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Oster-
marsch
2003


vom:
24.04.2003


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Rede beim Ostermarsch 2003 in Hannver am 19. April

Gisela Fähndrich

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde - "Nonnen folgen Bush`s Aufruf zur Abrüstung" - so war am 5. April eine Meldung in der Süddeutschen überschrieben. Es wurde gemeldet, dass zwei Nonnen auf ein Militärgelände in Georgetown, Colorado eingedrungen waren und mit Hämmern auf den 20 Tonnen schweren Betondeckel eines Atomraketensilos eingeschlagen haben. Jetzt stehen diese beiden Nonnen vor Gericht und berufen sich auf den Aufruf ihres Präsidenten, Massenvernichtungswaffen zu zerstören. "Ich hatte die Pflicht und die Verantwortung, sowohl nach den Gesetzen Gottes als auch nach den amerikanischen und internationalen Gesetzen, ein Verbrechen zu verhindern." So begründete Carol Gilbert ihr Tun. Die Anklage gegen die beiden Nonnen lautet auf Sabotage und Gefährdung der nationalen Sicherheit. Darauf können bis zu 20 Jahren Gefängnis stehen.

Gäbe es mehr solche Christinnen und Christen, gäbe es mehr solche Menschen, dann könnte die Welt anders aussehen. Die beiden Frauen haben ein mutiges Zeichen gesetzt, das die Proteste vieler Menschen, Christen und Muslime, gegen den Krieg ausdrückt, besonders augenblicklich gegen den im Irak, der immer noch stattfindet, obwohl sie beginnen vom Sieg und vom Frieden zu sprechen.

In apokalyptischen Dimensionen wurde dieser Krieg heraufgeredet: die Achse des Bösen; der Kampf des Guten gegen das Böse. In dieser religiösen Lügensprache bekam der Kriegsherr eine göttliche Dimension und der Angriffskrieg sollte zum gerechten Krieg erklärt werden. Obwohl doch die Welt weiß, dass es keine gerechten Kriege geben kann, sondern nur gerechten Frieden. Krieg - und dann noch im Namen Gottes - ist und bleibt Gotteslästerung.

Diese Sprachverwirrung, die so leicht zur Denkverwirrung führen kann, wenn wir nicht ganz sorgfältig hinhören, hat uns in den vergangenen Monaten und besonders in den letzten Wochen intensiv begleitet. Da sagt Rumsfield in einer Pressekonferenz: "Wir treffen nur, was wir wollen." Und ich sehe im Fernsehen und in den Zeitungen Bilder von getöteten Menschen, zerfetzten Leibern, körperlich und seelisch zerstörten Kindern, zerbombten Häusern der Zivilbevölkerung. Wie soll ich das zusammenbekommen? Das also ist der sog. "saubere Krieg".

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Ich sehe völkerrechtswidrige Bilder von gedemütigten Kriegsgefangenen, die sich vor der Kamera nackt ausziehen müssen. Das also ist der sog. "saubere Krieg".

Ich höre, dass der Krieg ein Befreiungskrieg sein soll. Und ich erlebe als Fernsehzuschauerin, dass die sog. Befreiung in Chaos, Anarchie und nackte Not geführt hat.

Auf den Krieg waren wir vorbereitet, auf die elementarsten Fragen für das ganz direkte Danach offensichtlich nicht, oder nur in segmentierten Einzelbereichen. Die Ölfördereinrichtungen und das Ölministerium in Bagdad waren sofort militärisch geschützt. Da funktionierte die Ordnung. Leben, Hab und Gut der Bevölkerung genauso wie die Einrichtungen der Infrastruktur, wie Verwaltungseinrichtungen, Krankenhäuser, Versorgungseinrichtungen, die für das tägliche Leben und den Wiederaufbau so unendlich wichtig sind, und die Kulturgüter, die uns den Blick öffnen für die uralte Hochkultur der gesamten Region, blieben ungeschützt und fielen dem Chaos und der Anarchie zum Opfer. Das Militär fühlte sich nicht zuständig, obwohl auch hier das Völkerrecht eine klare Sprache spricht. Und wir fragen mit Nachdruck: Wer sollte hier mit welchem Ziel befreit werden?

Auch auf diesem Hintergrund hören wir mit Schrecken die Sprache des amerikanischen Weltmachtsanspruches: Syrien wird gewarnt! Die Linie wird weitergezogen, da es bisher weder der UNO noch der Europäischen Gemeinschaft gelungen ist, die machtpolitischen Veränderungen der vergangenen 15 Jahre ernsthaft zu erörtern und Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Denkstrukturen der Jahrzehnte des Kalten Krieges sind geblieben, nur dass die Gegenmacht nicht mehr vorhanden ist. In jedem Machtvakuum ist zu viel Platz. So ist der religiös verbrämte Allmachtsanspruch ungebremst. Und in der allgemeinen Sprach- und Denkverwirrung heißt das dann: Der Kampf gegen das Böse, gegen Terror und Gewalt.

Da finde ich in der jüngsten Ausgabe der Jungen Kirche, einer Zeitschrift europäischer Christinnen und Christen einen Artikel unter dem Titel Zwischenruf, der auf die Fortsetzung der Sprach- und Denkverwirrung aufmerksam macht:

"Sie werden es Frieden nennen, aber es wird nicht Schalom sein. So war es immer nach ihren Kriegen. Bald danach werden die Nachrichten über diesen Krieg aus den Medien verschwunden sein und wir werden nicht mehr erfahren, was im Irak wirklich geschieht (nicht dass wir behaupten könnten, das vorher je wirklich erfahren zu haben!). Aber sie werden es Frieden nennen. Denn sie sprechen eine andere Sprache, zumindest eine andere als ich. Das Phänomen ist nicht neu, dass sie versuchen, Sprache zu vergewaltigen und dadurch Bewusstsein von Menschen zu steuern. Sie "heilen den Schaden meines Volkes nur obenhin, indem sie sagen, ´Friede! Friede!`, und ist doch nicht Friede." (So Jeremia 8,11) Wer die Sprachregelung in der Öffentlichkeit beherrscht, beeinflusst die Köpfe, versucht Wahrheiten in Lüge zu verdrehen. In meiner Sprache gibt es keinen "bewaffneten Frieden". Ich habe gelernt, dass man den Feind entwaffnet, indem man ihn wie einen Freund behandelt. Und wenn Verbündete sich gegenseitig abschießen, die von sich behaupten, Freunde zu sein, dann könnte ich das niemals "friendly fire" nennen. Wir konnten den Krieg nicht verhindern und wir können niemand retten, aber vielleicht können wir etwas von der Wahrheit retten, indem wir Kriegslügen entlarven und wenigstens der Gewalt entgegentreten, die sie der Sprache antun, damit sie es nicht hinterher wieder unwidersprochen "Frieden" nennen können und dafür gelobt werden, dass sie den Krieg beendet haben, den niemand von uns wollte."

Vielen Dank.


Gisela Fähndrich ist Superintendentin im ev.-luth. Stadtkirchenverband Hannover und im Vorstand des Vereins Dokumentationsstätte über Kriegsgeschehen und zu Friedensarbeit e.V., Sievershausen

E-Mail:   gisela.faehndrich@evlka.de
Internet: http://www.nananet.de/friedensburo
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