"Frieden" auf dem

Kirchentag in München

von Ulrich Frey
Initiativen
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Zum 25. Male findet der Kirchentag 1993 statt, vom 9.-13. Juni in Mün­chen unter dem Motto "Nehmet einander an". Das ist die Kurzfassung des Rates von Paulus an die junge Gemeinde in Rom: "Nehmet einan­der an, wie Christus Euch angenommen hat zu Gottes Lob". Damit the­matisiert dieses größte kirchliche Laientreffen in Europa eine zentrale Herausforderung: Umgang mit Fremden und Fremdem. Das Programm verspricht viel Gelegenheit zur Auseinandersetzung und Orientierung zum Thema "Frieden" im weiteren Sinne zu einer Zeit, in der wir zuge­gebenermaßen unsicher sind, wie es denn weitergehen kann und wel­che Rolle wir selbst dabei spielen.

Weisungsunabhängige Gruppen, öku­menisch zusammengesetzt, haben die Veranstaltungen zu den fünf Themenbe­reichen des Kirchentages vorbereitet. Zu dem Bereich Frieden im weitesten Sinne sind im Themenbereich 1 (Kirche: Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit) der Vortrag von Phillip Potter, dem früheren Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, zum Motto des Kirchentages zu erwähnen sowie die Arbeitsgemeinschaft Juden und Chri­sten. Begegnungen mit Muslimen sind auch vorgesehen. Der Themenbereich 2 (Geschichte: Denn auch Ihr seid Fremde gewesen) bringt Vorträge zum Fremd­sein im eigenen Land, zu Flüchtlingen in Europa und zu Zerfall und Einigung Europas. Die Arbeitsgruppe des The­menbereichs beschäftigt sich mit Fragen wie: Dürfen Deutsche Patrioten sein? Die Gegenwart der Vergangenheit in Ost-Mitteleuropa. - Eintägige Foren fin­den statt zur Problematik Kirche - Staat - Stasi, zu "Islam - Weltreligion und po­litische Macht", zu Südosteuropa inclu­sive der Jugoslawien-Probleme und zu der Frage, die viele von uns bewegt: "Ist die Politik am Ende?" Ein "Lerntag" widmet sich dem Thema "Roma, Sinti und wir".

Der Themenbereich 3 (Gewalt: In der Welt habt Ihr Angst) hat sich in den Vorträgen und in der dreitägigen Ar­beitsgruppe das Thema "Gewalt" vorge­nommen. Die Thematik "Menschen­rechte" wird in einem Forum zusammen mit Amnesty International bearbeitet. Das eintägige Forum "Frieden und Krieg" versucht, die Fragen zu be­antworten, warum es nachdem Ende des Ost-West-Konfliktes nicht endlich Frie­den gibt und wie der Krieg überwun­den werden kann, indem Frieden gestal­tet wird. Konrad Raiser, der jetzige Ge­neralsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, wird auf die Frage "Frieden gewaltfrei wagen?" antworten. Auch Ju­goslawien ist hier auf dem Programm. Am Ende sollen Modelle ziviler Frie­densarbeit stehen. Die Anti-Rüstungs­export-Kampagne hat in diesem Forum einen Büchertisch. Ein liturgischer Tag hat das Thema "Gewaltlosigkeit - mit Martin Luther King weitergehen".

Der Themenbereich 4 (Armut: Selig sind, die hungern nach Gerechtigkeit) bringt nicht nur die dramatischen Pro­bleme im Verhältnis Nord-Süd zur Sprache, sondern auch die Armut im ei­genen Lande (Arbeitslosigkeit, Woh­nungsnot, Verarmung von alten Men­schen und von Frauen). Foren gibt es zu "Kontinent Afrika im Wandel", zum Thema "Wohnen". Bei einem Lateinamerikatag stehen Straßenkinder und Gewalt im Mittelpunkt. Dorothee Sölle und Eugen Drewermann wirken mit.

Der Themenbereich 5 (Mensch: Zum Bilde Gottes schuf er sie) beschäftigt sich mit den Grenzen des Menschen. Bei der Arbeitsgruppe dieses Bereiches sollen unter anderem die Tugenden für einen gewaltfreien Umgang mit dem Leben besprochen werden. Ein Frauen­forum, ein Männerforum und ein Jugendforum werden vorbereitet. Der li­turgische Tag "Fremdland Deutschland" beschäftigt sich mit dem Zusammenle­ben von Menschen verschiedener Kul­turen, unter anderem auch mit Asylsu­chenden und Flüchtlingen. Auf 25.000 mř Fläche präsentieren im "Markt der Möglichkeiten" über 600 Gruppen aus Kirche und Gesellschaft ihre Erfahrun­gen und Anregungen zum Motto des Kirchentages. Sie haben 63 Kooperatio­nen gebildet, um die Thematik über­sichtlich darzubringen. Der Markt ist nach Themenbereichen und Stichworten übersichtlich gegliedert, so daß man von der Fülle der Anregungen nicht "erschlagen" wird. Zum engeren Thema "Frieden" sind im Marktbereich 3 insbe­sondere vier Kooperationen zu erwäh­nen: Kriegsdienstverweigerung und Zi­vildienst, Gewaltverzicht, Bundesrepu­blik ohne Armee, Jugend für den Frie­den. Am Stand der Anti-Rüstungsex­port-Kampagne mögen sich bitte alle die melden, die an Aktionen gegen Rü­stungsexporte interessiert sind. Eine Aktion soll vorbereitet werden. Im Markt des Themenbereiches 4 finden sich die Stichworte Armut, Arbeitslo­sigkeit, soziale Gestaltung der Wirt­schaft, Teilen zwischen Nord und Süd, Waren, Konsum, Überleben.

 

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Ulrich Frey ist Mitglied im SprecherInnenrat der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.