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2003


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20.04.2003


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Hauptrede beim Ostermarsch Mannheim, 19. April 2003

Ullrich Stroheker (Friedensplenum Mannheim)

Liebe Mannheimer Bürgerinnen und Bürger, liebe Friedensfreunde,

ein sinnloser, verbrecherischer Krieg geht zu Ende. Ohne internationales Mandat hat die Weltmacht USA ein kleines Land überfallen. Sie tötete tausende Zivilisten, davon viele Frauen und Kinder, zerstörte Städte und Wohnungen, stürzte Millionen ins Elend. Sie bombardierte ein altes Kulturland, das als die Wiege der Menschheit gilt. Der zur Schau gestellte Siegesjubel dient offensichtlich, wie seinerzeit die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki weniger der aktuellen militärischen Situation, als der Drohung an alle, die sich nicht den Interessen der USA unterordnen wollen. Selbst der Scharfmacher Brzezinski sagt: "Es macht mir Sorge, daß jetzt manche sagen:" Laßt uns weiter marschieren und den nächsten Krieg anfangen."

Nachdem die USA trotz der erfolgreichen Arbeit der UN-Waffeninspektoren, die eine unblutige Entwaffnung des Hussein-Regimes möglich gemacht hätten, gegen das internationale Recht und gegen den Willen der UN diesen Krieg begonnnen hatten, sind wir sicher alle erleichtert über das Ende der strategischen Kampfhandlungen. Jeder Tag Krieg hätte weitere Tote und Verletzte und noch schlimmeres Elend gebracht. Ein anderes Ende war jetzt nicht denkbar. Dieses Ende kann keinerlei Rechtfertigung für den Krieg im Nachhinein sein, wie es uns die Medien jetzt gerne glauben machen möchten. Es bestätigt nur seine Sinnlosigkeit.

Das Schlagwort vom "humanen Krieg" war von Anfang an verlogen. Das zeigt schon die Auswahl der Kampfmittel: Bomben, Raketen und Streubomben. Der Terror gegen jeden Widerstand, gegen Wohnsiedlungen und Krankenhäuser, war bewußter Teil der Kriegführung. Plünderungen und Anarchie sind nur die hilflose und verzweifelte Antwort der Opfer.

Ohne Zweifel war die Regierung Saddam Husseins ein verbrecherisches System. Das haben wir immer gesagt, auch wenn jetzt Massenmedien behaupten, wir hätten mit Hussein sympathisiert. Er wurde weder vom Volk gewählt noch eingesetzt. Allerdings hat es die USA-Regierung nicht daran gehindert, den Irak zum Krieg gegen den Iran zu ermuntern und aufzurüsten. Beifällig wurde in Washington registriert, als Hussein nach seiner Machtergreifung Kommunisten und andere Demokraten verfolgte und grausam umbrachte. Längst ist Allgemeingut, daß es bei diesem Krieg nicht um Demokratie ging, sondern um Öl und andere Wirtschaftsinteressen der US- und internationaler Konzerne.

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Nun stellt sich die US-Administration erstaunt, daß nicht nur die zerbombten Iraker sich nicht befreit fühlen, sondern daß die gesamte Weltöffentlichkeit diesen Massenmord ablehnt. Auch in den USA selbst, obwohl dort in brutaler Weise gegen Kritiker des Krieges oder auch gegen nur" orientalisch" aussehende Bürger vorgegangen wird.

Ich gehöre zur sogenannten Flakhelfergeneration. Als ich als 15-jähriger Luftwaffenhelfer nach einem Bombenangriff die zerfetzten Überreste von Schulfreunden zusammenlesen mußte, habe ich mich, der sein ganzes bewußtes Leben bis dahin in Nazideutschland verbracht hatte, zum ersten Mal mit dem Unsinn des Krieges auseinandergesetzt. Manche haben nach dem Krieg solche furchtbaren Erfahrungen verdrängt und die Wiederbewaffnung akzeptiert, viele höhere Offiziere sogar begrüßt. Sie sind dann in der Adenauer-Armee auch mit hohen Posten belohnt worden. Die überwiegende Mehrheit hat jedoch bald die Ablehnung jeden Krieges zum Ausdruck gebracht.

Es ging schon damals nicht um den Schutz vor den "Soffjets", wie Adenauer sagte, sondern um massive wirtschaftliche und geostrategische Interessen. Die Gegner der Remilitarisierung wurden rücksichtslos verfolgt, bei der Friedenskarawane in Essen wurde ein Teilnehmer aus München, der 20-jährige Philipp Müller, absichtlich von der Polizei erschossen. Das Verbot der KPD 1956 erlebte ich im Gefängnis.

Als dann der damalige Verteidigungsminister Strauß die Bundeswehr mit Atomwaffen ausrüsten wollte, entstand nach der "Ohne-uns-Bewegung" und der Paulskirchen-Bewegung gegen den Nato-Beitritt 1961 die Ostermarsch- Bewegung in der Bundesrepublik, die seither zu einem wichtigen Teil der Friedensbewegung wurde. Viele tausend Menschen beteiligten sich an den oft von der Polizei behinderten Ostermärschen. Diese Bewegung hat wesentlich zur Verhütung der atomaren Aufrüstung der Bundeswehr beigetragen. In Mannheim war häufiges Ziel der Ostermärsche und von Blockadeaktionen der Käfertaler- und Lampertheimer-Wald mit den Panzerübungs- und Schießplätzen der US-Armee.

Auch heute sind viele Tausende bei Ostermärschen aktiv und wir verstehen unsere heutige Mahnwache als Teil dieser Bewegung. Wir grüßen von hier aus die zur gleichen Zeit stattfindende Stuttgarter Kundgebung auf dem Schloßplatz.

Mit der sogenannten Wende, der Auflösung der sozialistischen Staaten in Europa, wuchs bei vielen in der Friedensbewegung die Hoffnung, dass nun Konfrontation und Kriegsgefahr geringer würden, da ja nun der "bedrohliche Gegner" weggefallen war. Obwohl sich alle Politiker und Militärs einig waren, dass es für Deutschland keine militärische Bedrohung gibt, wurde der verschwundene Buhmann nun global gesucht. Die US-Streitkräfte bauten ihre Schwerpunkte in Deutschland zu Kommando- und Militär-Basen für Europa und den Nahen und Mittleren Osten aus. Die Bundesregierungen von Kohl bis Schröder haben diesen Zustand ausdrücklich begrüßt und den Charakter der Bundeswehr, unter Bruch des Grundgesetzes, von einer Armee zur Landesverteidigung in eine weltweite Interventions-Armee betrieben, die heute in zehn Ländern auf drei Erdteilen stationiert ist, in mehreren als Besatzungsmacht.

Tausende US-Soldaten sind mit deutscher Unterstützung auch über und von Mannheim aus an den Golf transportiert worden. Die Mannheimer Wirtschaft brüstet sich noch in der Presse, daß sich damit der Umschlag im Mannheimer Hafen wesentlich erhöht hat. Dieser völkerrechtswidrige Krieg ist also auch von Mannheim ausgegangen. Es hätte auch der Mannheimer CDU gut angestanden sich, wie die anderen Parteien, der weltweiten Resolution "Cities for peace" anzuschließen.

Die immer wieder totgesagte Friedensbewegung mit ihren Ostermärschen hat seit nunmehr über 40 Jahren neben aktuellen Forderungen immer wieder den Gedanken hochgehalten, daß Krieg kein Mittel zur Lösung internationaler Probleme sein darf. Natürlich gab es dabei immer wieder Niederlagen und Enttäuschungen, weil die Kraft nicht ausgereicht hat, Rüstungsprojekte zu stoppen oder Kriege zu verhindern. Das galt sicher für den ersten Irak-Krieg und die Kriege in Jugoslawien und Afghanistan. Das gilt auch jetzt. Mancher stellt sich verständlicherweise die Frage: Was hat es genützt zu demonstrieren, die US-Administration kann doch in der ganzen Welt machen was sie will.

Aber hat nicht erst das gewaltige Anwachsen einer weltweiten Friedensbewegung das völkerrechtswidrige Handeln der USA und Englands öffentlich gemacht und bei Millionen Menschen das Verständnis für die wirklichen Hintergründe dieses Krieges geweckt? Und viele Regierungen gezwungen zu lavieren zwischen der Haltung ihrer Bevölkerung und den in Aussicht gestellten Dollar-Millionen. Hat diese weltweite Friedensbewegung nicht erreicht, daß die Koalition der "Kriegswilligen" recht kümmerlich geblieben ist und nur deren Abhängigkeit von der US-Politik bestätigt hat? Und haben die Aktionen der Friedensbewegung nicht dazu beigetragen, daß die Grausamkeiten des Krieges öffentlich geworden sind? Manche Journalisten wurden bei ihrer Arbeit von US-Panzern gezielt getötet. Schon wird deutlich, daß im Irak selbst, wie auch international, das Mißtrauen gegen einen US-General als Statthalter immer deutlicher wird, zuletzt auf der von den USA gesteuerten Konferenz in Nasarik.

Mich persönlich macht besonders hoffnungsvoll die Tatsache, daß auch viele ältere Menschen aus meiner Generation aus ihren persönlichen Erfahrungen vom Krieg die Schlußfolgerung gezogen haben, daß sie etwas gegen den Krieg tun müssen. Vor allem stimmt mich optimistisch, daß viele jungen Menschen mit großem Einsatz und ideenreich sich nicht nur an Aktionen gegen den Krieg beteiligt, sondern vielfältige eigene Ideen entwickelt und sich intensiv mit dem Krieg auseinandergesetzt haben. Viele in einem Alter, in dem meine Generation für falsche Ziele in den Krieg marschiert ist Die Verbots- und Strafmaßnahmen einiger Schulleiter stehen im krassen Widerspruch zu den formalen Appellen nach mehr Zivilcourage.

Man kann dem "Mannheimer Morgen" nur Recht geben, wenn er am 19.3. 2003 u.a. feststellt:" Diese Generation wird noch in Jahrzehnten in ihrem politischen Denken von einem tiefen Mißtrauen gegenüber den USA bestimmt sein und beharrlich versuchen, eine europäische pazifistische Gegenidentität gegenüber dem USA-Führungsanspruch zu entwickeln. Für ein transatlantisches Verhältnis traditioneller Prägung, für die politische und ideelle Anlehnung an Amerika steht diese Generation nicht mehr zur Verfügung."

Wir sehen im Ausgang des Krieges keine Niederlage der Friedensbewegung, sondern im Krieg selbst eine Niederlage der Zivilisation und der Menschlichkeit. Wir müssen dafür sorgen, daß nicht unter dem Deckmantel der Hilfe für die Opfer des Krieges die Diskussion über dessen Ursachen und über die Schuld verdrängt werden, wie das nach 1945 bei uns geschehen ist. Wir fordern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sie beim Namen zu nennen und wachsam zu sein, wo sie neue Konflikte anzetteln. Das Schlagwort von der "Achse des Bösen" läßt Schlimmes befürchten. Schon werden Drohungen gegen Syrien und den Iran ausgesprochen.

Die Absicht, Kriege auszulösen, wird solange nicht beseitigt sein, wie eine Gesellschaft, wie es Staaten gibt, in denen die Kräfte bestimmen die sich am Krieg maßlos bereichern. Wer den "Auftrieb" hochtechnisierter Militärmacht beobachtet hat, kann sich ausrechnen, welchen Gewinn sich manche Konzerne für den Ersatz zerstörter und für die Schaffung neuer Waffen ausrechnen. Und wenn heute Konzerne wie Daimler-Chrysler ihre Aufsichtsratsbezüge und Direktorengehälter um viele Millionen erhöhen, ist das auch eine Ursache immer neuer Kriege. Das kann nicht heißen, daß wir abwarten dürfen bis sich die Besitzverhältnisse verändert haben - von alleine tun sie dies ohnehin nicht -, sondern daß wir noch energischer als bisher der Hochrüstung und der Erhöhung der Militärhaushalte entgegentreten müssen. Es ist sicher kein Zufall, daß in Deutschland versucht wird, im "Windschatten" der Zustimmung der Haltung der Bundesregierung gegen diesen Krieg Sozialabbau im großen Umfang zu Gunsten immer höherer Gewinne der Konzerne zu betreiben. Wir begrüßen es, daß sich der Widerstand dagegen in Gewerkschaften und in der SPD jetzt endlich deutlicher formiert.

Die Friedensbewegung sollte in der nächsten Zeit darlegen, daß sie ihre Anti-Haltung durch eine Pro-Haltung ergänzt. Sie sollte politische Inhalte und Ziele formulieren. Ich möchte hier nur einige aufgreifen:

Das Ziel einer Beseitigung und Unschädlichmachung von Massenvernichtungswaffen sollte auf alle Staaten ausgedehnt werden. Waffeninspekteure also auch in die USA, nach Großbritannien Frankreich, Russland und China und natürlich auch nach Deutschland!

Das Verhalten der Mehrheit der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zum Irak-Krieg muss genutzt werden das strikte Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen durchzusetzen.

Der militärischen Supermacht USA ist nicht dadurch beizukommen, daß man selbst versucht auf militärischem Gebiet gleichzuziehen .Wir halten dies für eine grundverkehrte Weichenstellung. Europa braucht keine weiteren Eingreif- und Interventionstruppen, es braucht vielmehr politische Initiativen zur zivilen Konfliktvorbeugung.

Wir verlangen von der Bundesregierung, den Krieg eindeutig zu verurteilen, jede Kriegsunterstützung zu beenden und die sofortige Aufhebung der Überflugrechte und der Erlaubnis von Militärtransporten durch Deutschland.

Wir dürfen also in den nächsten Wochen nicht enttäuscht auseinandergehen. Wir sollten in unseren Organisationen wie in Initiativen und Gremien offen und vertrauensvoll die nächsten Schritte beraten. Kampf um Abrüstung und Frieden bleibt unsere gemeinsame Aufgabe und ich bin sicher, daß wir uns auch in Aktivitäten gegen Sozialabbau, die weitere Einschränkung demokratischer Rechte und gegen das Treiben der NPD schon am 1. Mai wieder sehen werden.



E-Mail:   friedensplenum.mannheim@gmx.de
Internet: http://www.frieden-mannheim.de
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