Deutsche Rüstungsexporte

(K)eine Trendwende in Sicht?

von Charlotte Kehne
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Der Ende Juni 2018 veröffentlichte Rüstungsexportbericht 2017 der Bundesregierung enthält auf den ersten Blick wenig Überraschendes. Zwar ist der Wert der genehmigten Rüstungsexporte in der Summe abermals gesunken – dennoch bleibt auch dieser Wert unter den Top drei der letzten Jahre. Damit sind in 2015 (7,86 Mrd. €), 2016 (6,85 Mrd. €) und 2017 (6,24 Mrd. €) die höchsten Genehmigungswerte für die Ausfuhr von Rüstungsgütern seit Beginn der öffentlichen Berichterstattung zu verzeichnen. Die Bundesregierung rühmt sich hingegen damit, der Rüstungsexportbericht 2017 „bestätigt die Fortführung einer verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik“.

Erschreckend ist der Anteil der genehmigten und tatsächlichen Lieferungen an Staaten außerhalb der NATO und der EU, den sogenannten Drittstaaten. Wie die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ bereits in Hinblick auf die Zahlen für das Jahr 2016 kritisierte, ist der Export an Drittstaaten zur Regel geworden. Diese beunruhigende Entwicklung setzt sich auch im Jahr 2017 fort: Lieferungen an Drittstaaten machten mehr als 60 Prozent des Wertes der Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern aus. Bei den Genehmigungen für Kriegswaffen liegt dieser Anteil ebenfalls bei rund 60 Prozent (2015: 86 Prozent, 2016: 74 Prozent), obwohl gemäß den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung gerade der Export von Kriegswaffen an Drittstaaten nur in begründeten Einzelfällen erfolgen soll.

Trendwende in Sicht?
Antworten des Wirtschaftsministeriums auf mehrere parlamentarische Anfragen zeigen, dass die erteilten Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2018 zurückgegangen sind. Mit einem Wert von 2,57 Mrd. Euro bewilligte die Bundesregierung fast ein Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Grund für den generellen Rückgang der Genehmigungswerte liegt jedoch vermutlich nicht in einer Trendwende. Deutsche Rüstungsproduzenten beklagen als Ursache vielmehr die schleppende Ausstellung von Genehmigungen während der langen Übergangszeit nach der Bundestagswahl.
Verzögerungen und Verschiebungen also, statt einer wirklichen Trendwende. Besonders erschreckend: Trotz des anhaltenden Krieges und der Hungerkatastrophe im Jemen war in den letzten Jahren kein generelles Umdenken in Bezug auf Rüstungsexporte an die im Jemen-Krieg involvierten Parteien zu erkennen. Im Koalitionsvertrag steht nun eindeutig: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ Und trotzdem wurde noch kurz vor der Vereidigung der neuen Regierung beispielsweise der Export von Patrouillenbooten für einen dreistelligen Millionenbetrag nach Saudi-Arabien genehmigt. Und ungeachtet der Luftangriffe Saudi-Arabiens wurden zwischen dem zweiten Quartal 2017 und dem ersten Quartal 2018 Genehmigungen in Höhe von fast zwei Millionen Euro für Komponenten der an Saudi-Arabien gelieferten Flugzeugtypen Eurofighter und Tornado erteilt.

Es bleibt ein langer Weg
Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, sind (mit zwei wertmäßig geringeren Ausnahmen) bis Ende des 1. Halbjahres 2018 zunächst keine Rüstungsexporte mehr an Länder genehmigt worden, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Dennoch: Es bleibt ein langer Weg, den im Koalitionsvertrag verankerten Jemen-Exportstopp und die weitere Einschränkung von Rüstungsexporten an Drittstaaten langfristig konsequent umzusetzen. Die für den Jemen-Exportstopp ebenfalls im Koalitionsvertrag niedergeschriebene Ausnahme in Form von „Vertrauensschutz“ für Firmen, sofern sie nachweisen, dass „bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben“, ist dafür nur ein Beispiel. Die unter diese Klausel fallenden Patrouillenboote sollen wohlmöglich zumindest indirekt in die Seeblockade des Jemens eingebunden sein. Trotzdem lagen im September zwei weitere Schiffe offenbar zur Ausfuhr nach Saudi-Arabien bereit. Zudem gab die Regierung im September grünes Licht für weitere Waffenlieferungen in die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Ein unverantwortliches Vorgehen!

Damit der Jemen-Exportstopp nicht zur Symbolpolitik verkommt, darf Berlin diesen nicht aufweichen, sondern muss ihn endlich konsequent durchsetzen und zudem gleiche Maßstäbe an alle Empfängerländer anlegen. Das bedeutet: Es muss selbstverständlich sein, dass menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten keine Rüstungslieferungen erhalten. In der Konsequenz erfordert das außerdem, Schlupflöcher zu schließen, die es Rüstungsunternehmen ermöglichen, deutsche Exportregularien mit Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen im Ausland ganz legal zu umgehen. Deutsche Rüstungsgüter dürfen nicht in kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten gelangen – auch nicht über Umwege. Das beinhaltet gleichzeitig, sich bei europäischen Gemeinschaftsprojekten für einheitlich strenge und verbindliche Exportregularien einzusetzen.

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Charlotte Kehne ist Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei Ohne Rüstung Leben und Sprecherin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“