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Oster-
marsch
2003


vom:
28.04.2003


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Ostermärsche und -aktionen 2003:

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12. Bodensee-Ostermarsch: Begrüssung in Kreuzlingen, 19 April 2003

Ruedi Tobler

Kontakt: SCHWEIZERISCHER FRIEDENSRAT, CH-8023 Zürich, Postfach 6386, Tel.: +41/1/242 93 21, Fax: +41/1/241 29 26

Vor vierzig Jahren hat in der Schweiz der erste Ostermarsch der Atomwaffengegner stattgefunden.

Von den Atomwaffengegnerinnen sprach damals kaum jemand, obwohl sie schon damals sehr zahlreich aktiv und auch am Marsch beteiligt waren. Drei Tage lang sind wir damals von Lausanne nach Genf marschiert. Heute nehmen wir es gemütlicher, keine drei Stunden werden wir von Kreuzlingen nach Konstanz unterwegs sein. Dafür überschreiten wir heute die Landesgrenze, was damals noch nicht möglich war. Und dieses Jahr finden in der Schweiz erstmals drei Osteranlässe statt. Der erste in der Region Basel hat bereits am vergangenen Samstag in Basel stattgefunden. Die zweiten sind wir heute mit dem Bodensee- Ostermarsch. Und erstmals gibt es auch einen Ostermarsch in Bern, übermorgen am Ostermontag.

Atomare Abrüstung bleibt eine dringliche Forderung Das "klassische" Thema der Ostermärsche ist die atomare Abrüstung. Diese Frage hat seit dem Anbeginn der internationalen Ostermarschbewegung Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts nichts von ihrer Aktualität verloren. Das Thema hat zwar seit dem Zusammenbruch des Blocksystems in der medialen Öffentlichkeit stark an Interesse verloren, was jedoch keineswegs der tatsächlichen Bedrohung entspricht: Noch immer kann die Menschheit durch Atomwaffen mehrfach ausgelöscht werden. Diese reale Bedrohung geht in erster Linie von den erklärten und nicht erklärten Atomwaffenmächten aus.

Es wäre gewiss naiv, den Horror zu leugnen, den ein Terroranschlag mit Atomwaffen bedeuten würde. Und die Gefahr eines solchen Anschlags kann nicht einfach ins Reich der Fantasie abgeschoben werden. Aber inzwischen hat sich erwiesen, dass der Irak nicht jene Bedrohung gewesen ist, wie sie von der US-Regierung dargestellt wurde. Das UNWaffeninspektions- und Abrüstungsregime im letzten Jahrzehnt ist offensichtlich nicht wirkungslos geblieben.

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Oster-
marsch
2003
Es gibt seit Jahren innerhalb der Bewegungen gegen Atomwaffen und Atomkraftwerke eine Diskussion über die Bedeutung des Atomsperrvertrags von 1968. Ist er als gescheitert zu betrachten? Oder hat er doch so viel Wirkung erzielt, dass seine Weiterführung zu unterstützen ist?

Sicher ist, dass der Atomsperrvertrag neue Atommächte nicht verhindert hat - z.B. Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan. Und noch weniger war er ein Hindernis für das Entstehen von sog. "Schwellenländern". Das sind jene Länder, die über das technische Wissen und die industriellen Voraussetzungen verfügen, innert kurzer Zeit Atomwaffen zu produzieren.

Das sind heute fast alle sog. hoch industrialisierten Länder. Der Atomsperrvertrag hat einen Doppelcharakter, der das Entstehen von "Schwellenländern" fördert. Auf der einen Seite verbietet er für die Nicht-Atomwaffenmächte - die "Habenichtse" - Atomwaffen und ihre Weiterverbreitung an sie. Auf der andern Seite dient er aber der Förderung der "zivilen" Atomtechnologie und damit auch von Wissen, das für Atomwaffenproduktion nötig ist.

Mit dem Atomsperrvertrag haben sich aber auch die anerkannten Atommächte zur Abrüstung ihres Arsenals verpflichtet. Dieses Versprechen haben sie nicht eingehalten. Vom 28. April bis 9. Mai findet in Genf eine Vorbereitungssession für die Überprüfungskonferenz des Atomsperrvertrags von 2005 statt. Dies ist der geeignete Moment, von den Atommächten die Einlösung ihres Abrüstungsversprechens einzufordern. Da sind wir in der Schweiz selbstverständlich besonders gefordert. Aktivitäten dazu werden von Greenpeace koordiniert.

Den Bundesrat fordern wir auf, sich entschieden für eine neue Initiative zur atomaren Abrüstung einzusetzen, die endlich die scheinheilige Trennung von ziviler und militärischer Atomtechnologie überwindet. Um einem solchen Vorstoss mehr Legitimation zu verleihen, fordern wir die Schweizerinnen und Schweizer auf, am 18. Mai den beiden Initiativen "Strom ohne Atom" und "Moratorium plus" zuzustimmen und damit den Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie möglich zu machen. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist nicht nur aus ökologischen und energiepolitischen Gründen sinnvoll, er ist auch ein Beitrag zur Friedenspolitik.

Wer einen Krieg vom Zaune reisst, muss Verantwortung für das Danach übernehmen Ein Thema steht klar im Zentrum der diesjährigen Ostermärsche, der völkerrechtswidrige Krieg gegen den Irak. Wobei es heute weniger um den Protest gegen den Krieg geht, als um die Frage der Nachkriegsordnung im Irak. Und da ist die Lage reichlich vertrackt.

Die internationale Antikriegsbewegung hat immer auch die Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak gefordert. Heute können wir nicht mehr die bedingungslose Aufhebung der Sanktionen fordern, da dies den USA als Besatzungsmacht praktisch den ungehinderten Zugriff auf das irakische Öl verschaffen würde - was Präsident Bush denn auch vehement fordert.

Die Aufhebung der Sanktionen und damit auch das Ende des Programms "Öl für Nahrung " muss Teil einer Regelung der Nachkriegsordnung sein. Eine solche Regelung darf nicht auf die Interessen der USA und ihrer Kriegskoalition ausgerichtet sein, aber auch nicht auf die Länder, die sich in der UNO den Kriegsplänen widersetzt haben. Massgebend müssen die Interessen der irakischen Bevölkerung sein. Das Völkerrecht garantiert ihr das Selbstbestimmungsrecht.

Keine Besatzungsmacht hat das Recht, dies der irakischen Bevölkerung vorzuenthalten. Und selbstverständlich schliesst das Selbstbestimmungsrecht ausdrücklich das Verfügungsrecht über die Bodenschätze mit ein!

Deshalb fordern wir den raschest möglichen Abzug der Truppen der US-Kriegskoalition aus dem Irak. Da aber das irakische Regime unter Saddam Hussein zusammengebrochen ist, müssen wir gleichzeitig fordern, dass die Koalitionstruppen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen als Besatzungsmacht wahrnehmen, nämlich für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Diese Forderung ist keine völkerrechtliche Anerkennung der Kriegführung der USA und ihrer Koalition, das humanitäre Völkerrecht gilt für alle Kriegführenden!

Auf die Aufgabe, im besetzten Gebiet für Ordnung zu sorgen, sind die Koalitionstruppen offensichtlich schlecht bis gar nicht vorbereitet. Das derzeit verbreitete Chaos im Irak - ein neues Kapitel in der langen Leidensgeschichte der irakischen Bevölkerung - straft die Propaganda der US-Regierung von Befreiung und Demokratie Lügen. Wenn dies wirklich das Ziel gewesen wäre, hätten entsprechende Vorbereitungen getroffen werden müssen.

Vom schweizerischen Bundesrat erwarten wir ein besonders starkes Engagement für die Einhaltung der Genfer Konventionen durch die Kriegskoalition. Dazu ist er als Depositarstaat der Genfer Konventionen sowohl legitimiert wie verpflichtet.

Es darf sich im Irak nicht wiederholen, was die USA in Afghanistan angerichtet haben. Sie haben zwar das Taliban-Regime gestürzt, begnügen sich aber seither damit, eine symbolische Regierung in der Hauptstadt zu stützen. Den grössten Teil des Landes überlassen sie aber seinem Schicksal, den grossen Teil der Bevölkerung haben sie sog. "Warlords" ausgeliefert.

Auch die Frage, wer den Wiederaufbau im Irak finanzieren soll, ist nicht einfach zu beantworten.

Auf den ersten Blick scheint es logisch, dass die Kriegskoalition dafür in die Verantwortung genommen werden soll. Aber, wenn wir den Zeithorizont erweitern, zeigt sich, dass sich auch Staaten an der Aufrüstung des Irak beteiligt haben, die nicht der Kriegskoalition angehören. Müssen sie nicht auch zur Verantwortung gezogen werden? Dann gehört auch die Schweiz dazu. Am Waffengeschäft mit dem Hussein-Regime haben sich seinerzeit auch diverse Schweizer Firmen beteiligt.

Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein mit militärischer Vernichtungskraft war relativ einfach. Opfer war in erster Linie die Bevölkerung. Der Aufbau einer Friedensordnung wird wesentlich schwieriger und langwieriger sein. Das wird umso eher gelingen, als die irakische Bevölkerung in Freiheit ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen kann. Die Grundlage dafür liefert die UNO-Charta.

Forderungen an die Schweiz im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg:

Bis am letzten Mittwoch konnten wir mit der Haltung des schweizerischen Bundesrates gegen einen Krieg so zufrieden sein wie noch selten zuvor. Am 16. April hat sich aber einmal mehr der traditionelle schweizerische Krämergeist im Bundesrat durchgesetzt. Es ist bezeichnend, dass dies gerade in doppelter Hinsicht passierte. Der Bundesrat hat nicht nur das Verbot für Waffenausfuhr an die USA wie die andern kriegführenden Staaten und das Überflugverbot für Kriegsflugzeuge über die Schweiz aufgehoben. An der gleichen Sitzung hat er beschlossen, die schon bisher begrenzte Einsicht in Akten über die Beziehungen der Schweiz zum Apartheid-Regime in Südafrika ganz zu stoppen. Damit wertet er den Schutz der Täter höher als die Interessen der Opfer an Wiedergutmachung. Mit seinem Irak-Entscheid gewichtet der Bundesrat nicht nur die Geschäftsinteressen einiger Firmen höher als alles andere. Er verletzt die Landesinteressen und untergräbt seine Legitimation, international als Anwalt des Völkerrechts - insbesondere des humanitären Völkerrechts - aufzutreten. Wir fordern deshalb, dass er auf seinen Entscheid vom letzten Mittwoch zurück kommt und das Waffenausfuhr- und Überflugverbot wieder in Kraft setzt. Allerdings waren wir schon bisher mit dem sogenannten "differenzierten Kontrollregime" bei der Kriegsmaterialausfuhr nicht einverstanden. Auch dieses stellt wirtschaftliche Interessen über die humanitären Anliegen, die Menschenrechte und die Friedenspolitik. Nötig ist ein striktes Verbot der Kriegsmaterialausfuhr an die kriegführenden Länder.

Als Voraussetzung dazu fordern wir seit Jahren die Konversion von Rüstungsbetrieben, ihre Umstellung auf zivile Produktion. Dies gilt insbesondere für den privatisierten ehemaligen Rüstungsbetrieb der Eidgenossenschaft, die Ruag. Ihre Politik des Zukaufs von Rüstungsaktivitäten von anderen Firmen steht im Gegensatz zu einer Friedenspolitik der Schweiz, wie die heutige Lage drastisch zeigt.

Das ist nicht die einzige Forderung an den Bundesrat und die Bundespolitik Asylsuchende aus Irak, auch solche deren Gesuche abgelehnt worden sind, sollen vorläufig in der Schweiz aufgenommen werden. Irak hat mit Zehntausenden von internen Flüchtlingen, zerstörten Infrastrukturen - insbesondere Wasserversorgung - und dem Aufbau einer funktionierenden Ordnung mehr als genug Probleme zu lösen, so dass sich die Schweiz nicht auf dessen Kosten zu "entlasten" versuchen soll.

Zudem sollen Kriegsdienstverweigerung und Desertion endlich als Gründe für die Anerkennung als Flüchtling ins Asylrecht aufgenommen werden. Die anstehende Asylgesetzrevision bietet die Möglichkeit dazu.

Bundespräsident Couchepin soll seine Einladung an US-Präsident Bush für den 1. Juni widerrufen. Das haben letzte Woche dreissig Organisationen in einem offenen Brief gefordert. Die Kriegführung der USA und ihrer Koalition haben drastisch die Schwäche des in der UNO-Charta verankerten Systems der kollektiven Sicherheit aufgezeigt. Für uns ist dies kein Grund, dieses Prinzip aufzugeben. Im Gegenteil, die kollektive Sicherheit ist so zu stärken, dass solche Alleingänge nicht mehr möglich sind. Die Schweiz als nicht paktgebundenes Land ist speziell legitimiert, sich dafür im Rahmen der UNO-Reform einzusetzen. Wir fordern den Bundesrat deshalb auf, eine Initiative für den Aufbau einer Ländergruppe für die Verstärkung der kollektiven Sicherheit zu unternehmen.

Der massive Raub von unersetzlichen Kulturgütern aus irakischen Museen belegt die Notwendigkeit von internationalen Massnahmen und gesetzlichen Regelungen gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern. Wir fordern die Eidgenössischen Räte deshalb auf, das Kulturgütertransfergesetz nicht in der vom Nationalrat abgeschwächten Version, sondern zumindest gemäss der bundesrätlichen Vorlage zu verabschieden und die UNESCO-Konvention gegen illegalen Kulturgüterhandel von 1970 zu ratifizieren. Zudem soll auch die Unidroit-Konvention von 1995 über geraubte Kulturgüter umgehend ratifiziert werden.


Ruedi Tobler ist Präsident des Schweizerischen Friedensrates

E-Mail:   info@friedensrat.ch
Internet: http://www.friedensrat.ch
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