Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Nottuln

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Hiroshima 6. August 1945. Nagasaki 9. August 1945. Nach dem Abwurf der Atombomben starben 100`000 Menschen sofort, alles Zivilisten, darunter von der jap. Armee verschleppte Zwangsarbeiter. Bis Ende des Jahres starben weitere 130`000, unzählige weitere starben in den Folgejahren.

Zahlen sind abstrakt, sie erzählen uns nichts über das Leid der Betroffenen und ihren Angehörigen, nichts über ihr weiteres Schicksal, nichts über das qualvolle Sterben an der Strahlenkrankheit.

Am 21. November 2000 besuchte zum zweiten Mal nach 1995, eine kleine Delegation aus Hiroshima und Nagasaki auf Einladung der FI die Baumberge. Dabei war der überlebende Arzt Shuntaro Hida, 1917 geboren– und er hat einen herzzerreißenden Augenzeugenbericht geschrieben. Aus seinem Bericht von 1995 möchte ich Ihnen ein paar Sätze zumuten: „Vor 50 Jahren war ich ein junger Armeearzt im Offiziersrang und arbeitete im Militärkrankenhaus in Hiroshima. Am Vorabend des 6. August gegen Mitternacht, kam ein Notruf aus der nahe gelegenen Gemeinde Hesaka, drei Meilen vom Krankenhaus entfernt. Da die Patienten in diesem Dorf meiner Hilfe bedurften, verließ ich das Hospital. Ohne diesen Notruf und meine Übernachtung außerhalb Hiroshimas könnte ich heute nicht unter ihnen sein. Am nächsten Morgen um Viertel nach acht explodierte die Bombe. Mit einem Schlag leuchteten millionenfache Blitze auf und blendeten mich. Es folgte eine ungeheure Hitze, die meine unbedeckte Haut verbrannte. Dann, einige Sekunden später kam der ungeheure Druck, der einem Orkan gleich den Hügel heraufraste und die Häuser in diesem Dorf erfasste. Er riss das Dach des Hauses, in dem ich mich befand, ab und schleuderte mich etwa zehn Meter weit.. Als ich aus den Trümmern des Hauses hervorkroch, sah ich auf den riesigen Atompilz, de r höher und höher wuchs, in fünf verschiedenen Farben leuchtete und sich über ganz Hiroshima ausbreitete. Da ich mich als Militärarzt zum Helfen verpflichtet fühlte, nahm ich sofort mein Fahrrad und fuhr Richtung Hiroshima. Als ich etwa die Hälfte des Weges hinter mir hatte, sah ich den ersten Menschen, der aus dem Flammenmeer entflohen war. Und wie er aussah! Er war kein Mensch mehr. Vom Leib, von allen Teilen des Körpers hingen zerfetzte Lappen herunter. Von den Spitzen der Finger, die er sich vor die Brust hielt, fielen schwarze Tropfen herab. Und das Haupt, der ungeheuer große Kopf, an dem kein einziges Haar zu sehen war, geschwollene Augen, die beiden Lippen, die bis zur Hälfte des Gesichtes aufgedunsen waren.

Erschrocken trat ich einige Schritte zurück. Die hängenden Lappen waren nichts anderes als die abgeschabte Haut des lebenden Menschen. Die schwarzen Tropfen sein Blut.“....

Ich möchte Ihnen hier die weiteren schrecklichen Schilderungen ersparen. Dieser Arzt hat sich danach zeitlebens in internationalen Gremien für die Hibakusha (so nennt man in Japan die Überlebenden der Bomben)und für seine Vision einer atomfreien Welt eingesetzt . Seine Memoiren sind beim Donat Verlag mit dem Titel „Der Tag, an dem Hiroshima verschwand“, erschienen

Präsident Truman, der den Befehl zum Einsatz der Bomben gab, schrieb in sein Tagebuch: „Ich glaube, dass die Japsen klein beigeben werden, ehe Russland eingreift.“

Heute begehen wir das 77 jährige Gedenken an dieses – Kriegsverbrechen, an diese ungeheure Katastrophe und erinnern an die Opfer. Das sogenannte „Gleichgewicht des Schreckens“ - heißt die gegenseitige nukleare Abschreckung (der Großmächte )hat uns in den letzten Jahrzehnten nicht vor einem Atomkrieg bewahrt, wie die gängige Meinung war und z.T. noch ist, nein, Fakt ist, dass wir in diesen 77 Jahren nur mit Glück und dem Verstand der jeweils Verantwortlichen wenigstens dreimal vor einem Nuklearschlag zwischen den USA und Russland resp der Sowjetunion noch knapp verschont geblieben sind, nämlich 1962 während der Kubakrise (zweimal) und 1983.

Seither wurde die Weltuntergangsuhr, auch Atomuhr genannt, immer wieder von ein paar weniger auf ein paar mehr Minuten vor 12 h gestellt, abhängig von den gerade aktuellen Kriegen und Konflikten oder den gerade mal stattfindenden Verhandlungen zur Abrüstung. Zuletzt wurde sie am 24.01. 2020 auf 100 Sekunden vor 12 gestellt..

Das war vor dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine!

Dieser Krieg bedeute eine „Zeitenwende“, so unsere Politiker. Was für ein schönes, Zukunft versprechendes Wort könnte das sein: es könnte stehen für globale Zusammenarbeit für den Frieden, weltweiten Klimaschutz, Abschaffung des Hungers und der Armut und vor allem die Abschaffung der Atomwaffen.

Statt dessen bedeutet es, dass die deutsche Regierung 100 Milliarden Euro mehr für Aufrüstung ausgeben will, außerdem sollen F-35 Kampfjets gekauft werden, um die nukleare Teilhabe zu sichern. (nur so sei unsere deutsche Sicherheit zu gewährleisten.) Den Atomwaffenverbotsvertrag, der seit Januar 2021 in Kraft ist, hat Deutschland bis heute noch nicht unterzeichnet.

Und Deutschland liefert ,wie ganz Europa und die USA schwere Waffen in die Ukraine.

Erich Vad, eh. General der Bundeswehr, eh. Berater von Angela Merkel, antwortet in einem Interwiew im Publik Forum vom 22. Juli d.J. auf die Frage, ob man Putin, weil Russland Atomwaffen besitze, „alles durchgehen lassen müsse“, folgendes:

Zitat:

„Wenn Sie es mit einer Nuklearmacht zu tun haben, ist Krieg keine rationale Option mehr. Das ist der Punkt, der in der ganzen Debatte untergegangen ist. Im Konflikt mit einer Nuklearmacht von einem möglichen militärischen Sieg zu sprechen, das ist realitätsfremd. Wer hier siegreich sein will, stirbt als Zweiter. Wenn jetzt deutsche Politiker davon sprechen, dass Russland in der Ukraine militärisch besiegt werden muss, dann ist das keine vernünftige Realpolitik mehr.“ Zitat Ende.

Auch UN Generalsekretär Guterres sieht heute die größte nukleare Gefahr seit dem kalten Krieg, und sagt, die Menschheit sei in Gefahr, die Lehren zu vergessen, die in den schrecklichen Feuern von Hiroshima und Nagasaki geschmiedet wurden.

Die Regierungen aller Staaten tragen die Verantwortung für ihre Entscheidungen.

Deshalb fordern wir unsere Regierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und , auch zusammen mit andern Ländern der EU, auch unter Einbindung der OSZE , alles zu tun, um die Ukraine und Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, damit dieser Krieg nicht weiter eskaliert. Es gibt dazu u. Andern, Vorschläge, Ideen und Konzepte der Ippnw, den Internationalen Ärzten für die Verhütung eines Atomkriegs .Wir fordern die Regierung dringend auf, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Wir fordern mehr Geld für zivile Konfliktprävention und zivile Konfliktforschung, statt Milliarden für Aufrüstung.

Mehr Rüstung bedeutet nicht mehr Sicherheit! Verhandeln, Diplomatie, Interessenausgleich, miteinander reden, auch zwischen Demokratien und nicht-demokratischen Staaten sind heute notwendig, wenn wir uns nicht gegenseitig umbringen wollen, denn auch den Klimawandel können wir nur gemeinsam noch eindämmen.

Wie UN-Generalsekretär Guterres sind wir der Meinung, dass nur die Beseitigung aller Atomwaffen die Garantie ist, dass diese niemals eingesetzt werden. Deshalb fordern wir weltweite atomare Abrüstung, jetzt.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

 

Brigitte Balmer-Landwehr ist z Zt Vorsitzende der FI Nottuln.