten keinen Militärdienst tun würden. 42 waren deswegen bereits vor Gericht gestellt worden und fast 100 wurden aus dem Dienst entfernt, Kriegsdienstverweigerung als solche bleibt in Israel die Ausnahme und ist gesellschaftlich verfemt. "Nach Auschwitz" so ein Prof. Micha Brumlik neulich in München, "können und dürfen Juden nicht mehr Pazifisten sein.(6) Die israelische Friedensbewegung lehrt etwas anderes. Yesh Gvul weist nachhaltig darauf hin, daß die Besatzung wieder und wieder völkerrechtliche Bestimmungen verletzt. Yesh Gvul und all die vielen kleinen und großen Friedensgruppen zwischen Galiläa, Jerusalem und Haifa sind eine Hoffnung für Israel und Palästina.
 

(1) Süddt. Zeitung 14. 3. 89
(2) FR 13.10. 88
(3) FAZ 27. 7. 88
(4) FAZ 30. 7. 88
(5) Süddt. Zeitung 7. 3. 89
(6) Süddt. Zeitung 25. 2. 89

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Hintergrund
Heinz Rothenpieler ist Sprecher der Pax Christi Kommission "Solidarität mit Zentralafrika", Vorstandsmitglied des kongolesisch-deutschen Vereins Dialog International und arbeitet bei Lernen-Helfen-Leben e.V. für Projekte in Zentralafrika und zum Regenwaldschutz mit Schülern in Deutschland. Er gibt das "Kongopresse-Tagebuch" heraus, in dem alle hier genannten Informationen ausführlicher mit Links zu den Quellen dargestellt sind. http://www.kongopresse.l-h-l.org