Aktivitäten vor Ort

Save me–Kampagne Bonn

von Sabine Kaldorf

Über eine Million Flüchtlinge sind 2015 nach Deutschland gekommen. Illegal. Der legale Fluchtweg nach Deutschland ist auf 500 Personen pro Jahr begrenzt. Die save me – Kampagne setzt sich dafür ein, dass das anders wird. Damit es nicht bei großen Worten bleibt, unterstützt sie Flüchtlinge ganz praktisch bei der Integration.

 

Im Jahr 2008 griffen Münchener Aktive anlässlich der 850 Jahr-Feier der Stadt eine Initiative des UNHCR auf: Die Stadt München solle die Bundesregierung auffordern, ein Resettlement-Programm zur dauerhaften Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge einzurichten und sich verpflichten, in diesem Rahmen jedes Jahr 850 Flüchtlinge aufzunehmen. Die Stadt München fasste tatsächlich einen entsprechenden Beschluss. Nur die Zahl 850 verschwand im Laufe der Debatte: Völlig unrealistisch! Tatsächlich kamen 2015 etwa 15.000 Asylbewerber nach München.

Pro Asyl machte die Initiative bekannt, und in 2009 entstanden in Deutschland über 50 lokale save me–Kampagnen. So auch in Bonn, wo die lokale pax christi–Gruppe ein breites Bündnis initiierte, das schon im Juni 2009 den Ratsbeschluss erreichte. Vor Ort rannten wir bei allen größeren Parteien offene Türen ein, auf Bundesebene blockte die Innenministerkonferenz jegliche Schritte zur Umsetzung des Programms.

 

Start in Bonn mit 32 Flüchtlingen

Alle save me–Kampagnen verbanden mit ihrem Antrag die Selbstverpflichtung, Flüchtlinge bei der Integration in Deutschland zu unterstützen. Die Gelegenheit bot sich schnell, denn Deutschland nahm 2009 ein Kontingent von 2.500 irakischen Flüchtlingen auf. So eifrig die Bundesregierung auch betonte, das sei weder Resettlement noch ein Programm: Alle Beteiligten wussten, dass es sich um das Pilotprojekt handelte. Die Aufnahme verlief nach den internationalen Regeln für Resettlement: Der UNHCR registriert die Flüchtlinge und stellt besondere Schutzbedürftigkeit fest: Alleinreisende Kinder, Frauen ohne Begleitschutz, Folteropfer etc. Der UNHCR schlägt diese Personen einem geeigneten Land zur Aufnahme vor, und dieses Land trifft die Entscheidung zur Aufnahme.

So kamen 32 irakische Flüchtlinge nach Bonn. Schnell fanden sich Freiwillige, welche die Flüchtlinge als „Paten“ begleiten wollten. Die Flüchtlinge zu finden, war nicht ganz so einfach, denn am Anfang witterten manche Behörden Probleme und einige Beratungsstellen Konkurrenz. Es dauerte eine Weile, Vertrauen aufzubauen. Aber Mitte 2010 hatten wir Paten an die meisten irakischen Kontingentflüchtlinge vermittelt. Auch einige Flüchtlinge, die über den Weg als Asylbewerber gekommen waren, konnten durch Paten unterstützt werden.

In der Folgezeit machten die Ehrenamtlichen eine ziemlich steile Lernkurve mit: Es lief vieles nicht so, wie sich das die Ehrenamtlichen vorgestellt hatten. Unsere Unterstützungsstruktur war damals zu unerfahren. Schnell waren wir mit dem Konfliktmanagement überfordert, und erst die Hilfe eines Supervisors konnte die Situationen bereinigen. Was wir damals schon lernten: Ehrenamtliches Engagement braucht hauptamtliche Unterstützung. Wir fanden diese vorerst bei der Caritas.

2011 fasste die Innenministerkonferenz endlich den Beschluss, ein Resettlementprogramm einzurichten, zeitlich befristet und auf 300 Personen pro Jahr begrenzt. Die Große Koalition beschloss die Entfristung und einen „substantiellen Ausbau“ – auf 500 Plätze pro Jahr. Als dann die Flüchtlingszahlen stiegen, fiel das Thema Resettlement endgültig unter den Tisch. Dabei wäre die Aufnahme direkt aus dem Libanon, der Türkei etc. immer noch eine ausgezeichnete Idee: Planbar, sicher und für alle Beteiligten preiswerter als die aktuellen Fluchtwege.

 

Wachstum seit 2015

Auch in der Bonner save me–Kampagne rückte die praktische Arbeit in den Mittelpunkt. Wir professionalisierten das „Patenprogramm“ und reden heute von „MentorInnen“, auch um unseren Anspruch zu dokumentieren. Vorgespräche, Zusammenführen und laufende Begleitung werden von einem ehrenamtlichen Team verantwortet, das seit Anfang des Jahres hauptamtliche Unterstützung hat. Förderung durch die Aktion Mensch einerseits und eine große Sammelaktion des Bonner Schauspielensembles andererseits machen es möglich.

Daneben gibt es ein umfangreiches Freizeitprogramm, das vor allem der Begegnung mit uns Einheimischen vor Ort dient: Kochabende, Kunstnachmittage, Sportveranstaltungen, Museumsbesuche, Ausflüge und Feste. Ergänzt wird das Angebot durch zwei Deutschkurse. Das alles wird ausschließlich von Ehrenamtlichen organisiert. Seit dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen hat sich die Bereitschaft der Menschen, die Integration in Bonn mitzugestalten, beeindruckend entwickelt. Es gibt viele Anfragen, MentorInnenschaften zu übernehmen. Aber auch die Zahl der Arbeitsgruppen, die sich um die Projekte kümmert und die Ideen umsetzt, ist stark gestiegen. Die Kraft und der Wille, mit aktivem Engagement für eine tolerante Gesellschaft Einsatz zu bringen und Integration zu ermöglichen, tragen uns alle.

Aber wir machen uns keine Illusionen: Selbst mit Unterstützung dauert es Jahre, bis Flüchtlinge hier wirklich angekommen sind und noch dazu auch finanziell auf eigenen Beinen stehen. Die kulturellen Unterschiede sind ein laufendes Thema. Wir entwickeln darum zurzeit einen interkulturellen Trainingsbaukasten. Auch dem Wunsch nach Fortbildung in Konfliktbearbeitung werden wir nachkommen, denn die Flüchtlinge tragen ihre mitgebrachten Konflikte in unsere Freizeitaktivitäten hinein.

Vieles können wir ehrenamtlich leisten, aber nicht alles: Schaffung von Wohnraum sowie Plätze in Schulen und Kitas, sinnvolle Beschäftigung gleich nach der Einreise, Deutschkurse, Anerkennung von Qualifikationen bzw. Nachqualifizierung bedürfen des politischen Willens und öffentlicher Gelder. Mit unserer Erfahrung als save me Bonn sind wir davon überzeugt:  nur so ist ein „wir schaffen  das“ machbar.

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