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Oster-
marsch
2003


vom:
24.04.2003


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Rede beim Würzburger Ostermarsch am 19.4.2003

Uta Deitert (Ökopax)

Man muss auch das Vergebliche tun! Wir alle hier und Millionen Menschen überall auf der Welt haben das Vergebliche getan: Wir haben gegen diesen Irak-Krieg argumentiert und demonstriert, wochenlang, immer wieder - er kam doch. Aber, dabei ist unversehens etwas entstanden, was George W. und seine Clique nie wieder sehen wollten - eine 2. Weltmacht: die internationale Zivilgesellschaft, eine Weltöffentlichkeit, die nicht bereit ist, die allzu fadenscheinigen Lügen von Massenvernichtungswaffen, Terrorverbindungen und Demokratisierung zu glauben, eine Weltöffentlichkeit, die Zeuge geworden ist, wie erst mit Fälschungen dann mit Zuckerbrot und Peitsche Zustimmung im Sicherheitsrat erzwungen werden sollte und dann mit ansah, wie die sogenannte größte Demokratie der Welt auf Recht und Gesetz pfiff.

Halten wir fest: noch nie ist so eindeutig und mit voller Absicht gegen das Völkerrecht und UN-Bestimmungen verstoßen worden, aber auch noch nie haben selbst kleine Länder wie Chile und Mexiko, die massiv abhängig sind von Amerika, gewagt, sich offen gegen die Supermacht zu stellen, und daran haben die weltweiten Demonstrationen keinen geringen Anteil. Darum hat sich hier nicht die UNO als irrelevant erwiesen, sondern Stärke gezeigt, denn sie hat sich nicht um der äußeren Einheit willen dem Hegemon gebeugt.

Dieser Bonus geht aber wieder verloren, wenn die UNO sich jetzt in den Wiederaufbau hineinziehen lässt und so den Eindruck erweckt, als sei dieser Völkerrechtsbruch zwar eine Sünde aber eine lässliche, und jetzt müssen alle gemeinsam mit anpacken .Solche Signale gibt es nämlich, auch von unserer Regierung. Das möchten die USA: sie wollen die politische und wirtschaftliche Kontrolle und die lukrativen Aufträge - die Wiederaufbaukosten werden auf 100 Milliarden Dollar geschätzt - und zahlen sollen die UN. Die ersten Aufträge sind schon vergeben, samt und sonders an amerikanische Firmen, so dass selbst die NY-Times von nackter Begünstigung spricht.

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Wiederaufbau unter UN ist zwar wünschenswert, aber nur unter einer Bedingung: Per Resolution muss festgehalten werden: 1. Dieser Angriffskrieg war völkerrechtswidrig, darum haben die Aggressoren USA und GB die Wiederaufbaukosten zu tragen. 2. Die UNO ist das oberste Entscheidungs-und Kontrollorgan. Sie schreibt alle Aufträge an internationale Firmen aus und bestimmt die Mitglieder einer Interimsregierung. Wenn diese Resolution scheitert, sollte die UNO sich aus dem Aufbau heraushalten und sich auf humanitäre Hilfe beschränken.

Es ist zu befürchten, dass sich unsere Regierung nicht auf diese harte Linie festlegen wird. Wiederannäherung heißt die neue Devise. Außerdem hat sie sich bis heute geweigert, diesen Krieg einen Völkerrechtsbruch zu nennen, wohlwissend, dass sie dann mit am Pranger stehen würde. Kein Land hat mehr zur Ermöglichung dieses Krieges beigetragen als Deutschland mit seinen Überflugrechten, Awacs-Piloten, Spürpanzern und Geleitschutzbooten. Aber auch Beihilfe zum Völkerrechtsbruch ist Völkerrechtsbruch und in diesem Fall auch Verfassungsbruch. Zu diesem Schluss kommen jedenfalls 2 Rechtsgutachten des Bundestags, die dann auch sofort in der untersten Schublade verschwunden sind.

Nach 3 Wochen ist der heiße Krieg zuende, das große Schlachten hat es wohl nicht gegeben. Aber sicher ist noch gar nichts. An harte Fakten ist schwer zu kommen, denn die handverlesenen Presseleute haben ja ihre Berichte im gemeinsamen Bett mit Armeeoffizieren gemacht. Hätte es nicht ein paar mutige Reporter gegeben, die auf eigenes Risiko unterwegs waren und den arabischen Sender Al Dschasira, gäbe es noch weniger verlässliche Informationen.

Gesichert scheint: 24000 Bomben sind gefallen - Fehlerquote 7-10%, also gut 2000; ca. 120 getötete US- und britische Soldaten, mehr als 300 Schwerverletzte und Verstümmelte, die aber totgeschwiegen werden; ca. 1000 tote irakische Zivilpersonen, deren genaue Zahl das Pentagon ausdrücklich nicht ermitteln will; Tausende Verletzte, tageweise waren es stdl. 100, die in die Krankenhäuser kamen, wo sie kaum behandelt werden können. In den nächsten Wochen und Jahren werden noch viele dazukommen, die nachträglich den Streubomben und der Uran-Munition zum Opfer fallen werden, auf die zur Befreiung des irakischen Volkes nicht verzichtet werden konnte; mindestens 500000 kriegstraumatisierte Kinder; Schätzungen über die Anzahl gefallener irakischer Soldaten schwanken zwischen wenigen Tausend und 30000; aufflammende innerirakische Konflikte ; Plünderungen von Krankenhäusern, Universität und Museen, die ungeschützt blieben, aber martialischer Schutz für Ölquellen, Raffinerien, Ölministerium; Ablehnung einer Interimsregierung von US-Gnaden auf breiter Front. - alles in allem eine ungewisse Zukunft, deren Gestaltung eine Herkulesaufgabe wird.

Bei alldem haben Bush und die Seinen ihren Blick schon gen Syrien gerichtet und stoßen dorthin beinahe wortgleich die selben Drohungen aus wie gegen den Irak. Deutlicher kann man kaum machen, dass es hier wohl doch nicht um das irakische Volk geht sondern um die mehr oder weniger gewaltsame Formung der gesamten Region nach amerikanischen Wünschen, und da steht nun mal an erster Stelle das Öl. Der Zugriff auf das irakische Öl macht Amerika unabhängig von dem unsicheren Kantonisten Saudi-Arabien und der von dort dominierten OPEC. Mit einer Marionettenregierung im Irak könnten Bush und seine Ölmagnaten beliebig viel Öl fördern, so den Ölpreis senken, die OPEC kippen und verhindern, dass die OPEC-Staaten ihr Öl in Euro abrechnen, was einige vorhaben. Das wäre das Ende des Dollars als Leitwährung und eine Katastrophe für die US-Wirtschaft.

Weil das alles so ist, müssen wir, diese 2. Weltmacht Weltöffentlichkeit Druck machen, dass es keinen Kuhhandel mit den Kriegsmächten gibt. Nackter Gewalt unter dem Deckmantel des Pragmatismus nachzugeben, wäre das Ende einer rechtlich verfassten Völkergemeinschaft und der Beginn einer neuen Aufrüstungswelle bei allen, die sich als potentielle Feinde Amerikas sehen. Widerstehen müssen wir auch dem Aufbau einer europäischen Militärmacht als Gegengewicht zu den USA. Gegen 435 Milliarden Dollar Rüstungsetat kommen wir nie an und selbst wenn - was hätten wir denn im Falle Irak damit gemacht? Amerika den Krieg erklärt?

Unsere Ziele müssen heißen: weltweite Abrüstung statt europäische Interventionsarmee; Prävention durch Diplomatie und zivile Konfliktlösung statt Präventivkriege; gerechte Weltwirtschaftsordnung statt eines Raubtierkapitalismus, der aus den armen Ländern auch noch das letzte herauspresst, die natürlichen Ressourcen; eine alternative Energiepolitik, die endlich unsere sklavische Abhängigkeit vom Öl beendet. Außerdem: die Welt endet nicht an den Ölfeldern Arabiens. Zur Zeit gibt es fast 20 Kriege, vor allem in Afrika, die mit äußerster Grausamkeit geführt werden, auch da müssen wir Stachel im Fleisch bleiben und auf Lösungen dringen.

Die Zusammenhänge hinter all diesen Konflikten sind oft schwer zu durchschauen, Analysen und Vorschläge von Globalisierungskritikern und Friedensbewegung finden nur wenig Eingang in unsere Alltagsmedien. Im Internet ist aber vieles zu finden, es hilft uns auch uns untereinander und weltweit zu vernetzen - das sollten wir auch tun. Wenn wir es nicht schaffen, den Schwung der Antikriegsdemos weiterzutragen, wenn wir uns entmutigen lassen und die 2. Weltmacht " internationale Zivilgesellschaft" auseinander fällt, dann war der Kampf der letzten Monate tatsächlich vergebens.


Internet: http://www.oekopax.de
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