Uran-
munition
etc


vom:
Januar 2001


update:
Januar 2001


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Uranmunition und andere Verstöße

 Pressestimmen

Pressestimmen 9.-14. Januar 2001

diverse Zeitungen

09.01.

junge Welt: "Uran-Munition keine Gefahr für die Bundesregierung?"

SZ "Vor der Sitzung des Nato-Rates zum so genannten Balkan-Syndrom"

Focus-online, "Uran-Munition in Deutschland?"

11.01.

FR, "Der "Golf-Cocktail" wird weiter gemischt"

Reuters, UNO-Umweltamt: Alle Einsatzorte von Uran-Munition untersuchen

Amberger Zeitung, "Öffentlichkeit seit Jahren belogen"

ND: Uran-Munition, Ungefährlich wie Wasser aus Bad Gastein

12.01.

Freitag, Sture Verlogenheit

FR, London lag seit 1997 Bericht über Gefahr durch Uran-Geschosse vor Internes Papier listet auch Krebs als mögliche Folge auf

13.01.

Die Presse (Wien), Jugoslawien klagt über radioaktive Verseuchung durch Uran-Geschosse

taz, 11"Keine Grundlage für eine Aussage"




Quelle: junge Welt, 09.01.2001 - Interview -

Uran-Munition keine Gefahr für die Bundesregierung?

jW fragte Heidi Lippmann, friedens- und abrüstungspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion im Bundestag

Thomas Klein: Nach Bekanntwerden der Leukämie-Fälle italienischer Balkan-Soldaten: Sind Ihrer Meinung nach weitere Opfer zu befürchten?

Heidi Lippmann: Ich bin mir sicher, daß es sowohl bei den in Bosnien- Herzegowina als auch im Kosovo eingesetzten Soldaten zu weiteren Opfern kommen wird. Ebenso wie bei der Zivilbevölkerung. Ob die Streitkräfte allerdings so weit gehen werden, zuzugeben, daß Erkrankungen und Todesopfer auf eine Kontamination mit abgereicherten Uran-Geschossen, verseuchten Böden oder zerstörten Panzerfahrzeugen zurückzuführen ist, bezweifle ich sehr.

Thomas Klein: Sie haben zur von der US-Armee im NATO-Krieg gegen Jugoslawien eingesetzten Uran-Munition mehrere Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Welche Antworten erhielten Sie?

Heidi Lippmann: Die Grundaussagen lauteten: Die Bundeswehr verwendet kein abgereichertes Uran, eigene Studien wurden nicht durchgeführt, eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht bekannt, die ausgehende Strahlung ist gering. Im Großen und Ganzen scheint das Verteidigungsministerium kein Interesse an einer Klärung zu haben.

Thomas Klein: Es leugnet sogar, daß es aus medizinischer Sicht Hinweise auf die Gefährdung durch Reste der Uran-Munition gebe.

Heidi Lippmann: Das ist natürlich vollkommener Quatsch. Es gibt verschiedene Einzeluntersuchungen, z. B. aus Kanada, den USA und Großbritannien, die an Golfkriegsveteranen durchgeführt wurden und in denen eindeutig gesagt wird, daß die durch das Einatmen eines Partikels von fünf Mikrometern Durchmesser im Lungensystem freigesetzte Strahlendosis pro Jahr um ein 272faches höher ist als nach US-Gesetzgebung an Arbeitsplätzen mit radioaktivem Material erlaubt. Da damals aber auch andere chemische und biologische Kampfstoffe im Einsatz waren, weigern sich die Regierungen diese Untersuchungen anzuerkennen.

Thomas Klein: Selbst nach Ansicht von US-Experten waren die Folgen der strahlenden Munition verheerend. Auch die Bevölkerung der vor allem in der Gegend um die irakische Stadt Basra verwendeten Uran-Granaten weist eine um ein vielfaches erhöhte Krebsrate auf. Hat sich die Bundesregierung niemals zu diesen Fällen geäußert?

Heidi Lippmann: Ich gehe schon davon aus, daß ihr die Fälle bekannt sind, aber man zieht sich eben lieber auf das »unerklärbare Golfkriegssyndrom« zurück und unterstellt Saddam Hussein den Einsatz chemischer und biologischer Waffen, als daß man an einer Aufklärung über die Folgen von Munition aus abgereichertem Uran interessiert ist. Schon während der Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien hatte ich angefragt, ob über die Munitionsarten und eingesetzten Waffensysteme im NATO-Rat beraten wurde und welche Position die Bundesregierung hierbei eingenommen hätte. Die Antwort lautete: »Die Bundesregierung war nicht an Gesprächen über den Einsatz von Munition beteiligt, da solche Gespräche nicht stattgefunden haben. Beschaffung, Auswahl und Einsatz von Munition ist Angelegenheit eines jeden einzelnen NATO-Mitgliedsstaates.« Die Frage, ob es Versuche von deutscher Seite gab, Einfluß auf einzelne NATO-Partner zu nehmen, den Einsatz bestimmter Munition, wie z. B. von Uran-Geschossen und Splitterbomben zu verhindern, wurde schlichtweg mit »Nein« beantwortet.

Thomas Klein: In der UNO wurde der Einsatz von Uran-Munition 1996 als »menschenverachtend« bezeichnet. Gibt es keine Möglichkeiten, gegen dieses Vorgehen zu klagen oder die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?

Heidi Lippmann: Da der gesamte Einsatz völkerrechtswidrig war, könnte man zynischerweise behaupteten, daß es auf solche »Kleinigkeiten« wie einen Verstoß gegen die Zusatzprotokolle zum Rot-Kreuz-Abkommen, worum es sich meiner Meinung nach eindeutig handelt, ja kaum noch ankommt. Klagen kann nur eine betroffene Zivilperson oder ein Soldat, der nachweislich durch den Kontakt mit DU-Munition oder kontaminierten Gegenständen oder Böden erkrankt ist, oder im Todesfall seine Angehörigen. Soweit mir bekannt ist, sind entsprechende Klagen in den USA alle erfolglos gewesen.

Meine von dem ehemaligen US-Gereral und heutigen Friedensaktivisten Ramsey Clark übernommene These, die von vielen namhaften Persönlichkeiten und Initiativen weltweit unterstützt wird, lautet: Waffen aus abgereichertem Uran stellen eine unerträgliche Bedrohung des Lebens dar, verletzen die Menschenrechte und die Würde des Menschen. Wir fordern ein bedingungsloses Verbot von Forschung, Herstellung, Tests, Transport, Besitz und Einsatz von abgereichertem Uran für militärische Zwecke. Darüber hinaus fordern wir die sofortige Isolierung und Lagerung aller Uran- Waffen und radioaktiver Abfälle sowie die Einstufung des abgereicherten Urans als »gefährliche radioaktive Substanz«. Die verseuchten Gebiete sind zu entsorgen. Allen Betroffenen muß medizinische Hilfe zuteil werden.

Interview: Thomas Klein



Quelle: Süddeutsche Zeitung, 9.1.

Vor der Sitzung des Nato-Rates zum so genannten Balkan-Syndrom

Schröder fordert Verbot von Uran-Munition

Kanzler drängt Militärbündnis zu "rückhaltloser Aufklärung" / Opposition und Grüne werfen Scharping Verschleierung vor / Von Markus Feldenkirchen

Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) setzt sich für ein Verbot von uranhaltiger Munition innerhalb der Nato ein. Einen Tag vor der Sitzung des Nato-Rates zum so genannten Balkan-Syndrom forderte Schröder eine "rückhaltlose Aufklärung" und erhöhte damit den Druck auf das Militärbündnis. Zugleich nahm er Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vor Anschuldigungen der Opposition und der Grünen in Schutz, dieser habe eine Politik der Verschleierung betrieben. Scharping hält eine Untersuchung aller 50.000 auf dem Balkan eingesetzten Bundeswehrsoldaten weiter für unnötig.

Schröder sagte, die "rückhaltlose Aufklärung" solle genaue Kenntnis darüber bringen, wo die Munition verwendet wurde und mit welchen Folgen. "Wir wollen wissen, ob es Zusammenhänge zwischen diesen Krankheitsfällen und der Verwendung dieser Munition gab", sagte Schröder. Der Kanzler wies darauf hin, dass weder die Bundeswehr noch die Nato insgesamt die umstrittene Munition einsetze, sondern allein die Amerikaner. "Ich halte es nicht für richtig, uranhaltige Munition zu verwenden", sagte Schröder am Montag in Hannover. Er habe "eine gesunde Skepsis gegenüber dieser Munition". Gleichzeitig nahm der Kanzler Verteidigungsminister Scharping vor allen Vorwürfen in Schutz. Scharping habe bereits im vergangenen Jahr rechtzeitig gehandelt. Auch Scharping ließ erkennen, dass Deutschland innerhalb der Nato auf ein Verbot drängt. "Wir vertreten unseren Standpunkt auch innerhalb der Nato. Es wäre besser, kein Staat würde diese Munition einsetzen.

Kostenlose Untersuchungen

Politiker von Union, FDP, PDS und den Grünen warfen Scharping dagegen Verschleierung und Verschleppung beim Umgang mit der möglichen radioaktiven Verseuchung von Soldaten und der Bevölkerung durch Uran-Munition vor. Der Grünen-Wehrexperte Winfried Nachtwei sagte, Scharping habe eine grundsätzliche Abneigung, sich mit den Kriegsfolgen zu beschäftigen. Der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin hielt Scharping "Beschwichtigungs- und Verschleierungspolitik" vor. CDU-Chefin Angela Merkel kritisierte das Verhalten Scharpings in den vergangenen Tagen mit den Worten: "Er hat ein bisschen schleppend argumentiert".

Die Grünen forderten Scharping auf, sich bei der Sitzung des Nato-Rates am heutigen Dienstag für ein Verbot uranhaltiger Munition einzusetzen. Zudem müssten alle Soldaten der Bundeswehr die Möglichkeit haben, sich untersuchen zu lassen, sagte Grünen-Chefin Renate Künast vor der Klausurtagung ihrer Partei in Berlin. Scharping verwies darauf, dass jeder auf dem Balkan eingesetzte deutsche Soldat sich kostenlos auf Belastungen durch die radioaktive Munition untersuchen lassen könne. Eine Anordnung zur medizinischen Untersuchung aller 50 000 Soldaten sei jedoch nicht nötig, sagte Scharping im Deutschlandfunk und wies damit entsprechende Forderungen der Opposition zurück. Scharping betonte, es gebe keine abweichende Auffälligkeit zwischen der Zahl der Leukämiefälle in der Bundeswehr und in der Bevölkerung.

Neben den Grünen sprach sich auch der Bundeswehrverband für ein Verbot von Uran-Munition aus. Dessen Vorsitzender, Bernhard Gertz, sagte, es gebe alternative Munition ohne Strahlung, die als panzerbrechende Geschosse eingesetzt werden könnten. Nach seiner Einschätzung müsse es der Bundesregierung möglich sein, gemeinsam mit den Nato-Partnerstaaten so viel Druck auf die USA auszuüben, dass sie die Munition nicht mehr verwendeten. Ein Restrisiko für Soldaten und die Zivilbevölkerung nach dem Einsatz von Uran-Munition wollte Gertz entgegen früheren Stellungnahmen nicht mehr ausschließen.

CDU-Chefin Merkel verlangte ein einheitliches Vorgehen der Nato-Mitgliedstaaten bei der Aufklärung der bekannt gewordenen Krebsfälle. Wie Scharping befürwortete sie einen freiwilligen Gesundheits-Check für alle Soldaten, die auf dem Balkan eingesetzt wurden. So könne den Soldaten die psychische Belastung genommen werden, möglicherweise mit uranhaltiger Munition in Kontakt gekommen zu sein, sagte Merkel.

Die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer kritisierte, Scharpings Verhalten erinnere an dessen Informationspolitik während des Kosovo-Krieges. Auch damals habe er bewusst die Unwahrheit gesagt und versucht, die Probleme zu vertuschen.



Quelle: FOCUS Online, 09.01.01, 13:30 Uhr

Uran-Munition in Deutschland?

Uranhaltige Geschosse sind offenbar auch auf deutschen Truppen- übungsplätzen getestet worden. Die "Leipziger Volkszeitung" zitierte am Dienstag den Chef des Wehrbereiches VII, Generalmajor Werner Widder, mit den Worten, die Bundeswehr habe bereits vor 15 Jahren die Risiken der Anwendungen der Munition auf Schießplätzen geprüft. Da die Strahlung derartiger Munition "nahezu vernachlässigbar" sei, "lautete die Antwort: Fehlanzeige".

Der Strahlenexperte und Arzt Siegwart Günther, der lange im Irak die Auswirkungen von Uran-Munition auf die Zivilbevölkerung untersuchte, ist sich nach Darstellung des Blattes sicher, dass panzerbrechende Uran-Geschosse in Deutschland von der US-Armee getestet worden sind. Das Bundesverteidigungsministerium prüft derzeit noch diese Angaben.

Der General wie der Mediziner sind für ein Verbot dieser Waffen. "Diese Munition ist hochtoxisch und kann das genetische System des Menschen auf Dauer angreifen", warnte Günther.

Die US-Armee erklärte zwar, sie habe auf deutschen Übungsplätzen niemals Uran-Munition verschossen. Eine Sprecherin gestand jedoch ein, dass die amerikanischen Streitkräfte Uran-Munition in Deutschland lagern. Diese Munition werde aber "nur bei bewaffneten Konflikten benutzt".

Demgegenüber hatte die Tageszeitung "Die Welt" am Dienstag unter Berufung auf Bundeswehrkreise berichtet, dass es auch in Deutschland Risiken durch den Einsatz abgereicherter Uran-Munition gebe. Die USA setzten danach diesen Munitionstyp nicht nur bei ihren Flugzeugen A-10 im Kosovo ein. Auch die Munition der in Deutschland stationierten Abrams-Kampfpanzer sei uranabgereichert, hieß es.

Bundeswehroffiziere wollten in der Zeitung nicht ausschließen, dass diese Munition auch auf Übungsplätzen in Deutschland verschossen werde. Die im Kosovo eingesetzten A-10-Flugzeuge schössen mit scharfer

Munition auf deutschen Übungsplätzen.

In Deutschland ist derzeit noch eine US-Panzerdivision stationiert. Die Panzer üben im rheinland-pfälzischen Baumholder sowie im bayerischen Grafenwöhr.

Leukämie-Fälle unter der Lupe

Am Montag hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, die Bundeswehr wolle wegen des Balkan-Syndroms sämtliche Leukämie-Fälle überprüfen. "Wir werden die Einsatzunterlagen dieser Soldaten sichten und prüfen, ob und wo sie im Rahmen der internationalen Missionen auf dem Balkan im Einsatz waren."

"Wir haben im Interesse unserer Soldaten und deren Angehörigen nicht vor, irgendetwas zu vertuschen", hieß es weiter aus dem Ministerium.

Eventuell betroffener Deutscher

Vor einigen Tagen war auch in Deutschland eine Leukämie-Erkrankung von einem Soldaten, der auf dem Balkan im Einsatz war, bekannt geworden.

Bei dem Betroffenen handelt es sich um einen 25-Jährigen aus Uelzen, wie die "Bild"-Zeitung berichtete. Er sei zwischen August und November 1997 in Mostar im Einsatz gewesen. Im Januar 1998 sei er an Blutkrebs erkrankt. Der junge Mann wurde ein halbes Jahr in Oldenburg behandelt und gilt heute als geheilt.



Quelle: Frankfurter Rundschau, 11.01. (
http://www.fr-online.de)

Der "Golf-Cocktail" wird weiter gemischt

Mysteriöse Soldaten-Erkrankungen sind den USA vertraut, ohne dass das Folgen hätte

Von Dietmar Ostermann (Washington)

Während die Debatte über "Kriegssyndrome" und ihre Ursachen für viele Europäer neu ist, wird sie in den USA bereits seit zehn Jahren geführt. Noch immer gibt es jedoch mehr Fragen als Antworten - und keine Konsequenzen.

"Es tut mir leid für eure Jungs", sagt Tod Insign, Chef der Pentagon-kritischen Organisation Citizen Soldier in New York, "aber vielleicht bewegt sich jetzt etwas." In den 90er Jahren hat er sich intensiv mit dem so genannten Golfkriegs-Syndrom befasst - und den Glauben daran verloren, dass das US-Verteidigungsministerium die Ursachen für die mysteriösen Krankheitsbilder ehemaliger Soldaten nach dem Krieg gegen Irak aufklärt. Nun, hofft er, könnten die nach Leukämie-Fällen unter ihren Balkan-Soldaten beunruhigten Europäer Druck machen.

Seit dem Feldzug gegen Saddam Hussein 1991 haben am Golf eingesetzte US-Soldaten in einer Häufigkeit über verschiedenartige Gesundheitsprobleme geklagt, die sich nicht erklären lässt. Die Beschwerden reichen von Schlafstörungen und Atemschwierigkeiten bis zu tödlichen Krebserkrankungen. Rund 120 000 der knapp 700 000 eingesetzten Soldaten haben sich untersuchen lassen, zuverlässige Statistiken über Krankheitsfälle gibt es nicht.

Anders als beim so genannten Balkan-Syndrom aber ist die Existenz eines Golfkriegs-Syndroms weitgehend unumstritten und offiziell anerkannt. Rund 3000 Golf-Veteranen erhalten derzeit auf Grund einer "nicht diagnostizierten Krankheit" Entschädigung. Unklar sind die Ursachen: Von brennenden Ölquellen über Impfungen, die Verabreichung des in den USA bis heute nicht zugelassenen Medikaments Pyridostigmine Bromide (PB) gegen mögliche Chemiewaffen-Angriffe, den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran (DU) bis hin zu schlecht ventilierten Zeltheizungen reichen die Theorien. Die US-Regierung ordnete schon Anfang der 90er Jahre Untersuchungen an. Mehr als 100 Millionen Dollar wurden seither zur Erforschung der Erkrankungen ausgegeben. Weder ein 1996 vorgelegter Bericht, noch spätere Studien aber konnten eindeutig Ursachen benennen.

Zu möglichen Schädigungen durch DU-Munition heißt es etwa in dem im Dezember vorgelegten jüngsten Papier des Pentagon: "Basierend auf den bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt der Bericht zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Aussetzung mit abgereichertem Uran die Ursache für die nicht diagnostizierten Krankheiten einiger Golfkriegs-Veteranen ist." Demgegenüber hatte die US-amerikanische Defence Nuclear Agency laut einem Bericht des kanadischen Fernsehsenders CBC schon 1991 in einem internen Memorandum geurteilt, Explosionsstaub von DU-Munition stelle eine Gesundheitsbedrohung und Geschossfragmente stellten "eine ernste Gesundheitsgefahr" dar.

Während Ärzte und Wissenschaftler seit zehn Jahren streiten und zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen, hätte das Pentagon nach Ansicht von Tod Insign längst handeln müssen. Denn egal welche - eine oder mehrere Komponenten aus dem "toxischen Cocktail", dem die Soldaten am Golf ausgesetzt waren, müssten letztlich für die Erkrankungen verantwortlich sein, glaubt Insign. Weil aber eine genaue Zuordnung von Ursache und Wirkung schwierig sei, habe das Verteidigungsministerium praktisch keine Konsequenzen gezogen: Mit Ausnahme der derzeit nicht mehr eingesetzten PB-Pillen würden sämtliche unter Verdacht stehenden "Zutaten" des verhängnisvollen Golf-Cocktails noch immer verwendet.



Quelle: Nachrichtenagentur Reuters 11.01., 16.09 Uhr, (
http://www.reuters.com)

UNO-Umweltamt: Alle Einsatzorte von Uran-Munition untersuchen

Genf (Reuters) - Angesichts wachsender Sorge über die Strahlungsrisiken nach dem Einsatz von Uran-Munition fordert das Umweltamt der Vereinten Nationen (UNEP), die Untersuchung der Kriegsschauplätze auf dem Balkan auszuweiten. In Genf sagten UNEP-Chef Klaus Töpfer und sein Balkan-Beauftragter Pekka Haavisto am Donnerstag, Bosnien-Herzegowina müsse einbezogen werden. Im Kosovo, wo an elf Orten Proben entnommen wurden, müsse die Untersuchung auf alle 112 Stellen ausgedehnt werden, wo Uran-Munition einschlug. An acht Orten sei Beta- Strahlung gemessen worden. Die Ergebnisse der Analyse der Boden-, Wasser- und Pflanzenproben sollen Anfang März vorliegen.

Töpfer sagte vor der Presse, alle Stellen, wo Uran-Munition eingeschlagen sei, müssten erst markiert und gesperrt, dann untersucht und gesäubert werden. Die im März erwarteten Erkenntnisse aus dem Kosovo könnten bei Entscheidungen helfen, was im Irak zu tun sei, wo der Westen 1991 ebenfalls panzerbrechende Uran-Munition einsetzte, sagte der frühere deutsche Umweltminister auf entsprechende Fragen. Die Regierung in Bagdad wirft der Allianz unter Führung der USA vor, für tausende von Krebstoten und Missgeburten verantwortlich zu sein. Tote durch Uran-Verstrahlung und -Vergiftung beklagen auch amerikanische und britische Veteranen-Verbände.

Die jetzige Debatte wurde durch den Leukämietod von sechs italienischen Balkan-Soldaten und weiterer mutmaßlicher Uran-Opfer in Spanien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien ausgelöst. Diese Länder sind an den Friedenstruppen beteiligt, die nach den Kriegen in Bosnien und dem Kosovo stationiert wurden. Die NATO und die NATO-Staaten sagen, ein Zusammenhang der Todesfälle mit der Uran-Munition sei bei den ärztlichen Untersuchungen nicht nachgewiesen worden.

Haavisto sagte, bei der Begehung der elf Einsatzorte seien intakte Geschosse gefunden worden, offenbar Querschläger. Sie hätten in der Nähe oder mitten in Ortschaften gelegen. Insgesamt habe sein Team 340 Proben mitgenommen und die Stellen dann von Munition und Munitionsresten gesäubert. Die Proben würden nun in fünf Laboren in Europa untersucht. Wissenschaftlich verlässliche Daten lägen im Interesse der NATO, aber auch der Bevölkerungen der Staaten, wo solche Munition verwendet worden sei, sagte Töpfer.

Die USA hatten im vergangenen Jahr mitgeteilt, im Kosovo hätten ihre Flugzeuge 1999 31.000 Geschosse mit Urankern auf jugoslawische Panzerfahrzeuge abgefeuert. Die NATO gab erst im vergangenen Monat bekannt, dass in Bosnien 1994/95 etwa 10.000 Geschosse verwendet wurden. Haavisto sagte, für den Kosovo lägen 112 Ortsangaben der NATO vor. Da die Stellen aber nicht markiert seien, wisse die Bevölkerung häufig nicht, dass dort Uran-Munition eingeschlagen sei. Zudem handele es sich zumeist um verminte Gebiete oder Stellen, wo noch Blindgänger der Angriffe mit Bündelbomben lägen.



Quelle: "Der neue Tag / Amberger Zeitung" (
http://www.oberpfalznet.de)

"Öffentlichkeit seit Jahren belogen"

"Zusammenschluß umweltbewußter Bürger" erhebt schwere Vorwürfe gegen die US-Armee

Grafenwöhr. Radioaktive Munition auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Jetzt fährt der Zusammenschluß umweltbewußter Bürger" (ZuB) schwere Geschütze auf. Die Umweltschützer sind überzeugt: Die US-Armee hat offensichtlich sowohl deutsche Behörden als auch die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren belogen."

In einer Preseerklärung vom Mittwoch greifdt die Organisation auchbdie Bundeswehr an. Sie scheine es ebenfalls "mit der Wahrheit nicht so genau genommen zu haben." Ein neuer Zeuge berichte, dass ein hoher Offizier bereits 1987 das Verschiessen radioaktiver Munition in Grafenwöhr zugegeben habe.

Heftige Dementis habe im April 1999 eine Pressemitteilung verursacht, in der der ZuB von jahrelangen Recherchen über nicht verstummen wollende Gerüchte berichtete, dass die US-Armee uranhaltige Munition (DU = depleted uranium) auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr verschossen haben soll. Diese Munition wird von allen Waffensystemen verschossen, die überwiegend zur Bekämpfung von Panzern eingesetzt werden, wie zum Beispiel dem Kampfflugzeug A10 ("Warzenschwein"), Panzer "M 1 Abrams" und dem Hubschrauber "Apache".

Ein ehemaliger US-Soldat habe gegenüber dem ZuB bestätigt, er sei dabei gewesen, als aufdem Truppenübungsplatz Grafenwöhr DU-Munition verschossen wurde. Eine sofortige Anfrage bei der Regierung der Oberpfalz über deren Kenntnisstand, nach veranlassten Bodenproben und einer Gesundheitsgefährdung der Zivilbeschäftigten sei damals mit einer lapidaren Wiederholung eines Dementis der US-Armee ebenso abgewiegelt worden , wie eine entsprechende Anfrage der Grünen bei der Bayerischen Staatsregierung.

Noch am Dienstag habe Jeff Settle, Presseoffizier der US-Armee, behauptet, auf deutschen Truppenübungsplätzen seien niemals Uran-Geschosse abgefeuert worden. Immerhin habe er zugeben müssen, dass sie teilweise an Bord von Waffensystemen waren, auch in Grafenwöhr. Stunden später habe eine Pressesprecherin der US-Armee widersprochen. So sei es bereits in den 80er Jahren zu Zwischenfällen gekommen, bei denen radioaktive Geschosse beteiligt waren.

Bundeswehr wusste Bescheid

Beim ZuB meldete sich dazu auch ein Grafenwöhrer Bürger. Er berichtet, dass er 1987 im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmassnahme bei der Stadt Grafenwöhr tätig war. Bei der Teilnahme an einer Besichtigungsfahrt im Truppenübungsplatz habe der damalige Chef des Truppenübungplatzkommandos der Bundeswehr, vor den Teilnehmern die Verwendung von uranhaltiger Munition mit der Bemerkung eingeräumt, dass dies kein Problem darstelle, da die Strahlung sehr gering sei. Ein ehemaliger Stabsunteroffizier der Bundeswehr habe die Verwendung von DU-Munition in Grafenwöhr bereits 1999 bestätigt, wie der ZuB in einer Pressemitteilung im August 1999 auch berichtete.

Die Umweltschützer resümmieren jetzt: "Für den ZuB ist es ein ungeheuerlicher Vorgang, wie heute ein US-Presseoffizier vor laufenden Kameras der deutschen Öffentlichkeit Glauben machen will, die Urangeschosse seien wohl nur in den Panzern spazieren gefahren worden. Wieso war dann eine Panzerkanone mit DU-Munition geladen, als sich ein Schuss löste, wie am Dienstag Elke Herberger, ebenfalls Pressesprecherin der US-Army, kleinlaut einräumen musste?

Für Sprecherratsmitglied Rainer Knoll vom ZuB ist klar, "dass die US-Armee die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren belogen hat." Unklar sei noch die Rolle der deutschen Behörden und der Bundeswehr, "die entweder nichts gewusst haben (wollen) oder schlichtweg auch gelogen haben." Trotz deutlicher Hinweise sei man bislang naiv genug gewesen, immer auf die Aussagen der US-Armee zu vertrauen, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Offensichtlich sei den deutschen Behörden, allen voran der Regierung der Oberpfalz, die Vertretung der Interessen der US-Armee wichtiger gewesen, als die Sorge um gesundheitliche Gefahren für die Munitionsund Schiessbahnarbeiter. Auch die anwohnende Bevölkerung könnte in Mitleidenschaft gezogen worden sein. "Schon seit dem Golfkrieg ist bekannt, dass der gefährliche radioaktive Staub bis zu 50 Kilometer weit getragen werden kann."



Quelle: Neues Deutschland 11.01.

Uran-Munition: Ungefährlich wie Wasser aus Bad Gastein

Von Rene Heilig

Rund ein Dutzend Experten hatte Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) gestern um sich und vor der Presse versammelt, um zu bestätigen, dass DU-Granaten - im Gegensatz zu einigen Oppositionspolitikern und einigen Journalisten - deutschen Soldaten kein Leid antun.

Er habe sich beraten und sagen lassen, dass ein Gramm abgereichertes Uran so strahlend ist wie zehn Liter Badewasser in Bad Gastein. Ergo völlig ungefährlich für deutsche KFOR-Soldaten. Wer gedacht hatte, schon dieser Vergleich sei angesichts der in Kosovo lebenden Menschen Zynismus genug, der staunte, als einer der von Scharping vorgeführten Professoren mitteilte, dass in einem Drittel Tonne normalem Erdreich so viel Uran stecke und dass wir selbstverständlich auch bei allem, was wir verzehren, Uran konsumieren, ohne gleich zu sterben.

Scharping nutzte diese Kompetenz-Vorlagen, um einige Oppositionspolitiker verbal und auch Journalisten konkret zu verteufeln. Sie würden sich keine Gedanken machen, was sie mit ihrer fahrlässigen Berichterstattung anrichten. Wer unberechtigt Ängste weckt, begehe auch Körperverletzung, ließ sich einer von Scharpings Gästen vernehmen. Dabei ist das gegenteil von Angst-Wecken so einfach. Man muss nur Scharpings von Anfang an grundehrliche Informationen zur Kenntnis zu nehmen und an die Leser oder Zuschauer transportieren. Er habe bereits im Mai 1999 dem Verteidigungsausschuss über den US-Einsatz von DU-Munition berichtet. Vorhaltungen, dass zumindest seine Staatssekretärin Brigitte Schulte noch Ende Juni 99 behauptet hat, "der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Munition von Bündnispartnern im Rahmen der NATO-Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien tatsächlich eingesetzt. wurde", zerredete deren Chef. Auch seine großherzige Bemerkung "Ich liebe den irrenden Menschen, das heißt nicht, dass ich den Irrtum liebe", richtete er nicht an Frau Schulte sondern an einige Journalisten.

Deren Irrtum basiere unter anderem darauf, dass sie immer von einer angeblichen Radioaktivität der Uran-Geschosse sprechen. Weil sich damit, so mutmaßte der Minister, mehr Emotionen schüren lassen als mit den toxischen Eigenschaften des Schwermetalls. Doch auch dabei seien die deutschen Soldaten dank Scharpingscher Vorsorge sicher. Nicht so die Wohnbevölkerung, ließ sich der eingeladene Prof. Claus Piekarski von der Uni Köln einmal kurz vernehmen. Doch für eine abschließende Risikobeschreibung sei es allerdings zu früh, meinte der Forscher, und der Minister schob sogleich Dekontaminierungsmaßnahmen zum Schutz der Kosovo-Bevölkerung auf den Tisch der Zivilverwaltung UNMIK.

Scharping versicherte der Presse, er fände es "besser, wenn kein Staat DU-Munition verwendet". Zumindest - so sei er sich mit dem deutschen Kanzler und seinem Außenminister-Kollegen einig - müsse ein NATO-Moratorium her. Schürt er -angesichts der Unbedenklichkeit von Uran-Munition - so nicht selbst Hystenen? Die Frage ließ den politischen Opportunisten hervortreten. Er müsse die öffentliche Debatte in Rechnung stellen.

Die von den Journalisten aufgetanen Konsequenzen ließen ihn dann doch erstaunen. Nachdem seine Experten auf Nachfrage die toxische Wirkung von Uran mit der von Blei verglichen hatten und bestätigten, dass sich die Schäden nur in anderen menschlichen Organen einstellen, wollte man von Scharping wissen, oh er sich bei der NATO nicht auch für ein Moratonum bei Blei-Munition einsetzen wolle?

Nachdem der SPD-Mann seine Fassung wiedergefunden hatte vernahm man den Hinweis: Es ist eine Illusion anzunehmen, Kriege seien ungefährlich...



Quelle: Freitag 12.01.

Sture Verlogenheit

Italien ist schockiert - Was verschwieg die Armee?

Cyrus Salimi-Asl, Rom

Scheinbar einfach war es 1999 für die italienische Regierung, an der Bombardierung Serbiens und des Kosovo teilzunehmen und die eigenen Luftwaffenbasen großzügig dem NATO-Kommando zur Verfügung zu stellen. Rom bewies weltpolitische Reife und empfahl sich als verantwortungsvoller Bündnispartner. Der damalige Premier Massimo D`Alema durfte sich zudem über die Gelegenheit freuen, mit dem Ja zu den Bomben auf Milosevic die eigene kommunistische Vergangenheit entsorgt zu haben. Nun kehrt dieser vermeintlich aseptische Krieg, den die NATO ohne Verluste führen konnte, dahin zurück, woher er gekommen ist - und bringt den Tod.

Italiens Bevölkerung ist alarmiert und erwartet rückhaltlose Aufklärung - allen voran die Familienangehörigen der Soldaten, die im Kosovo oder in Bosnien eingesetzt waren und sind. Der Balkan - nur durch die schmale Wasserscheide der Adria getrennt - gilt faktisch als unmittelbare Nachbarschaft. In den vergangenen Jahren fungierte die Apenninen-Halbinsel immer dann als gigantischer Flugzeugträger, wenn die Luftflotte der NATO tödliche Lasten über Ex-Jugoslawien ausklinken wollte. Transatlantische Bündnispflicht ließ die Regierung in Rom eine logistische Schlüsselrolle einnehmen, die für den Krieg in Bosnien und Serbien unabdingbar war - dieses geostrategische Spiel sollte nicht zuletzt international zu mehr Statur verhelfen. Den Preis für solcherlei Hoffart zahlen nun indirekt jene jungen Italienei; die sich freiwillig für einen Einsatz in Bosnien meldeten und mit Blutkrebs in die Heimat zurückkehrten, mit großer Wahrscheinlichkeit wegen des Kontakts mit abgereichertem Uran - Italien hatte sich eben erstaunlich weit aus dem Fenster gelehnt. Die Bündnisräson verlangte Opfer; dem wollte man sich nicht entziehen.

Die Regierung gerät nun unter schweren Rechtfertigungszwang gegenüber der eigenen Bevölkerung. Stimmt es, wie der Verteidigungsminister sagt, dass auf dem sardischen Truppenübungsplatz bei Capo Teulada, wo der Soldat Giuseppe Pintus erkrankte und schließlich verstarb, nicht mit Uran-Murntion geschossen wird, wie einige Medien vermuten? In Rom ermittelt Militärstaatsanwalt Antonio Intelisano und prüft, ob die zuständigen Offiziere der Missionen in Ex-Jugoslawien ihrer Verantwortung gegenüber den Soldaten wirklich nachgekommen sind. General Andrea Fornasiero (63) - heute Generalstabschef der Luftstreitkräfte - leitete von Juni 1994 bis Oktober 1996 die 5. Taktischen Alliierten Luftstreitkräfte (ATAF) der NATO im norditalienischen Vincenza und zeichnete somit verantwortlich für die Bombenangriffe bei der Operation "Deliberate Force" gegen die bosnischen Serben. Offiziellen NATO-Angaben zufolge sind dabei 10.800 urangehärtete Projektile auf Bosnien niedergegangen. Wusste General Fornasiero nichts von der damals eingesetzten Munition oder tanzte er - einer Marionette gleich - an den langen Fäden der NATO und führte willfährig aus, was in Brüssel entschieden wurde? Fornasiero schweigt bisher.

Die Vorstellung, die Militärs könnten der Politik Informationen bewusst vorenthalten haben, sorgt für mehr als nur Beunruhigung. Am 16. September1999 hatte sich Gianni Rivera - der Staatssekretär im Verteidigungsministerium - klar vor dem Verteidigungsausschuss der Abgeordnetenkammer geäußert. "Keinerlei Bewaffnung und Munition mit abgereichertem Uran sind in Bosnien zum Einsatz gekommen." Knapp ein Jahr später ließ Verteidigungsminister Sergio Mattarella eine ähnliche Aussage - wieder vor der Abgeordnetenkammer - folgen: "In Bosnien sind niemals Waffen mit Uran verwendet worden." Erst kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember; musste er einräumen: Doch, Uran-Munition kam in Bosnien zum Einsatz - "aber Italien wusste von nichts! "



Quelle: Frankfurter Rundschau, 12.1.(
http://www.fr-online.de)

London lag seit 1997 Bericht über Gefahr durch Uran-Geschosse vor Internes Papier listet auch Krebs als mögliche Folge auf

Regierung nennt Dokument "fehlerhaft und ungenau"

Von Peter Nonnenmacher

Die Veröffentlichung eines vier Jahre alten internen Berichts des britischen Verteidigungsministeriums zu den Gefahren von uranhaltigen Geschossen hat die Regierung Blair am Donnerstag erneut in Bedrängnis gebracht. Entgegen den Beteuerungen Londons warnte der Bericht schon im März 1997 vor Gesundheitsgefahren beim Umgang mit den Geschossen.

LONDON, 11. Januar. Der Bericht alarmierte die Regierung mit den Worten, "alle Truppen-Angehörigen" sollten darauf hingewiesen werden, "dass das Einatmen von Uranstaub langfristige Risiken mit sich bringt". Der Staub erhöhe die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von "Lungen-, Lymph- oder Gehirnkrebs". Das Einatmen von unlösbaren Staubteilen führe "zu einer Akkumulation (Anhäufung) in den Lungen, die sich nur sehr langsam abbaut - wenn überhaupt". Obwohl der chemische Giftgehalt gering sei, "können stellenweise Strahlenschäden in der Lunge auftreten, die zu Krebs führen können".

Ein Regierungssprecher erklärte, der Bericht sei unmaßgeblich und "von einem Mitarbeiter in der Ausbildung" verfasst. Er sei "durchaus fehlerhaft und wissenschaftlich ungenau" und habe zu keinem Zeitpunkt offiziellen Charakter gehabt.

In der Tat hält das britische Verteidigungsministerium bis heute daran fest, dass zwischen den Uran-Geschossen, wie sie auf dem Balkan und zuvor am Golf von Nato-Streitkräften verwendet wurden, und Krebs- und sonstigen Erkrankungen kein Zusammenhang bestehe. Noch am Dienstag, als sich London unter europäischem Druck zu "freiwilligen Gesundheitstests" für britische Balkan-Veteranen und zum Sammeln neuer Informationen drängen ließ, hatte Staatssekretär John Spellar erklärt, er sehe "kein echtes Risiko".

Londons Haltung hat im Land zu Protest geführt. Malcolm Hooper, Medizinprofessor der Universität Sunderland, der sich für den Verband der Golfkriegs-Veteranen seit Jahren mit dem Problem befasst, nannte es "skandalös", dass die Regierung im Besitz eines entsprechenden Reports sei und dennoch auf der Unbedenklichkeit bestehe. Auch warnte er vor den "echten Gefahren", denen britische Zivilisten nahe Testgeländen und Waffen-Produktionsstätten ausgesetzt seien.

Einräumen musste das Ministerium, dass bereits frühere, offizielle Mahnungen an die Truppen zum vorsichtigen Umgang mit Uran-Geschossen britische Frontsoldaten im Golf-Krieg 1991 nicht erreicht hatten. Soldaten, die beschossene irakische Panzer untersuchten und zerlegten, arbeiteten offenbar ohne Schutzkleidung. Der Veteranen-Verband warf dem Verteidigungsministerium nun "Irreführung des Parlaments" und der Öffentlichkeit vor. Die Opposition verlangte "klaren Aufschluss" über die Fakten.

Kritik gab es auch an den von der Regierung versprochenen Untersuchungen erkrankter Balkan-Soldaten. Golf-Veteranen beklagten sich darüber, dass sie vom neuen Programm ausgeschlossen seien. Experten bezeichneten es als "unzureichend", dass die Tests freiwillig sind. Beginnen dürften sie erst Ende des Jahres.

Unep-Chef Töpfer rügt Nato

GENF (dpa). Der Chef der UN-Umweltorganisation Unep, Klaus Töpfer, hat kritisiert, dass die Nato seiner Organisation erst nach Monaten und einer Intervention von UN-Generalsekretär Kofi Annan die Einschlagstellen ihrer Uran-Geschosse auf dem Balkan genannt habe. Zudem sei die Zivilbevölkerung nicht gewarnt worden. Die Stellen seien weiterhin nicht markiert.



Quelle: Die Presse (Wien), 13.01.2001

Jugoslawien klagt über radioaktive Verseuchung durch Uran-Geschosse

Bei Einschußstellen sind die radioaktiven Werte angeblich um mehr als das Tausendfache erhöht

BELGRAD/GENF (ag.). Nach Angaben der jugoslawischen Armee sind die radioaktiven Werte an jenen Stellen, welche die Nato mit uranhältiger Munition bombardiert hat, zum Teil um mehr als das Tausendfache erhöht. Schätzungen zufolge habe die Allianz während ihrer elfwöchigen Offensive im Frühjahr 1999 an die 1,5 Tonnen Uran-Munition abgefeuert. Dabei sei eine Fläche von 2,5 Hektar radioaktiv verseucht worden. Die höchste Radioaktivität sei nahe der südserbischen Stadt Vranje vermerkt worden. Die Messungen seien vom Vinca-Institut für Nuklearphysik durchgeführt worden, teilte ein jugoslawischer Offizier mit. Gleichzeitig zerstreute der Chef des Belgrader Nuklear-Instituts Ängste, wonach abgereichertes Uran in die Nahrungskette gelangt sein könnte. Nach Einschätzung der deutschen Gesellschaft für Strahlenforschung sind deutsche Bundeswehrsoldaten im Kosovo nicht durch abgereichertes Uran gefährdet gewesen. Dieses Ergebnis einer Studie im Auftrag des deutschen Verteidigungsministeriums legte am Freitag der Biophysiker Eckhard Werner vor. Indes wollte der stellvertretende Leiter der deutschen Strahlenschutzkommission, Wolfgang Köhnlein, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa nicht ausschließen, daß Uran-Munition Leukämie-Erkrankungen auslösen kann. Die im Kosovo eingesetzten Soldaten könnten auch noch längere Zeit nach ihrer Rückkehr erkranken.

WHO untersucht im Irak

Die Untersuchung im Auftrag des deutschen Verteidigungsministeriums stellte Köhnlein in Frage. Der Wissenschafter wies auf einschlägige US-Tests bei Golfkriegsveteranen hin. Dabei seien noch Jahre nach Kriegsende Uranausscheidungen im Urin festgestellt worden. Es habe sich später auf Röntgenaufnahmen gezeigt, daß die betreffenden US- Soldaten nur mit ganz kleinen Splittern der Uran-Munition verwundet worden waren, die unbemerkt in die Haut eingedrungen waren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat indessen im Irak mit Untersuchungen möglicher Gesundheitsschäden infolge des Golfkriegs begonnen. Dabei soll auch der Einsatz von Uran-Munition einer kritischen Bewertung unterzogen werden.



Quelle: taz, 13. 01. 2001(
http://www.taz.de)

"Keine Grundlage für eine Aussage"

Der Chemiker Alfred Schott von der Freien Universität Berlin zweifelt die im Auftrag des Verteidigungsministeriums erstellte Studie zu Uran-Munition an: Eine Gefährdung deutscher Soldaten lasse sich erst nach einer Langzeitbeobachtung feststellen Interview ANDREAS ZUMACH

taz: Deutsche Soldaten im Kosovo waren keinem Gesundheitsrisiko Uran-Munition ausgesetzt, sagt die im Auftrag von Verteidigungs- minister Scharping erstellte Studie des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF). Kann die Debatte damit beendet werden?

Alfred Schott: Keineswegs. Diese Untersuchung bietet überhaupt keine Grundlage für eine Aussage über Gesundheitsgefährdungen. Untersucht wurden lediglich 121 KFOR-Soldaten auf Uranspuren im Urin - und das maximal zehn Monate nach ihrem Einsatz im Kosovo. Aber die eventuell in den Körper aufgenommenen feinen, nichtlöslichen Uranoxid-Partikel, die beim Aufprall und der Verbrennung von DU-Munition entstehen, lagern sich zunächst im Körper ab. Nur wenn sie mit der Zeit löslich werden, gelangen sie überhaupt in den Urin - aber auch dies frühestens nach anderthalb Jahren. Seriöse Feststellungen über eine eventuelle Gesundheitsgefährdung lassen sich daher erst nach einer Langzeitbeobachtung der Soldaten über acht bis zehn Jahren mit regelmäßigen Urinkontrollen machen. In Scharpings Expertenkommission ist kein Wissenschaftler, der bislang durch DU-relevante Forschung aufgefallen wäre. Solche Wissenschaftler gibt es aber in Deutschland.

taz: GSF-Direktor Herwig Paretzke glaubt, dass die radioaktive Strahlung der Munition für eine Gesundheitsgefährdung "zu schwach" und die Menge der nach einer Explosion aufgewir- belten Uranstaub-Partikel "zu gering" sei.

Alfred Schott: Diese Aussagen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Erstens: Mit Blick auf die radioaktive Wirkung von DU gilt zunächst, dass es bei strahlenden Substanzen grundsätzlich keine untere Schädlichkeitsgrenze gibt. Zweitens: Woher kennt das GSF die Menge der nach einer Explosion aufgewirbelten Uran-Partikelstäube? Das ist bis heute noch an keinem der bekannten Einsatzorte von DU-Munition gründlich untersucht worden - weder im Kosovo noch in Bosnien oder im Irak. Drittens: Neben Leukämie gibt es andere, ebenso schwerwiegende Erkrankungen, die möglicherweise durch die radioaktive, vor allem aber die hochtoxische Wirkung von DU ausgelöst werden.

taz: Einen Zusammenhang zwischen Leukämie und radioaktiver Strahlung der Munition schließt die GSF aus. Dieser lasse sich weder in Tschernobyl noch bei Beschäftigten im Uranbergbau nachweisen. Die Wirkung von DU-Partikeln auf Körper- und Blutzellen ist bislang überhaupt nicht ausreichend erforscht, um die Verursachung von Leukämie seriöserweise ausschließen zu können.

Alfred Schott: Dazu kommt: Bei der Explosion von DU-Munition in einem Panzer laufen wegen der extrem hohen Hitzeentwicklung ganz neuartige chemische Prozesse ab. Neben der DU-Munition verbrennen alle möglichen Metalle, Kunststoffe und andere Materialien aus dem Panzer. Dabei entstehen neue, möglicherweise radioaktive und hochgiftige Aerosole und Radionuklide, die vielleicht Auslöser sein könnten für verschiedene Krankheitssymptome, die inzwischen im Irak, bei Golfkriegsveteranen und in Bosnien aufgetreten sind. All das ist bis heute nicht untersucht worden - außer vielleicht in geheimen Forschungen des Pentagon.
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