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Redebeitrag für den Ostermarsch in Kassel am 8. April 2023
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Freundinnen und Freunde,
Das Kasseler Friedensforum hat auf die Kriegseskalation nur eine Antwort:
Sofortiger Waffenstillstand - Einstellung aller Waffenlieferungen – ein Ende der Sanktionen, die sich als Bumerang erweisen, Verhandlungen. Waffenlieferungen verlängern sinnlos den Krieg, heizen ihn weiter an, führen zu immer mehr Opfern auf beiden Seiten und lassen Verhandlungen unwahrscheinlicher werden. Denn je länger ein Krieg dauert, umso mehr verhärten sich beide Seiten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil jede Kriegspartei die immer umfangreicheren Opfer und Zerstörungen vor ihrer eigenen Bevölkerung rechtfertigen muss.
Nun wird behauptet, Putin wolle ja gar nicht verhandeln – das ist falsch! Der ehemalige NATO-General und Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat hat dazu eine klare Meinung geäußert: Er bedauert in einem Interview mit der Schweizer Zeitung „Zeitgeschehen im Fokus“ , dass die Verhandlungen, die im März 22 in Istanbul geführt wurden, nach einem positiven Ergebnis für die Ukraine abgebrochen wurden. Zitat: „Russland hatte sich in den Istanbul-Verhandlungen offensichtlich dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23.Februar zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs …..“ „Die Ukraine hatte sich verpflichtet, auf die NATO-Mitgliedschaft zu verzichten,……die Zukunft der besetzten Gebiete sollte innerhalb von 15 Jahren diplomatisch ….. gelöst werden.“. Diese Verhandlungen sind gescheitert, weil Boris Johnson – auch im Auftrag der USA - in Kiew eine Unterzeichnung verhindert hat, mit der Begründung, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit“ Warum ist das so? Auch darauf hat Kujat eine Antwort: „ Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA. Denn deren erklärtes Ziel ist es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden können (……) China“
Ich zitiere das so ausführlich, weil in unseren Medien davon nichts berichtet wurde. Man will eben Russland als Verhandlungspartner weiter delegitimieren und dämonisieren.
Natürlich können Verhandlungen nur auf der Basis von Kompromissen erfolgreich sein. Aber die Lieferung modernster Waffensysteme an die Ukraine hat dazu geführt, dass Selensky jetzt nur noch von einem Siegfrieden spricht, Vertreibung der russischen Armee vom gesamten ukrainischen Territorium, einschließlich der Krim. Das ist keine Grundlage für Verhandlungen! Nur Kompromisse können einen Verhandlungsfrieden herbeiführen.
Vorwurf an die Friedensbewegung: Wir machten uns mit unseren Forderungen nach Verhandlungen und einem Stopp der Waffenlieferungen zum Handlanger Putins:
Dazu unser grundsätzlicher Standpunkt: Wir lehnen Krieg als „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ab. Krieg als Mittel um territoriale, geopolitische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, ist menschenverachtende Barbarei im Interesse der politisch und wirtschaftlich Mächtigen; Kriegsverbrechen mit eingeschlossen – auf allen Seiten. Das Schlimme ist, dass Kriege tiefe Gräben zwischen den Völkern aufreißen und so den eigentlichen Widerspruch zwischen denen, die vom Krieg profitieren und denen, die darunter leiden, zuschütten.
Diese Position schließt natürlich auch eine Kritik am russischen Vorgehen mit ein. Aber wir lassen es uns nicht nehmen, auch auf die Mitverantwortung der USA , der NATO und auch der deutschen Regierung hinzuweisen. Jeder Krieg hat seine Vorgeschichte. Hier nur Stichworte: Verletzung der Sicherheitsinteressen Russlands durch das gebrochene Versprechen, die NATO nicht gen Osten auszuweiten. Die Hochrüstung der ukrainischen Armee durch den Westen , die angestrebte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, die Unterstützung des Maidan-Putsches, um die Ukraine vollständig in die Wirtschaft der EU einzugliedern, um nur einige Punkte zu nennen. Das alles ist keine Rechtfertigung, aber wichtig, um zu verstehen, dass dieser Krieg hätte verhindert werden können!
Immer wieder werden wir aufgefordert, Solidarität mit der Ukraine zu zeigen, aber: Wir stehen nicht an der Seite von Regierungen oder Nationen, wir stehen auf der Seite der einfachen Menschen. Sie zahlen für den Krieg. Im Krieg brennen vor allem die Hütten und nicht die Paläste. Wir distanzieren uns von jeder Form von Rassismus, also auch von einer Herabsetzung und Ausgrenzung gegenüber russischen Kulturschaffenden. Für Kassel fordern wir die Wiederaufnahme der Städtepartnerschaft mit Jaroslawl. Städtepartnerschaften, Jugend-und Kulturaustausch im Sinne eines Dialogs von unten müssen wiederbelebt werden. Dieser Dialog ist gerade in Kriegszeiten besonders wichtig. Wir müssen doch über den Tag hinausdenken und wissen doch, dass ein tragbarer Frieden nur mit und nicht gegen Russland möglich ist.
Wir stehen alle vor einer entscheidenden Frage: Was für eine Welt wollen wir unseren Kindern und Enkeln überlassen? Eine Welt, in der Profitgier, Konkurrenz und Kriege um Marktanteile und Rohstoffe regieren? In der ein ungezügeltes Wachstum und Kriege Menschen, Natur und Umwelt zerstören? In der Milliarden für Krieg und Aufrüstung verschwendet werden zulasten von Bildung, Bekämpfung der Kinderarmut, der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen und in der inzwischen die Beschäftigten ermahnt werden, nicht zu hohe Lohnforderungen zu stellen, weil man doch das Geld für den Militärhaushalt bräuchte. Aber bei Rheinmetall haben sich seit Beginn des Krieges die Aktienkurse verdoppelt. So eine Ordnung brauchen wir nicht.
- Lasst uns eine Welt erstreiten, in der Arbeit, Kreativität und technisches Wissen der Menschen im Interesse aller eingesetzt werden, zugunsten der Menschen und nicht im Sinne der Profitmaximierung großer Konzerne. Eine Welt, in der Kooperation und Austausch auf Augenhöhe herrschen und soziale Gerechtigkeit für alle das oberste Ziel ist. Eine Welt, in der die Rüstungsindustrien und Armeen verschwinden, zugunsten von Ressourcen, die eingesetzt werden, um die Klimakatastrophen, um die Naturzerstörungen aufzuhalten und zu heilen.
- Man mag das als Utopie abtun, aber ein Blick in die Geschichte zeigt: das Kleine bleibt klein nicht und groß nicht das Große. Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt.
Auch unser heutiges System ist menschengemacht – eine andere Welt ist möglich!
Ich hoffe, dass wir uns alle am 1. Mai wiedersehen, den Friedensbewegungen, soziale Bewegungen und Gewerkschaftsbewegung gehören eng zusammen.
Brigitte Domes ist tätig beim Kasseler Friedensforum.