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Erstellt:
01.10.1997


 siehe auch:

 Cassini -
 vernach-
 lässigte
 Risiken


zu: Cassini - Inhalt

Die Studie datiert vom August 1997, Übersetzung: Regina Hagen

Die Kaku-Studie: Systematische Unterschätzung der Cassini-Unfallrisiken durch die NASA

Dr. Michio Kaku

Dank an Roland Wolff fürs Korrekturlesen und Kommentieren

Anmerkungen der Übersetzerin in eckigen Klammern


Zusammenfassung:

Bei einer sorgfältigen Überprüfung der physikalischen Analyse, die der abschließenden NASA-Umweltverträglichkeitsstudie für die Weltraummission Cassini [Final Environmental Impact Statement for the Cassini Mission, FEIS] zugrunde liegt, wird deutlich, daß die NASA-Studie die möglichen Unfallrisiken durch Cassini systematisch unterschätzt. Die NASA ging ursprünglich davon aus, daß ein größter anzunehmender Unfall (GAU) von Cassini im Verlauf von 50 Jahren zu 2.300 Krebstoten führen würde. In diesem Text wird aufgezeigt, daß die Zahl von 2.300 Todesopfern wahrscheinlich um den Faktor 100 korrigiert werden muß. Das bedeutet, daß bei einem GAU mit mehr als 200.000 Toten zu rechnen ist.

Vermögensschäden und Schadensersatzprozesse könnten hohe zweistellige Milliardenbeträge erreichen.

Zusätzlich wurden in der Umweltverträglichkeitsstudie die Schwierigkeiten beim Einsatz alternativer Energiequellen wie Solar- und Brennstoffzellen überschätzt. Gemäß der neuen NASA-Philosophie "schneller, billiger, besser" sollte die Cassini-Mission abgespeckt werden, d.h. die NASA sollte mehrere kleinere Missionen zum Saturn schicken, deren Energiebedarf mit Solarenergie gedeckt werden kann.



Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Berechnung der Todesrate bei einem GAU

2.1. Startphase (Phasen 1, 5, und 6)

2.1.1. Quellstärke

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2.1.2. Vom Fallout betroffenes Gebiet

2.1.3. Bevölkerungsdichte

2.2. Vorbeiflug an der Erde (fly-by)

2.2.1. Quellstärke

2.2.2. Vom Fallout betroffenes Gebiet

2.2.3. Bevölkerungsdichte

3. Berechnung der Risiken

4. Das schwächste Glied: die Titan IV-Rakete

5. Woher kommt die Zahl 1:1.000.000 ?

6. Die Berechnung der Alternativen

7. Schlußfolgerungen und Empfehlungen



1. Einleitung

Die Cassini-Mission führt etwa 400.000 Curie [14,9 PetaBecquerel] Plutonium-238 mit. Damit ist Cassini die Weltraummission mit der bislang größten Plutoniummenge für die Energieerzeugung. Das Plutonium - insgesamt etwa 32,8 kg - befindet sich in drei Plutoniumgeneratoren [Radioiisotope Thermal Generators, RTGs], von denen jeder 18 Module enthält. Wird diese Plutoniummenge durch einen Unfall über bewohntem Gebiet freigesetzt, würde es zweifellos zu erheblichen Gesundheitsschäden und entsprechend zu Tausenden von Totesopfern kommen. In diesem Punkt sind sich alle Wissenschaftler einig.

Nicht einig sind sich die Experten bei den folgenden Punkten:

wieviel Plutonium bei einem GAU wirklich freigesetzt würde und

wie wahrscheinlich ein solcher Unfall ist.

Vielleicht wird Cassini ja zur durchschlagenden Erfolgsstory. Angesichts der Vielzahl weiterer Plutoniummissionen, die noch geplant sind, ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, wann eine Katastrophe eintritt. Anstatt sich auf irreführende Computerprogramme zu verlassen, die doch nur die gewünschten Ergebnisse ausgeben, sollten alle Beteiligten sich die Protokolle der bisherigen Weltraumunfälle vornehmen, darunter zahlreiche Fehlstarts von Trägerraketen und außer Kontrolle geratene Satelliten.

Leider wurden die wirklichen Risiken durch diese Unfälle und die Unfallfolgen immer heruntergespielt. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine Demokratie. Die Bevölkerung kann rationale Entscheidungen nur auf der Basis wissenschaftlicher Wahrheit treffen, nicht aufgrund vereinfachender, irreführender Pressemeldungen. Unweigerlich werden im Rahmen des Weltraumprogramms spektakuläre Unfälle passieren, gelegentlich werden dabei Menschen sterben, und das amerikanische Volk hat das demokratische Recht, die wahren Risiken zu kennen. Daher besteht ein wissenschaftliches Interesse daran, die Berechnungen in der Umweltverträglichkeitsstudie sorgfältig zu überprüfen.

Die NASA geht in ihrer Umweltverträglichkeitsstudie davon aus, daß bei einer Freisetzung von Plutonium-238 über bewohntem Gebiet innerhalb von 50 Jahren bis zu 2.300 Menschen unheilbar an Krebs erkranken könnten. Erst kürzlich wurde diese Zahl auf 120 herunterkorrigiert. Zu diesem Analyseergebnis kommt die NASA allerdings erst nach der Berechnung dreier wichtiger Faktoren, die jeweils deutlich unterschätzt wurden:

die Quellstärke, d.h. die Menge Plutonium-238, die tatsächlich entweicht und an die Umwelt abgegeben wird

das Gebiet, über dem das Plutonium-238 freigesetzt wird

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die Bevölkerungsdichte und die Anzahl der Menschen, die an Krebs erkranken.

Für jeden einzelnen dieser Faktoren wird in den nächsten Abschnitten folgendes aufgezeigt:

1. Die Umweltverträglichkeitsstudie unterschätzt systematisch die möglichen Risiken und vermeidet so Aussagen über die Szenarien für einen GAU.

2. Da die NASA noch nie einen umfassenden Test für ein realistisches Unfallszenario durchgeführt hat, dachte sie sich für die Umweltverträglichkeitsstudie einfach Zahlen aus, um das Fehlen von Fakten nicht zugeben zu müssen. Allerdings hat sie bei der Auswahl der Zahlen immer auf eines geachtet: daß die Zahl der Todesopfer möglichst klein bleibt.

3. Um diesen Schwachpunkt zu verschleiern, werden die Analyseergebnisse in der Umweltverträglichkeitsstudie bis auf drei signifikante Stellen genau angegeben. Dadurch wirken die Zahlen überzeugend und präzise, wo sie in Wirklichkeit doch nur auf Modellen beruhen. Natürlich ist es zulässig, von Annahmen auszugehen. Allerdings ist es unter Wissenschaftlern in diesem Fall üblich, einen Fehlerbalken abzubilden oder eine Irrtumswahrscheinlichkeit anzugeben. Es springt sofort in`s Auge, daß in der gesamten NASA-Studie nicht ein einziges Mal eine Irrtumswahrscheinlichkeit angegeben wird - das ist ein ernsthafter Mangel. Es wird keine Irrtumswahrscheinlichkeit angegeben, da die Zahlen zwar auf Sachkenntnis beruhen, aber niemals experimentell überprüft wurden.

2 Berechnung der Todesrate bei einem GAU

Im folgenden werden die oben genannten drei Faktoren jeweils für die frühe Startphase und für den Vorbeiflug an der Erde (fly-by) untersucht.

2.1 Startphase (Phasen 1, 5, und 6)

2.1.1 Quellstärke

Der wichtigste Faktor bei der gesamten Analyse ist die Berechnung der Quellstärke, d.h. des freigesetzten Nuklearmaterials. Die NASA räumt in der Umweltverträglichkeitsstudie ein, daß bei einem Unfall in der Start- oder in der Vorbeiflugphase Plutonium aus den RTGs entweichen würde. Allerdings geht sie davon aus, daß nur der Bruchteil eines Prozents des mitgeführten Plutoniums austritt. Damit unterschätzt sie die tatsächlichen Auswirkungen eines GAUs beträchtlich und kommt absichtlich zu einer niedrigen Zahl von Todesopfern. Das ist die Hauptschwäche der Umweltverträglichkeitsstudie.

In der Studie wird zugegeben, daß das Plutonium in den RTGs bei einem Unfall während der Startphase drei extremen Einwirkungen ausgesetzt wäre: hoher Temperatur, Splittereinwirkung und explosivem Überdruck. Das Hauptproblem ist und bleibt aber, daß die NASA-Ingenieure nie unter realistischen Bedingungen getestet haben, wie sich eine Explosion auf die RTGs auswirken würde.

In anderen Technikbereichen wissen wir ziemlich genau, was bei unterschiedlichen Unfallszenarien passiert, beispielsweise bei einem Flugzeug- oder Zugunglück. Für solche Fälle können wir auf umfangreiche experimentelle Daten zurückgreifen. Es gibt aber keinerlei experimentelle Daten, aus denen sich abschätzen ließe, wie sich Plutonium bei einer Explosion in der Startphase verteilt - weil dazu nie realistische Tests stattfanden.

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Allerdings hat die NASA einige Teiltests durchgeführt, die uns die Verwundbarkeit der RTGs bei extremen Umgebungsbedingungen vor Augen führen. In der Umweltverträglichkeitsstudie wird zwar davon ausgegangen, daß bei einer Explosion in der Startphase Plutonium aus den RTGs freigesetzt würde, die NASA-Analyse bleibt aber hypothetisch und führt nur zu groben Schätzungen.

Besonders bemerkenswert sind die folgenden Punkte:

1. Hohe Temperatur.

Die Iridiumhülle der Plutoniumtabletten beginnt bei 1.000 Grad C zu oxidieren und sich abzubauen. Bei 2.425 Grad C beginnt das Iridium zu schmelzen. Der Schmelzpunkt von Graphiteutektium liegt sogar noch darunter, nämlich bei 2.269 Grad C. Experimente mit der Umhüllung des Nuklearmaterials ergaben, daß sie in etwa der Temperatur von 2.360 Grad C standhält, die beim Verbrennen des Raketentreibstoffs entsteht - das sind gerade mal 65 Grad C weniger als der Schmelzpunkt der Iridiumhülle. Bei höheren Temperaturen ist ein Versagen der Hülle zu erwarten.

[Anmerkung der Übersetzerin zum Aufbau der RTGs: Cassini hat drei RTGs an Bord. Jeder RTG enthält 18 nebeneinander aufgereihte General Purpose Heat Sources (GPHS) und hat eine Aluminiumhülle. Jedes GPHS-Modul enthält wiederum zwei Graphite Impact Shells (GIS) mit einer Graphitummantelung. In jedem GIS befinden sich dann zwei Fuel Pellets, also Plutoniumtabletten, und zwar in einer dünnen Iridiumhülle. Pro RTG ergibt das 72 Plutoniumtabletten. Die Plutoniumtabletten enthalten ein Plutoniumdioxidgemisch mit 72 % Pu-238 und 13 % PU-239.]

Daraus lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:

- Nach den Gesetzen der Thermodynamik ist die Bewegungsenergie von Molekülen nach der Maxwell-Boltzmann-Verteilung gegeben. Danach gibt es auch Moleküle mit Energien oberhalb des Mittelwertes, der sich aus der Durchschnittstemperatur ergibt. Das bedeutet, daß die Iridiumhülle schon weich wird und nachgibt, bevor der Schmelzpunkt erreicht ist. Oder anders gesagt: Die strukturelle Stabilität der Iridiumhülle verschlechtert sich, während die Temperatur bis zum Schmelzpunkt ansteigt, so daß die Hülle durch Splittereinwirkung und Überdruck gesprengt werden kann. Folglich könnten die Faktoren Temperatur, Splittereinwirkung und Überdruck zusammen ausreichen, um die Iridiumhülle der meisten Plutoniumtabletten aufzusprengen.

- Eine lokale Temperatur über 3000 Grad C tritt typischerweise bei chemischen Explosionen und Reaktionen auf (so erreicht beispielsweise die Flamme eines Acetylenschneidbrenners 3.315 Grad C). Diese Temperatur liegt deutlich über dem Schmelzpunkt des Iridiumüberzugs. Aus dem Stefan-Boltzmann- und dem Wienschen Gesetz wissen wir, daß die Farbe einer Flamme Rückschlüsse auf die Temperatur zuläßt. Die Farbe Rot, die typischerweise bei Verbrennungsreaktionen beobachtet wird (bei Wellenlängen von 7.000 Ångström), zeigt also etwa eine Temperatur von 4.000 Grad C an. Folglich ist anzunehmen, daß ein gewisser Teil des Iridiums aufgrund der lokalen Temperaturverteilung im Explosionsfeuer bereits schmilzt, obwohl die durchschnittliche Temperatur noch unter dem Schmelzpunkt liegt.

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2. Splittereinwirkung.

Bei Tests hat sich herausgestellt, daß das RTG-Gehäuse aufreißt, wenn es mit 555 m/sec (1.820 ft/sec) mit Aluminiumkugeln oder mit 423 m/sec (1.387 ft/sec) mit Titankugeln beschossen wird. Kantige Splitter reißen die Brennstoffhülle bereits bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 95 m/sec (312 ft/sec) auf. Das bedeutet, daß mit hoher Geschwindigkeit aufprallende Splitter die RTGs bereits bei Zimmertemperatur durchbohren können. Bei den hohen Temperaturen, die nahe am Schmelzpunkt von Iridium liegen und damit die Stabilität der Hülle schon beeinträchtigen, und den zusätzlich auftretenden Drücken steht zu erwarten, daß die Splitter noch viel mehr Schaden anrichten und zahlreiche Brennstoffhüllen regelrecht aufsprengen.

3. Überdruck.

Bei chemischen Explosionen entstehen lokale Überdrücke von mehreren hundert kg pro cm2. Die RTGs hielten bei Tests einem Druck von 1,080 kg/cm2 (= 15,25 MPa; 2.210 lb/ft2) stand. Allerdings ist gänzlich unklar, wieviel Plutonium unter den extremen Bedingungen bei hoher Temperatur, Splittereinwirkung, usw. entweichen könnte.

Kurzum, es wurden nie umfassende Test durchgeführt, bei denen gleichzeitig die zu erwartenden hohen Temperaturen, die Splittereinwirkung und der Überdruck auf die RTGs einwirkten. Wir müssen davon ausgehen, daß diese drei Faktoren in Kombination zu einer schwerwiegenden Beschädigung der RTGs führen würde.

Trotz all dieser Faktoren und Unsicherheiten zeigt sich die NASA auf S. 4-48 der Umweltverträglichkeitsstudie zuversichtlich, daß bei einem Unfall in der Startphase maximal 28,7 Curie [1,1 TeraBecquerel], also weniger als 0,01 % des Plutoniums entweichen würden.

Dazu läßt sich mehreres sagen:

- Dieser Schätzwert ist reine Spekulation. Die Zahl ist schlicht erfunden. Da die RTGs noch nie unter den explosiven Umgebungsbedingungen einer versagenden Trägerrakete getestet wurden, sind alle Aussagen, wieviel Plutonium dabei entweichen würde, reine Vermutungen.

- Trotzdem wird dieser Schätzwert als Fakt wiedergegeben, ohne einen Fehlerbalken und ohne Angabe einer Irrtumswahrscheinlichkeit. Für diese Zahl wird kein Vertrauensniveau angegeben. Das ist ein schweres Versäumnis der statistischen Berechnungen.

- Die Zahl von 28,7 Curie Plutonium wird auf drei Stellen genau angegeben. Das ist eher verblüffend und beweist, daß die NASA-Ingenieure von Statistik keine Ahnung haben. In der Statistik bedeutet die Fehlerfortpflanzung automatisch, daß die Berechnung nur so zuverlässig ist wie ihre größte Fehlerquelle. Hier ist die größte Fehlerquelle schlicht, daß die Ingenieure mehrere Zahlen einfach aus dem Hut gezaubert haben. Daher müssen wir aus der Berechnung der freigesetzten Plutoniummenge mit einer Genauigkeit von drei Stellen wohl schließen, daß es den Ingenieuren an den grundlegendsten Statistikkenntnissen mangelt.

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- Da das gleichzeitige Auftreten von hoher Temperatur, Splittereinwirkung und Überdruck nie umfassend getestet wurde und die Kombination dieser drei Faktoren höchstwahrscheinlich zur Beschädigung zahlreicher Iridiumhüllen führt, müssen wir wohl eher davon ausgehen, daß 30 - 40 % des Plutoniums freigesetzt wird.

2.1.2 Vom Fallout betroffenes Gebiet

In den typischen Computerprogrammen für Transportrechnungen bei Strahlenunfällen, die vom Militär und von der kommerziellen Nuklearindustrie verwendet werden, ist das vom Fallout eines Nuklearunfalls betroffene Gebiet im wesentlichen abhängig von den Windbedingungen. Bei den Computerberechnungen wird eine einfache partielle Differentialgleichung 2. Grades gelöst (dabei handelt es sich um die Helmholtz-Gleichung mit Masse; die Quellstärke ist die entscheidende Seite dieser Differentialgleichung 2. Grades, die gelegentlich auch als Diffusionsgleichung bezeichnet wird).

Außerdem wurde in Experimenten nachgewiesen, daß U-238-Partikel im Mikron-Bereich vom Wind mehr als 40 km (25 Meilen) weggetragen werden. Bei Unfällen in Kernkraftwerken wurde die Radioaktivität sogar mehrere tausend Kilometer vom Unfallort weggeweht. (So kam es beispielsweise 1957 zu einem Brand in der englischen Kernanlage Windscale [Sellafield], der von den britischen Behörden unter den Teppich gekehrt wurde. Die radioaktive Wolke aus diesem graphitmoderierten Kernreaktor wurde über London nachgewiesen, segelte über den Kanal, und verteilte sich schließlich über Kairo in Ägypten. In neuerer Zeit schlug sich die Radioaktivität vom Tschernbyl-Unfall über weiten Teilen Europas und sogar den USA nieder.)

In diesem Zusammenhang ist es besonders interessant, daß in der Umweltverträglichkeitsstudie die Windbedingungen überhaupt nicht berücksichtigt werden. In einem Szenario wird lediglich angenommen, daß sich das Plutonium über einem 0,18 km2 (7,18 x 10-2 Quadratmeilen) großen Gebiet niederschlägt. Das ist ungefähr eine 300 x 300 m (1.000 x 1.000 ft) große Fläche. Auch hier wird das Analyseergebnis auf drei Stellen genau und ohne Fehlerbalken angegeben - ein erneuter Beweis für die Ignoranz der beteiligten Ingenieure.

Wirklich entlarvend ist aber die Annahme, daß fast das ganze Plutonium auf dem Startgelände niedergehen würde. Gemäß der Studie wird nicht davon ausgegangen, daß Plutonium aus dem Startgelände entweicht. Mit anderen Worten haben die NASA-Ingenieure ein neues physikalisches Gesetz entdeckt: Während eines Raketenstarts hört der Wind auf zu blasen.

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Dennoch - jeder, der die Explosion der Challenger-Mission, der Delta-Rakete, usw. beobachtete, kann sich erinnern, daß durch die Explosion Raketenteile pulverisiert und über weite Entfernungen verteilt wurden. Augenzeugen, die vor kurzem die Explosion der Delta-Rakete miterlebten, berichteten, daß Schrottstücke mehrere Kilometer weit weggeschleudert wurden.

Und in der Tat haben Experimente, die mit Metalloxiden durchgeführt wurden, bewiesen, daß ein beträchtlicher Teil des Materials zu feinem Staub im Mikrometer-Bereich [Mikron] pulverisiert und vom Wind kilometerweit von der ursprünglichen Explosionsstelle weggetragen werden kann. Diese Mikron-großen Partikel sind deshalb besonders gefährlich, weil sie [nach dem Einatmen] Jahrzehnte lang in der Lunge verbleiben (sie sind zu klein, um von den Wimpernhäärchen der Lungen nach außen befördert zu werden). Das bedeutet, daß diese Partikel in unmittelbarer Nähe des [tief gelegenen] Lungengewebes ihre Strahlung abgeben und im Verlauf der Jahrzehnte zu Lungenkrebs führen.

2.1.3 Bevölkerungsdichte

Ein weiterer Grund für die niedrigen Opferzahlen in der Umweltverträglichkeitsstudie ist, daß von einer ziemlich niedrigen Bevölkerungsdichte ausgegangen wird. Bei dieser Berechnung stellt sich vor allem das Problem, welche Strahlendosis Krebs auslöst. Unstrittig ist, daß eine Strahlendosis von 5.000 manrem [50 Personen-Sievert] für einen Menschen zu Krebs führt. (Kritiker gehen allerdings davon aus, daß schon 300 manrem [3 Personen-Sievert] Krebs auslösen.)

Viel wichtiger für diese Berechnungen ist aber, daß in der NASA-Studie einfach von einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte pro Quadratkilometer ausgegangen wird. Das widerspricht dem Anspruch, einen GAU zu berechnen, bei dem der Wind das Plutonium beispielsweise zu einer Großstadt trägt.

In der Umweltverträglichkeitsstudie wird z.B. davon ausgegangen, daß bei einem Unfall in der Startphase 5 über Afrika pro 1.000 Menschen lediglich mit einem Risiko von 1,5 x 10-4 [0,0015] gerechnet werden müsse [d.h. mit 15 Krebsfällen auf 100.000 Menschen]. Das ist selbst für Afrika ziemlich wenig. Um gar nicht erst davon zu reden, daß die Trägerrakete in der Startphase auch fehlzünden und auf eine abweichende Flugbahn geraten kann, was zu einem Absturz überall auf der Erde, also auch außerhalb Afrikas, führen kann.

Bei einem Unfall in der Startphase 1 würde das Plutonium in einem Gebiet freigesetzt, das von 100.000 Menschen bewohnt wird. Bei windigem Wetter könnte das Gebiet der fünf umliegenden Landkreise kontaminiert werden, in denen mehr als eine Million Menschen wohnen.

2.2 Vorbeiflug an der Erde (fly-by)

Die größte Sorge bezüglich einer möglichen Freisetzung von Plutonium bereitet der Vorbeiflug an der Erde (fly-by).

Die Cassini-Sonde wird mit 68.000 km/h (40.000 Meilen/h) um die Erde rasen. Das ist deutlich mehr als die Fluchtgeschwindigkeit von der Erde, die etwas über 42.000 km/h (25.000 Meilen/h) liegt, und viel schneller als sämtliche Meteoriten. Kommt es auch nur zum kleinsten Fehler bei der Berechnung der Flugbahn, kann Cassini beim Eintritt in die Erdatmosphäre verbrennen und einen großen Teil der Erde mit Plutonium kontaminieren. Es gibt ausreichend experimentelle Beweise dafür, daß Satelliten ohne Hitzeschutzschild beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen. Aber auch für diesen Fall geht die NASA in der Umweltverträglichkeitsstudie von einer geringen Plutoniumfreisetzung aus.

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2.2.1 Quellstärke

In der Studie wird eingeräumt, daß in den oberen atmosphärischen Schichten etwa 32 - 34 % des Plutoniums freigesetzt würden. Allerdings wird dieses Gefährdungspotential dann wieder weggewischt: Die Gesamtmenge wird nämlich auf die gesamte Erdbevölkerung umgerechnet. Dabei wird einfach ignoriert, daß die gleichmäßige Verteilung des Plutoniums in der Atmosphäre ziemlich lange dauert und sich das Nuklearmaterial bis dahin über bestimmten Erdteilen konzentrieren kann.

Dann wird in der Umweltverträglichkeitsstudie berechnet, wie das übrige Plutonium auf der Erde ankommt, und auch hierbei werden die wirklichen Risiken heruntergespielt.

Die NASA unterteilt das herabfallende Nuklearmaterial zunächst in drei Kategorien: Auftreffen auf Fels, auf Erde und auf Wasser. Dann wird die prozentuale Verteilung auf der Erde berechnet. So geht die NASA beispielsweise davon aus, daß 4 % des Plutoniums auf Fels aufprallen, 21 % auf Erde und 75 % auf Wasser.

Das ist eine recht eigenwillige Methode zur Berechung eines GAUs, da die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit den Folgen dieses Unfalls durcheinandergebracht weden. Die Überlegung, wieviel Prozent der Erde Fels, Erde und Wasser sind, gehört in den Bereich der Berechnung einer Unfallwahrscheinlichkeit, nicht in die Analyse eines GAUs.

Für die Analyse eines größten anzunehmenden Unfalls muß per Definition das größtmögliche Risiko berücksichtigt werden. In diesem Fall bedeutet das, daß das ganze Plutonium auf Fels aufprallt - das ist schließlich das schlimmste Szenarium. Anstatt also davon auszugehen, daß 4 % des freigesetzten Plutoniums auf Fels aufprallen, muß bei der Berechnung von 100 % ausgegangen werden.

Zum zweiten wird in der Studie berechnet, wieviel Prozent des Plutoniums bei einem Aufprall auf Fels, Erde und Wasser freigesetzt würden. Auch diese Zahlen sind aus der Luft gegriffen, ohne solide Basis. In einem Szenarium wird beispielsweise angenommen, daß bei einem Aufprall auf Fels das gesamte Plutonium freigesetzt würde, bei einem Aufprall auf Erde 25 % und beim Aufprall auf Wasser 0 %. Für diese Annahme wird aber keine Begründung gegeben - weil es nämlich keine gibt.

In diesem Zusammenhang muß noch einmal erwähnt werden, daß die Folgen eines RTG-Eintritts in die Erdatmosphäre bei 68.000 km/h noch nie experimentell überprüft wurden. Bis das der Fall ist (wobei das Plutonium durch einen anderen Stoff ersetzt werden müßte), sind alle genannten Zahlen reine Spekulation.

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2.2.2 Vom Fallout betroffenes Gebiet

In der NASA-Studie wird die kontaminierte Fläche für den Fall eines Plutoniumunfalls mit 2.000 km2 angegeben. Das entspricht in etwa einer Fläche von 44 x 44 km (27 x 27 Meilen).

In der Ergänzung der Umweltverträglichkeitsstudie (Supplemental Environmental Impact Statement, SEIS) vom April 1997 wurden die ursprünglich angenommenen 2.300 Krebstoten auf 120 Todesopfer herunterkorrigiert (S. 2-19). Das wirkt seltsam, bis klar wird, daß die Ausgangsschätzungen der NASA noch konservativer geworden sind. Anstelle einer kontaminierten Fläche von 2.000 km2 wird jetzt nur noch von einem geradezu winzigen Gebiet von 7,9 km2 ausgegangen. Das entspricht einer Fläche von 2,7 x 2,7 km (1,7 x 1,7 Meilen). In anderen Worten: Die ergänzende Umweltverträglichkeitsstudie geht davon aus, daß Cassini mit 68.000 km/h brennend aus dem Weltraum auf die Erde herunterstürzt, voll in`s Schwarze trifft und dort dann auch bleibt, natürlich ohne jegliche Windbewegung.

Die Korrektur der kontaminierten Fläche entspricht einer Verringerung um den Faktor 250, eine Zahl, die - wiederum ohne jeden Hintergrund - aus dem Hut gezaubert wird. Da verwundert es nicht mehr, daß auch die Opferzahl um den Faktor 20 von 2.300 auf 120 heruntergerechnet wird.

2.2.3 Bevölkerungsdichte

Auch hier geht die NASA-Studie von einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte aus und ignoriert damit die Tatsache, daß es auf der Erde Gegenden gibt, in denen viele Millionen Menschen leben. So wohnen z.B. in einem Umkreis von 80 km (50 Meilen) um Manhatten etwa 20 Millionen Menschen, das sind circa 8 % der gesamten Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Ähnliche oder höhere Bevölkerungsdichten gibt es auch in anderen Ländern der Erde, beispielsweise in Tokio, Mexiko City und Shanghai.

3. Berechnung der Risiken

Die Methoden, mit denen in der Umweltverträglichkeitsstudie die Wahrscheinlichkeit eines GAU der Cassini-Mission berechnet werden, wurden von der Nuklearindustrie entwickelt (beispielsweise Ereignisablaufanalyse, Fehlerbaumanalyse und Monte-Carlo-Verfahren).

Diese Verfahren werden zwar in der Industrie üblicherweise angewandt, wurden allerdings durch die reale Geschichte von Kraftwerksunfällen widerlegt. Der Unfall von Three Mile Island [in Harrisburg, USA, 1979] war z.B. ein Unfall der Klasse IX, der in der Studie WASH-1400 des Massachusetts Institute of Technology [= Rasmussen-Studie des MIT] eigentlich nicht vorgesehen war, da nicht mit dem Bruch kleinerer Leitungen gerechnet wurde.

Diese Analysemethoden haben aus mehreren Gründen einen Beigeschmack:

1. Menschliches Fehlverhalten und Konstruktionsfehler.

Die meisten größeren Unfälle passen nicht in das einfache Muster einer Fehlerbaumanalyse. (...) Eine Analyse bisheriger Unfälle zeigt, daß die Computerberechnungen häufig in die Irre führen und uns in einer falschen Sicherheit wiegen:

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- Der Unfall von Three Miles Island wurde durch menschliches Versagen (der Techniker interpretierte die Fehleranzeige des Abblaseventils falsch) sowie durch Konstruktionsfehler (fehlender Wasserstandsanzeiger im Kühlwasserbehälter und mangelhafte Auslegung der Fehleranzeige für das Abblaseventil) verursacht. Dieser Fehler war in der Studie WASH-1400 nicht vorgesehen, da sich diese auf den Bruch großer Leitungen beschränkt.

- Die Katastophe von Tschernobyl wurde durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst, als die Kraftwerksingenieure und ihre Vorgesetzten die Steuerstäbe manuell aus dem Reaktorkern fuhren. Außerdem spielten auch hier Konstruktionsmängel eine Rolle, da bei dem graphitmoderierten Reaktor immer die Gefahr eines positiven Leistungsanstiegs der Reaktivität besteht. Während des Unfalls, als der starke Temperaturanstieg zu einem weiteren Leistungsanstieg führte, führte die fehlende Notabschaltung zu einem exponentiellen Anstieg des Neutronengehalts und somit zum Entstehen eines Dampf-Wasserstoff-Gemisches, das schließlich explodierte und das Dach der Reaktorhalle wegblies.

- Das Weltraumteleskop Hubble wurde mit einem falsch geschliffenen Spiegel in den Weltraum geschickt. Auch dieser Fehler wurde durch menschliches Versagen verursacht. Unter anderem legte ein Arbeiter in Danbury, Connecticut [USA] bei der Spiegelfertigung ein Lineal falsch herum an, so daß der Spiegel falsch geschliffen wurde. Das Besondere an dieser Geschichte ist, daß der Fehler später zwar festgestellt aber nicht behoben wurde. Erst als sich Hubble bereits im Weltraum befand, wurde das Problem erkannt und mußte für teures Geld repariert werden - was dem Ruf der NASA sehr schadete.

- Star Wars. Aufsehen erregte ein Fehler, der beim Testen eines Lasersystems im Rahmen von Star Wars [dem Krieg der Sterne-Programm der Reagan-Regierung] mit Hilfe des Space Shuttle passierte. Dabei wurde von Hawaii ein Laserstrahl ausgeschickt. Aufgrund menschlichen Versagens (die amerikanischen Meilen wurden falsch in Meter umgerechnet) wurde das Shuttle im Weltraum nicht auf Hawaii hin sondern von Hawaii weg ausgerichtet und konnte den Laserstrahl daher nicht empfangen.

Die größte Gefahr bei dem alledem ist, daß die Ingenieure anfangen, ihren eigenen Computerberechnungen zu glauben, die eigentlich nur Anhaltspunkte und keine Naturgesetze liefern können. Dadurch werden sie zu sorglos und übersehen naheliegende Probleme.

2. GIGO.

Im Amerikanischen gibt es den Ausdruck "garbage in, garbage out". [Müll rein, Müll raus; d.h. wenn der Computer mit fehlerhaften Daten gefüttert wird, kann er keine brauchbaren Ergebnisse liefern.] Selbst bei Verwendung des größten Supercomputers kann die NASA keine zuverlässigen Schlüsse ziehen, wenn die Ausgangsdaten falsch sind. So kann man mit einem Supercomputer zwar genau berechnen, wieviele Engel auf einer Nadelspitze tanzen können. Aber diese Zahl ist selbst dann unsinnig, wenn sie auf drei Stellen genau berechnet wird, da sich über die Ausgangsvoraussetzung prächtig streiten läßt.

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3. Außerdem geht die NASA in der Umweltverträglichkeitsstudie davon aus, daß sie Probleme auf der Basis von Ereignisablaufanalysen modellieren kann. In Wirklichkeit entstehen aber die meisten Unfälle durch Zusammenwirken mehrerer Fehler, Abstimmungsfehler, menschliches Versagen und Konstruktionsfehler. Leider können derart komplexe Unfallszenarien auch mit großen Computern nicht realistisch modelliert werden.

4. Das schwächste Glied: die Titan IV-Rakete

Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Das schwächste Glied bei Cassini ist die Titan IV-Trägerrakete, die bei 20 Start bereits ein Mal versagte. Im Schnitt versagen Trägerraketen etwa ein Mal bei 70 Starts. Außerdem sind von 23 [US-amerikanischen] Missionen mit Plutoniumgeneratoren bereits drei schief gegangen, bei einer wurde eine beträchtliche Strahlenmenge freigesetzt. Jeder Mensch auf der Erde hat Partikel aus dem SNAP 9A-Satelliten im Körper. Durch den Unfall des SNAP 9A ist auch die Belastung der Atmosphäre mit Plutonium-238 deutlich gestiegen.

5. Woher kommt die Zahl 1:1.000.000?

In der Umweltverträglichkeitsstudie wird in der Regel eine Unfallwahrscheinlichkeit von etwa 1:1.000.000 angegeben. Bei Durchsicht der Studie wird auch schnell klar, woher diese Zahl kommt. Im wesentlich bezieht sie sich auf die Wahrscheinlichkeit, daß Cassini mit einem kleinen Meteoriten zusammenstößt. Fehler bei der Datenübertragung, Probleme mit der Bodenkontrolle, usw. kommen dagegen in der Studie kaum vor. Das widerspricht allen Erfahrungen, die bisher mit Satelliten gemacht wurden.

Natürlich ist ein Zusammenstoß mit einem Meteoriten möglich, aber ein Unfall wird viel wahrscheinlicher durch menschliches Versagen oder technische Fehler verursacht. So wurden z.B. vor kurzem Schätzungen bekannt, daß die internationale Weltraumstation Alpha innerhalb der 15 Jahre, die sie die Erde umkreisen soll, mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit von einem Meteoriten getroffen. Das ist eine ernstzunehmende Gefahr. Die bisherigen Erfahrungen in der Weltraumfahrt zeigen aber, daß bei fast allen Missionen die wirklichen Gefahren vom Menschen und von der Technik ausgehen, wenn z.B. falsche Befehle an den Satelliten geschickt werden, wenn Übertragungsgeräte versagen, wenn sich Sonnenpaddel nicht richtig entfalten, usw. Solche Probleme lassen sich aber kaum mit Computern simulieren.

Außerdem wird mit der Zahl 1:1.000.000 suggeriert, daß eine Million Mal ein Cassini in den Weltraum geschickt wird und es dabei nur zu einem einzigen Unfall kommt. Das ist natürlich Unsinn. Deutlich gesagt: Die Wahrscheinlichkeitsrechnungen der NASA sind bestenfalls ein Wunschtraum. Die Zahl 1:1.000.000 kaschiert die Hoffnung der NASA mit vorgeblich wissenschaftlichen Ergebnissen.

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6. Die Berechnung der Alternativen

In der Umweltverträglichkeitsstudie wird der halbherzige Versuch unternommen, Alternativen zur Plutoniumnutzung zu analysieren. Da für die Energieversorgung lediglich 800 Watt benötigt werden - das entspricht dem Energieverbrauch von acht Glühbirnen - dürfen die Alternativen nicht vernachlässigt werden.

Unbestritten steht im tiefen Weltraum kaum noch Sonnenlicht zur Verfügung. In der Entfernung des Saturn beträgt der Lichteinfall nur noch 1 % im Vergleich zur Erde (in Watt/m2). Die Diskussion dreht sich also darum, ob die 800 Watt für diese Mission alternativ auch mit Solar- und Brennstoffzellen erzeugt werden könnten.

Auf S. 2-56 der NASA-Studie wird behauptet, daß Cassini für den Start 59 kg (130 amerik. Pfund) zu schwer sei, wenn der Satellit mit großflächigen Sonnensegeln ausgestattet würde. (Die Titan IV ist für eine Last bis zu 6.234 kg [13.743 amerik. Pfund] ausgelegt). Diese Rechnung ist aber unvollständig, da folgende Punkte nicht berücksichtigt werden:

- Den Satelliten abspecken. Wenn der Satellit 59 kg zu schwer ist, bietet es sich geradezu an, 59 kg weniger Geräte mitzuschicken. Das bedeutet zwar, daß einige Experimente entfallen. Da Cassini aber der Rolls Royce unter den Satellitenmissionen ist, erhalten die Wissenschaftler auch mit etwas weniger redundanten Experimenten noch exzellente Ergebnisse. Dies wäre eine mögliche Lösung.

- Die neue NASA-Philosophie anwenden. Die neue Philosophie der NASA lautet "schneller, billiger, besser". Die Mission Mars Observer beispielsweise war ein Milliarden-Dollar-Flop: riesig, teuer, endlose Vorlaufzeit. Die neuen Mars-Missionen hingegen wurden abgespeckt; jetzt wird angestrebt, häufiger kleinere Missionen zu starten. Die Mission zum Saturn sollte dieser Philosophie folgen und deutlich abgespeckt werden. Dann können häufiger kleinere Missionen zum Saturn gesendet werden, die mit Solarenergie auskommen.

Bei Cassini handelt es sich also um ein Relikt der alten NASA-Philosophie, nur alle zehn Jahre eine teure Mission in den Weltraum zu schicken. Da es nur so wenige Missionen gab, führte diese Philosophie dazu, daß der einzelne Satellit mit Experimenten überladen wurde, und daher war die Stromversorgung durch RTGs eine logische Schlußfolgerung. In Übereinstimmung mit der neuen NASA-Philosophie sollten aber häufiger kleinere und billigere Satelliten zum Saturn geschickt werden, die dann sehr wohl mit Solarenergie betrieben werden können.

- Der Saturn verschwindet nicht. Natürlich würde es durch die Alternativen zu Verzögerungen kommen, aber der Saturn verschwindet nicht. Es öffnen sich andere sogenannten Startfenster. Angesichts der Möglichkeit, Flyby-Manöver um andere Planeten einzubeziehen und die Flugbahn jederzeit zu beeinflussen, öffnen sich sogar ständig neue Startfenster.

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- Solar- und Brennstoffzellen kombinieren. In der Umweltverträglichkeitsstudie wird nur die getrennte Nutzung von Solarzellen oder von Brennstoffzellen untersucht, nicht eine Kombination der beiden Möglichkeiten. Die Brennstoffzellen könnten dann Energie liefern, wenn die Sonneneinstrahlung für die Solarzellen bereits zu gering ist.

7. Schlußfolgerungen und Empfehlungen

Wir alle leben in einer Welt voller Risiken. Jeden Tag, wenn wir in ein Auto oder Flugzeug einsteigen, gehen wir ein Risiko ein. Entsprechend sollten wir mit der Beurteilung von Risiken vorsichtig sein.

Der Unterschied ist bei Cassini aber, daß wir das Risiko nicht freiwillig eingehen, wie beispielsweise beim Autofahren. Niemand hat die US-Bürger je gefragt, ob sie die mit der Mission verbundenen Risiken eingehen wollen. Die Entscheidung wurde von NASA-Bürokraten gefällt, nicht vom Volk.

Außerdem sterben bei einem Autounfall schlimmstenfalls einige Menschen. Aber niemand hat der Bevölkerung der Vereinigten Staaten erzählt, daß bei einem Plutoniumunfall Tausende sterben können.

Der selben Mentalität entspringt der Umgang mit der Zahl von 2.300 Todesopfern in der Umweltverträglichkeitsstudie. Die NASA erklärt, daß diese Zahl angesichts der Menge von Krebsopfern in der ganzen Welt nicht weiter auffällt. Das ist ein merkwürdiges Argument. Mit dem selben Argument könnte man auch Massenmord rechtfertigen. Da jedes Jahr sowieso mehrere tausend Menschen einen gewaltsamen Tod sterben, macht es keinen Unterschied mehr, wenn ein Massenmörder noch einige hundert mehr umbringt. Das geht nach dieser Logik im allgemeinen Geschehen unter...

Natürlich haben wir alle ein Interesse an einem lebensfähigen, vitalen Weltraumprogramm zur Erforschung des Universums. Allerdings sollten wir dafür sorgen, daß dabei niemand gefährdet wird. Da die US-amerikanischen Steuerzahler für das Programm zahlen, haben sie auch ein Recht, die wahren Risiken zu kennen. Sie sollten wissen, daß die Unfallrisiken unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert werden.

Leider wird den Bürgern ständig erzählt, daß die Unfallwahrscheinlichkeit 1:1.000.000 oder sogar 1:1.000.000.000 beträgt. Sie werden sich betrogen vorkommen, wenn bei der Weltraumfahrt dann doch einmal die große Katastrophe eintritt. Das würde zu einem Rückschlag führen, da die Menschen zurecht den Eindruck hätten, daß sie von den NASA-Bürokraten angelogen werden. Das könnte das Ende des Weltraumprogramms bedeuten - und das wäre wirklich schlimm für die Wissenschaft.

Noch gar nicht erwähnt wurden bislang mögliche Vermögensschäden durch einen solchen Unfall. So entwichen beim Unfall von Three Mile Island beispielsweise nur 13 Curie Iod [0,5 TeraBecquerel] (verglichen mit 400.000 Curie [14,9 PetaBecquerel], die bei der Cassini-Mission mitgeführt werden), die Rechtsstreitigkeiten nach dem Unfall beliefen sich aber auf $ 2 Mrd.

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Cassini - Inhalt
Selbst wenn bei einem Plutoniumunfall nur geringe Mengen radioaktiven Materials entwichen, würde dies zu einem drastischen Werteverlust von Immobilien führen. Bei einer größeren Freisetzung von Radioaktivität müßte die gesamte Umgebung evakuiert und die Erde abgegraben und in großen Fässern verpackt werden, es müßten Häuser abgerissen und landwirtschaftliche Erzeugnisse beschlagnahmt werden, usw. Das ist die Lektion, die wir aus Tschernobyl gelernt haben. Der Vermögensschaden von Hausbesitzern und Landwirten rund um Cape Canaveral könnte sich auf dutzende Milliarden Dollar belaufen.

Daher ist es die Pflicht von Kritikern, das Weltraumprogramm vor den NASA-Bürokraten zu schützen.

Leider macht die NASA den schlimmsten Fehler, den ein Wissenschaftler überhaupt machen kann: Sie glaubt ihren eigenen Presseerklärungen. Beim flüchtigen Lesen der Umweltverträglichkeitsstudie könnte man zum Schluß kommen, daß sich die NASA mit der Analyse viel Mühe gegeben hat. Aber bei der Überprüfung der Berechnungen ist man geschockt, mit wie vielen Vermutungen, vagen Annahmen und heruntergespielten Risiken die NASA-Studie gespickt ist.

Ein echter Wissenschaftler arbeitet mit Fehlerbalken und Vertrauensniveaus für die gelieferten Zahlen. Ein sorgfältiger Wissenschaftler handelt auf keinen Fall so wie die NASA:

- Sie hat das Unfallszenario nicht umfassend getestet.

- Sie kaschiert ihr Unwissen mit aus der Luft gegriffenen Zahlen.

- Sie verwendet diese erfundenen Zahlen in Computerprogrammen, die die wahren Risiken aus menschlichem Versagen nicht messen können.

- Sie veröffentlichen die Ergebnisse mit drei Stellen Genauigkeit, ohne Angabe von Fehlerbalken, Vertrauensniveaus, oder Hinweisen auf Vermutungen.

Dies grenzt an wissenschaftliche Unredlichkeit.

Deshalb wundert es nicht, daß die NASA in der Umweltverträglichkeitsstudie durchweg zu ganz geringen Opferzahlen bei einem GAU kommt.

Am einfachsten ließe sich das Problem durch die kombinierte Nutzung von Solar- und Brennstoffzellen lösen. Dafür muß der Satellit um 59 kg abgespeckt werden. Dies liegt zugleich auf der neuen NASA-Linie "schneller, besser, billiger". Die Cassini-Mission ist aber noch ein Relikt aus alten Tagen.

In einem neuen Programm zur Erforschung der Planeten würden die Satelliten abgespeckt und dafür häufiger gestartet - und sie würden mit Solarenergie arbeiten.



Dr. Michio Kaku ist Inhaber der Henry Semat - Professur für theoretische Physik an der City University of New York

E-Mail:   regina.hagen@jugendstil.da.shuttle.de



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