Netzwerk Friedenskooperative



Oster-
marsch
2003


vom:
25.04.2003


 vorheriger

 nächster
 Artikel

Ostermärsche und -aktionen 2003:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Ostermarsch "Gegen die ´Neue Weltordnung`" in München am 19.04.03

Paul Kleiser

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner, liebe Friedensfreunde,

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende der Ost-West-Konfrontation hat man uns die große Friedensdividende versprochen. Ein Zeitalter des Wohlstands und der Demokratie sollte anbrechen. Doch was ist seitdem geschehen? Seit ein paar Jahren müssen wir bei jedem Ostermarsch Klage führen über die Zerstörungen und die Toten und Verstümmelten neuer Kriege. Die Blutspur verläuft von Jugoslawien über Afghanistan in den Irak, von zahlreichen Ländern Afrikas gar nicht zu reden. Das ist die von Bush Vater 1990 verkündete Neue Weltordnung in Aktion - doch was ist neu daran, abgesehen von der jeweils angewandten Waffentechnologie?

Der Krieg gegen den Irak wurde von langer Hand vorbereitet. Saddam Hussein hatte die Rolle des Schurken zu spielen - nicht, weil er ein blutrünstiger Despot war, sondern weil er sich den US-Interessen nicht unterordnen wollte. Die behaupteten Motive für den Krieg - die Beseitigung von Massenvernichtungswaffen oder der Kampf gegen den Terrorismus - sind sämtliche fadenscheinig: In Wirklichkeit geht es den USA um die Durchsetzung ihrer Machtansprüche als Weltpolizist und um den "Schmierstoff" der Wirtschaft des Westens, ums Öl. Die USA sehen ihren american way of live bedroht, der neben einem Grundrecht auf Waffenbesitz vor allem auf der unbeschränkten Energievernutzung beruht. Sieben Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen allein fast 30 % der weltweit vernutzen Energie! Und dafür sterben jährlich Tausende Menschen in der Dritten Welt! Nicht umsonst hat Bush die US-Unterschrift unter das windelweiche Kyoto-Protokoll zurückgezogen. Nicht umsonst wurden zahlreiche Umweltgesetze der USA wieder abgeschafft, weil sie die Freiheit der Verschmutzung und Zerstörung einschränkten! Nicht nur im Krieg zeigt sich die Verantwortungslosigkeit der USA und ihrer Verbündeten!

Im Januar 1998 schrieben Mitglieder des einflussreichen neokonservativen "Project for A New American Century" einen Brief an Präsident Clinton, in dem sie den Sturz des Regimes von Saddam Hussein forderten. In dem Brief heißt es: "Wir glauben, dass die Vereinigten Staaten unter den bereits bestehenden UN-Resolutionen das Recht haben, die nötigen Schritte, einschließlich militärischer, zu unternehmen, um unsere vitalen Interessen am Golf zu sichern." Viele der Unterzeichner jenes Briefes sind heute Regierungsmitglieder, so Vizepräsident Cheney, Kriegsminister Rumsfeld, sein Vize Wolfowitz oder die Staatssekretäre Bolton und Armitage.

 zum Anfang


Oster-
marsch
2003
Die Länder der OPEC, der Erdöl exportierenden Länder, haben einen Anteil an den weltweiten Öl-Reserven von 78 Prozent; allein auf die fünf wichtigsten Ölländer am persischen Golf entfallen 63% oder fast zwei Drittel aller weltweiten Reserven. Heute fördern sie erst 27 % der Weltförderung. Und ihr Eigenverbrauch liegt bei unter 5 Prozent.

Wir können davon ausgehen, dass die billigeren Ölquellen im Norden in etwa zehn Jahren erschöpft sein werden. Dass die OPEC-Länder schon in wenigen Jahren die wichtigsten Ölquellen der Welt kontrollieren werden, treibt der Bush-Administration (und nicht nur ihr) den Schweiß auf die Stirn. Öl ist einer der ganz wenigen Rohstoffe (vor allem) aus der Dritten Welt, bei dem es wegen der Monopolbildung der OPEC (und der Förderung im Norden) nicht zu einem massiven Preisverfall gekommen ist.

Die Süddeutsche schrieb am 9. April: "Schon stellen sich OPEC-Experten auf für sie schlimme Szenarien ein: Tritt der Irak aus der Organisation aus und wird seine Ölindustrie von Exxon und Chevron-Texaco übernommen, haben die Amerikaner ein Faustpfand in der Hand. Washington könnte den Ölmarkt stärker dirigieren und auf einen Preisverfall setzen."

Bush und Konsorten möchten durch Zerschlagung der OPEC den Ölpreis auf etwa 15 Dollar drücken, um durch billige Energieeinfuhr der lahmenden Wirtschaft (der "Old Economy!") zu einem neuen Aufschwung zu verhelfen.

Damit ist eine der letzten Errungenschaften der irakischen Revolution, die Verstaatlichung der Ölquellen, in großer Gefahr: Die Multis stehen bereit, sich diesen Reichtum unter den Nagel zu reißen. Muss nicht der Irak Auslandschulden in Höhe von mindestens 100 Mrd. Dollar zurückzahlen - also her mit den Schätzen des Landes! Die kleinen Diebe und Kunsträuber werden angeprangert, aber die großen vollführen ihr Werk ganz legal - so sieht Bushs Neue Weltordnung aus!

Die Friedensbewegung muss sich gegen den Ausverkauf des Irak und anderer Länder des Südens zur Wehr setzen. Diese Länder müssen über ihre nationalen Reichtümer selbst bestimmen können. Die Schulden, die schon mehrfach zurückgezahlt wurden, müssen endlich gestrichen werden! Es ist auch die ins gigantische gewachsene Ungleichheit zwischen Nord und Süd, die den Frieden und letztlich das Überleben der Menschheit bedroht.

Der beste Weg der Veränderung ist die Durchsetzung einer Energiewende, die die Gier nach dem Öl zurückdrängt und auf alternative Energien, wie Sonne, Wind, Biomasse und Erdwärme setzt. Je schneller die Umorientierung in der Energieversorgung durchgesetzt wird, je schneller wir es schaffen, zu verhindern, dass die in Jahrmillionen aufgebauten Ölvorräte binnen weniger Generationen durch Schornstein und Auspuff geblasen werden und die Atmosphäre weiter aufheizen, umso besser für unsere Zukunft und die unserer Kinder. Kämpfen wir dafür, dass der Irak-Krieg der letzte Ölkrieg gewesen ist!

Die USA haben unter der Bush-Administration einen Krieg begonnen, den sie längerfristig nur verlieren können. So wie im Irak werden sie militärisch siegen und bald danach feststellen, dass sie nur einen Pyrrhus-Sieg gelandet haben. Sie installieren ein Protektorat mit handverlesenen Politikern und müssen feststellen, dass der Widerstand gegen US-hörige Regierungen in der Region und weltweit immer weiter zunimmt. Mit Vasallen, die ihre Staaten plündern und Terroristen, die zu allem bereit sind, wird die Welt in Zukunft an den beiden wichtigsten Nebenprodukten der US-amerikanischen Strategie zu leiden haben. Es ist die US-Politik, die in der ganzen Dritten Welt Fundamentalisten auf den Plan ruft. Der verbrecherische Anschlag des 11. September hat vielleicht 500 000 Dollar gekostet und einen Schaden von 100 Mrd. Dollar verursacht. Gegen Menschen, die zu allem bereit sind, werden auch 400 Mrd. Dollar Militärausgaben letztlich wenig ausrichten können. Aber beide tragen zur Barbarisierung der Verhältnisse auf unserem Planeten bei! (Mit 15-20 Mrd. Dollar pro Jahr könnte man laut UNDP den Hunger auf der Erde völlig beseitigen!)

Doch wenn die Zahl der Opfer in den USA und im Norden eine kritische Marke erreicht, wenn Kriege und Besatzungen die Haushalte der USA ruinieren, wenn ein Vasall nach dem andern seine eigenen Wege zu gehen beginnt, dann steht das durch seine Präventivkriege isolierte und wirtschaftlich angegriffene Projekt der US-Hegemonie vor dem Scheitern. Dann wird auch der Glaube, Gottes Pläne zu vollstrecken, nicht mehr viel weiterhelfen.

Die neue Weltordnung der Bushmänner und der damit eng verbundene Neoliberalismus haben seit einigen Jahren eine massive Gegenbewegung hervorgerufen, die globalisierungskritische Bewegung. Sie kämpft heute international gegen die Privatisierung von öffentlichen Diensten, gegen die soziale Hemmungslosigkeit von Märkten und Multis, gegen die Zerstörung der Ökosphäre und gegen den Krieg, für nachhaltige Nutzung der Ressourcen, für sozialen Ausgleich und demokratische Rechte. Das Weltsozialforum von Porto Alegre und das ESF von Florenz zeigten die nunmehr erreichte tiefe Verankerung und Vielfalt des Engagements für eine menschlichere Zukunft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg.

Bereits vor der Auslösung des Krieges gegen den Irak haben weltweit zwischen 10 und 15 Millionen Menschen gegen die Kriegstreiberei protestiert. Nie zuvor in der Geschichte hat es vor Kriegsbeginn eine solche Massenbewegung mit einem so weit entwickelten Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung für die Verhältnisse auf diesem Planeten gegeben.

Dies macht uns Mut, dass wir es schließlich doch schaffen werden, die Erde von der Geisel des Krieges zu befreien!

Welche Angst die beiden Bs (Bush und Blair, B2) vor dieser weltweiten Bewegung mit ihrer inzwischen weltweiten Vernetzung und Information haben, zeigt sich in ihren Versuchen, die Verbreitung ungefilterter Nachrichten zu unterdrücken. Auch in Arabien gibt es mittlerweile nicht nur tyrannische Regime, sondern unabhängige Nachrichtenkanäle und JournalistInnen: Und was macht das Land von freedom and democracy? Es wirft Bomben auf die Sendestationen von Abu Dhabi TV und Al Dhazeera. Es soll nur die Berichterstattung der "embedded journalists" gelten. Dabei gibt es keine Demokratie ohne wirklich freie Presse! Mit dem Filmemacher Michael Moore rufen wir: Shame on you, Mr. Bush; Shame on you, Mr. Rumsfeld, Shame on you, Mr. Blair!

Aber Eure Politik wird auf allen Kontinenten von immer mehr Menschen abgelehnt und bekämpft. Bereits heute zählt der Widerstand allein in den USA nach Hunderttausenden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich noch mehr AmerikanerInnen die Politik der Bush-Männer, die ja auch die Verarmung der Mehrheit der Bevölkerung betreiben, nicht mehr gefallen lassen und einen Politikwechsel herbeiführen. Das alte Amerika wir einem neuen Platz machen, das auf den Grundsätzen des Völkerrechts, der Menschenrechte und der Beteiligungsdemokratie aufgebaut ist. Nicht nur der Imperialismus und Militarismus - auch diese Werte haben in der US-Tradition tiefe Wurzeln. Mit diesem "anderen Amerika" werden wir "alten EuropäerInnen" aufs Engste für eine friedliche Zukunft zusammenarbeiten.

Ich danke Euch!

 zum Anfang

 vorheriger

 nächster
  
Artikel

       
Einige weitere Texte (per Zufallsauswahl) zum Thema
Ostermärsche
Ostermärsche
OM 2002 - Rede Horst-Eberhard Richter in Frankfurt
OM 2002 - Rede A.Schmidt, Duisburg, 30.03.02
OM 2002 - Pressspiegel 02.04., Teil II
OM 2002 - Rede H-G.Hartwig, Braunschweig, 30.03.02
OM 2003 - Aufruf Frankfurt

Bereich

 Netzwerk 

Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
         
 Themen   F-Forum  Termine  Jugo-Hilfe Aktuell