Netzwerk Friedenskooperative



Antikriegs-
tag 2002


vom:
05.09.2002

Antikriegstag 2002:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zur Verleihung des Aachener Friedenspreises 2002 am 3. September 2002

Die Waffen nieder - eine friedliche Welt ist möglich!

Bernhard Nolz

Preisträger zu sein und eine Rede als Friedenspreisträger zu halten, daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Es ist ein Glücksfall, dass ich die Preisträgerschaft schon einmal üben konnte. Dazu verhalf mir Anne Solbach-Freise. Sie ist die Stifterin des Preises für Zivilcourage, der mir am 22. Juni dieses Jahres in Bodenwerder verliehen wurde.

Hier nun werde ich für die Friedensarbeit geehrt, die in all den Jahren immer wieder ein hohes Maß an Zivilcourage erforderte. Über den Friedenspreis bin ich sehr glücklich, und ich habe das Empfinden, dass die Ehrung gleichermaßen meinem Lebens- und Arbeitspartner Wolfgang Popp, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Siegener Zentrums für Friedenskultur sowie den "Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden" gilt.

Wir alle arbeiten an der Verwirklichung einer Vision vom Frieden. Unsere Bildungsangebote richten sich an Kinder, Jugendliche und junge Leute, beinhalten Generationen übergreifende Projekte und enthalten spezielle Angebote für Senioren.

Wir bieten den Menschen Workshops und Zukunftswerkstätten an, in denen sie ihre soziale Kompetenz erweitern und Kreativität im Denken und Handeln entwickeln können. Individuelle Lernerfolge schaffen beglückende Erfahrungen. Zu einem erfolgreichen Bildungserlebnis werden sie in der Gemeinschaft mit anderen. Dann nämlich wird Verantwortung erkennbar, für sich und für andere.

In krisenhaften Zeiten - und Krieg ist die größte Krise überhaupt - ist bürgerliche Mitverantwortung nicht mehr gefragt. Die Devise heißt Gehorsam, der "uneingeschränkte Solidarität" genannt wird. Abweichungen werden als fremd und feindlich gedeutet. Fremde werden zum Sicherheitsrisiko erklärt.

Es waren die Terroranschläge vom 11. September, die diese friedlosen Zustände verursacht haben. Terror ist Wahnsinn und macht wahnsinnig. Unschuldige werden seine Opfer.

Auch Krieg ist Terror. Wer ihn führt, sieht nur Feinde, nach außen und nach innen.

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Antikriegs-
tag 2002
Pazifisten und Pädagogen sind Feinde des Krieges, ohne ein Feindbild zu haben. Beruf und Berufung ist für sie die Liebe zum Menschen.

Der Krieger kennt keine Menschlichkeit und hat keine Freunde. Er hat höchstens Verbündete, mit denen er das Geschäft des Krieges betreibt und seine egoistischen Interessen durchsetzt.

"Besinnen Sie sich auf Ihren Idealismus." Mit diesen Worten meines Psychotherapeuten konnte ich die zermürbenden Abwehrkämpfe nach meiner Rede hinter mir lassen. Mein Idealismus aber war ein Pflegefall geworden. Mit ihm lagen Optimismus und Humor danieder.

Mobbing kränkt die Seele. Die Destruktivität der Konfliktaustragung macht Mobbing-Opfer hilflos und sprachlos. So ist es den Lehrerinnen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt ergangen, die wegen ihrer anti-amerikanischen Äußerungen diszipliniert wurden, und so erging es mir.

Die Vermeidung von Gewalt ist vorrangiges Ziel jeglicher Friedensarbeit.

Im Zentrum für Friedenskultur haben wir ein neues Projekt eingerichtet. Wir nennen es Zivilcourage-Forum. Es ist ein Forum für Informationen zu alltäglicher verdeckter oder offener Gewalt, ein Forum für die Beratung in Situationen von Gewaltbedrohung und Mobbing, ein Forum für Trainings zur Aneignung von Zivilcourage und eine Dokumentationsstelle für die, die Zivilcourage bewiesen haben.

Das Zivilcourage-Forum will denjenigen Hilfen anbieten, die in der Gefahr stehen, unter dem Druck von Gewalt selbst zu Gegengewalt zu greifen. Es will Wege der Aufklärung und der friedlichen Beilegung von Konflikten eröffnen. Es will Mut zur Zivilcourage machen.

Zivilcourage ist gefordert, um Gewalt-Erscheinungen im öffentlichen Alltag, in Schule und Elternhaus wie auf der Straße selbstbewusst entgegen zu treten. Dazu braucht es nicht nur subjektiven Mut, sondern ebenso die kühle Einschätzung der jeweils konkreten Gewalt-Situation und das Abwägen, welches Risiko man eingehen will, wo man unter Umständen Unterstützung durch andere finden und diese zum Handeln animieren kann.

Immer ist das Erkennen und Ansprechen der Mobbing-Situation der erste Ansatz zur Entwicklung von Zivilcourage. Das Gespräch kann oft eher intimen Charakter haben, indem sich der Gemobbte an eine Vertrauensperson wendet und mit ihr mögliche Vorgehensweisen abwägt.

Eine solche Vorgehensweise hilft dem Betroffenen, Selbstbewusstsein und Selbststärke aufzubauen und sich nicht in Selbstmitleid oder Selbstbezichtigungen zurück zu ziehen.

Die Entwicklung von Zivilcourage erscheint auch erforderlich gegenüber der Erfindung einer "Ich-AG" durch die Hartz-Kommission. Mit der "Ich-AG" wird der Vereinzelung des Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt Vorschub geleistet, soziale Risiken bleiben ungesichert. Gegen eine solche Perversion setzen wir die Überzeugung, dass Kreativität und Aktivität von Arbeitslosen dann am besten gedeihen können, wenn sie von den destruktiven Marktmechanismen entkoppelt werden.

Eine moderne Genossenschaftsidee könnte der Gegenentwurf zu den negativen Erscheinungsformen und Zumutungen der Globalisierung sein.

Während die Hartz-Kommission die Gruppe der Ich-AG-Gründer/innen schutzlos in die Freiheit des Marktes entlassen möchte, werden vornehmlich junge Arbeitslose dem staatlichen Zwang zur Mobilität unterworfen.

Programme zum Abbau von Arbeitslosigkeit, die ohne Investitionen in die sozialen und kulturellen Lebenszusammenhänge der Menschen auskommen wollen, halten wir für unzureichend und unsozial.

Die jungen Menschen, die wir kennen, organisieren ihren Lebensalltag äußerst kreativ. Den Verlockungen einer kriminellen Karriere können sie zumeist widerstehen. Familiäre und andere Subsysteme können eine Zeit lang Übergangssituationen oder Arbeitslosigkeit auffangen bzw. überbrücken. Freundeskreise und punktuell erneuerbare Freundschaften bieten brüchige Solidaritäten, die als solche wahr genommen und geschätzt werden.

Wenn junge Leute eine Arbeitsstelle gefunden haben, wissen sie es zu schätzen, wenn von dort Stabilisierungshilfen gegeben werden. Immer mehr Unternehmer erkennen, dass es auch im Eigeninteresse des Betriebes ist, auf die jungen Mitarbeiter flexibel und mit Empathie einzugehen.

Empathie ist eine Friedenskompetenz, die im Zivilcourage-Forum erworben werden kann.

Die Fähigkeit zur Gewaltfreiheit, die Aneignung von Friedenskompetenzen und die Befähigung zur Partizipation sind die Grundprinzipien des Zivilcourage-Forums.

Wer sich daran macht, braucht Idealismus.

Ein Idealist ist einer, der - so der Duden - "selbstlos, dabei aber auch die Wirklichkeit etwas außer acht lassend, nach der Verwirklichung bestimmter Ideale strebt".

Die Jugendlichen, das zeigt die 14. Shell-Jugendstudie, bevorzugen eine pragmatischere Lebensgestaltung. "Der Einsatz für gesellschaftliche Angelegenheiten und für andere Menschen gehört zu ihrem Lebensstil ganz selbstverständlich dazu. Es dominieren dabei die jugendbezogenen Angelegenheiten, d.h. der Einsatz für die Interessen sowie für die sinnvolle Freizeitgestaltung. ... Jugendliche kümmern sich in ihrer Freizeit jedoch auch um ältere Menschen, ... setzen sich für Umwelt- und Tierschutz ein ... und für ein besseres Zusammenleben mit Ausländern."

Wenn die Jugendlichen so sind - die Erfahrungen unserer friedenspädagogischen Praxis bestätigen das - dann besteht immer noch die Hoffnung, dass im 21. Jahrhundert erreicht wird, dass der Krieg als Mittel der Politik endgültig der Vergangenheit angehört.

Auf dem Weg dorthin lade ich Sie zum Europäischen Kongress für Friedenskultur nach Hamburg ein. Er findet im Juni/Juli 2003 statt und wird veranstaltet von den "Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden" und der "International Association Educators for Peace".

Besser als mit dem Kongress Motto kann man eine Dankrede für die Verleihung eines Friedenspreises nicht beschließen:

Die Waffen nieder - eine friedliche Welt ist möglich!



E-Mail:   info@zfk-siegen.de
Internet: http://www.zfk-siegen.de
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