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vom:
08.07.1998


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Rüstungsexport:

  Hintergrund-Informationen

Auswirkungen von Rüstungsexporten in die Dritte Welt

Erhard Hornberger

Entgegen dem Abwärtstrend bei den Militärausgaben der hochindustrialisierten Länder seit dem Ende des Kalten Krieges, stiegen die Aufwendungen für das Militär in den Ländern der sogenannten Dritten Welt seit Anfang der 90er Jahre an. Zwischen 1989 und 1991 erhöhte sich der Anteil der Dritten Welt an den Weltmilitärausgaben von 18 auf 23 Prozent [vgl. SEF 95: 392]. Rüstungsexporte aus den Industrieländern spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Im folgenden soll der Frage nach den Auswirkungen von Rüstungsexporten auf die Länder der Dritten Welt nachgegangen werden.


Eine kohärente, generelle Beantwortung dieser Frage ist allerdings sehr schwierig. Dem steht, neben der unterschiedlichen Wirkungsweise und militärischen Verwendbarkeit der Waffensysteme sowie anderer Rüstungsgüter, auch die Differenziertheit der Länder der Dritten Welt hinsichtlich ihrer sozio-ökonomischen Entwicklung sowie der innen- und außenpolitischen Lage entgegen. Einige allgemeine Aussagen können jedoch trotzdem getroffen werden:

1. Der Kauf und die Lizenzproduktion von Waffen führen zu einer Belastung der Zahlungsbilanz sowie des Staatshaushaltes des importierenden Landes. Somit werden Mittel gebunden, die alternativ für eine zivile Industrie-, Agrar- bzw. Sozialpolitik verwandt werden könnten.

2. Waffenlieferungen tragen zum Fortbestand und zur Eskalation bestehender Kriege und Konflikte bei.

3. Sie fördern die Militarisierung von Politik und Gesellschaft.

4. Rüstungsexporte schaffen eine militärisch-technologische Abhängigkeit des belieferten Dritte Welt Landes von dem exportierenden Staat.

Eine große Zahl der Länder der Dritten Welt litt in den 80er und 90er Jahren unter einer drückenden Außenverschuldung. Außerdem wiesen viele dieser Länder eine negative Zahlungsbilanz auf, was zu Devisenknappheit und infolge dessen zu einer weiteren Schuldenanhäufung führte. Von IWF und Weltbank wurde den verschuldeten Dritte Welt Ländern einerseits eine Politik der Begrenzung der Staatsausgaben im Inneren - die sogenannte Austeritätspolitik - und andererseits eine Politik der Liberalisierung des Außenhandels verordnet. Mit der Gründung der WTO (World Trade Organisation) wurde die neoliberale Politik institutionalisiert. Die Beschränkung der Ausgaben für das Militär gehört bis heute nicht zu dem Auflagenkatalog, den die internationalen Finanzinstitutionen für die Sanierung des Staatshaushaltes und der Zahlungsbilanz von krisengeschüttelten Ländern der Dritten Welt bereit halten.

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Dabei wirkt sich der Kauf von Rüstungsgütern sowohl auf den Staatshaushalt als auch auf die Zahlungsbilanz des importierenden Landes negativ aus. Ein entgegengesetzter Effekt tritt nur dann ein, wenn ein Land über den Export von in Lizenz produzierten Rüstungsgütern einen Teil der damit verbundenen Kosten externalisieren kann. In der Praxis spielt dies jedoch für die meisten Dritte Welt Staaten keine bedeutende Rolle. Die Externalisierung von Kosten der Rüstungsproduktion ist allerdings das zentrale ökonomische Motiv für die Rüstungsexportpolitik der Industrieländer.

Die Militärausgaben von 45 der Industrie- und Dritte Welt Länder - darunter befinden sich u.a. Nigeria, Indonesien, Jamaika, Costa Rica, Mexiko, Somalia, Algerien, Argentinien, Brasilien, Schweiz, Spanien und Österreich - liegen zwischen weniger als einem und zwei Prozent des BSP. 55 Staaten wie z.B. USA, BRD, die meisten Länder der EU, Indien, Kuba, Chile, China, Sri Lanka, Tansania, Haiti, Nicaragua, Philippinen, Vietnam und Ägypten - verwenden zwischen zwei und fünf Prozent des BSP für das Militär. Immerhin 19 Länder - Ruanda, Pakistan, Liberia, Iran, Türkei, Libyen, Israel u.a. - geben zwischen fünf und zehn Prozent des BSP für das Militär aus. Die Gruppe der Länder, die mehr als zehn Prozent des BSP für das Militär aufwenden, umfaßt 16 Staaten. Davon gehören, neben den reichen Ländern Kuwait, Saudi Arabien und Quatar, vier Staaten - Äthiopien, Afghanistan, Mosambik und Kambodscha - mit einem BSP pro Kopf von unter 200 US-$ zu den ärmsten Ländern der Erde.

Diese relativen Zahlen sagen jedoch wenig über die tatsächliche Größe des jeweiligen Militärapparates aus. So wendet z.B. Japan bei nur einem Prozent des BSP 18.4 Milliarden US-$ für sein Militär auf. Demgegenüber betragen die Militärausgaben Nordkoreas bei 27 Prozent des BSP in absoluten Zahlen 5.4 Milliarden US-$ [vgl. SEF 95: 393]. Japans Militär verfügt also über die nahezu vierfache Summe, verglichen mit Nordkorea, bei einer weitaus geringeren finanziellen Belastung der Volkswirtschaft.

Nach der Zählweise der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung gab es im Jahr 1995 weltweit 35 Kriege und 15 kriegerische Konflikte [vgl. Schlichte 96: 11], wobei seit dem Zweiten Weltkrieg eine steigende Tendenz auszumachen ist. Die Mehrzahl dieser Kriege und kriegerischen Konflikte werden nicht zwischen, sondern innerhalb von Nationalstaaten ausgetragen. Prinzipiell - hierüber gibt es sicherlich keinen Dissens - tragen Rüstungsexporte an die Konfliktparteien zum Fortbestand und zur Eskalation von Kriegen und kriegerischen Konflikten bei. Allerdings muß dabei nach Art und Umfang der Exporte unterschieden werden. Der Export von Lizenzen für den Bau von U-Booten an die Türkei durch die Kieler Firma HDW tangiert beispielsweise den Krieg in Kurdistan nicht direkt. Trotzdem kann diese Art des "business as usual" als eine verpaßte Chance gewertet werden, über Exportrestriktionen in deeskalierender Weise auf den türkischen Staat einzuwirken. Demgegenüber stellt z.B. die Lieferung von russischen Radpanzern und von mehr als 250.000 Gewehren des Typs Kalaschnikow plus Munition aus den Beständen der ehemaligen NVA eine Unterstützung des türkischen Staates dar, die durch den Einsatz dieser Waffen in Kurdistan zur Perpetuierung des Krieges beiträgt und damit eine friedliche Konfliktlösung erschwert.

Von zentraler Bedeutung sind also die "Waffen der Kriege", d.h. Rüstungsgüter, die in bestehenden Kriegen und kriegerischen Konflikten zum Einsatz kommen. In Ausnahmefällen können dies auch Großwaffen sein, doch meistens handelt es sich hierbei um sogenannte Kleinwaffen. Panzer, Flugzeuge, Kriegsschiffe und anderes Großgerät machen zwar den Löwenanteil der von den Dritte Welt Staaten insgesamt für Rüstungsimporte ausgebenen Summen aus, doch die weitaus verheerendere Wirkung geht von den in der Mehrzahl der Kriege und Konflikte eingesetzten Kleinwaffen aus [vgl. Lock 95]. Kleinwaffen sind alle Waffen, die von einer Person transportiert werden können. Darunter fallen Pistolen, Gewehre, Panzerfäuste, Landminen bis hin zu bestimmten Lenkflugkörpern. In Somalia zeigte sich z.B., daß die breitgestreute Verfügung über Kleinwaffen und deren Einsatz durch marodierende Banden den Zusammenbruch jeglicher Staatlichkeit bewirken kann. Insbesondere der Einsatz von Landminen - Anti-Personen-Minen und Anti-Panzer-Minen - führt selbst Jahre nach dem Ende von bewaffneten Konflikten bzw. Kriegen zu grausamem Leid und Tod sowie besorgniserregenden sozialen und ökonomischen Folgewirkungen. Kambodscha z.B. gehört zu den am stärksten mit Minen verseuchten Ländern der Erde. Im Inneren des Landes und hauptsächlich entlang der 700 km langen Grenze zu Thailand sind schätzungsweise vier bis sieben Millionen Landminen verlegt. Kambodscha hält den traurigen Weltrekord von einer Amputation auf 236 Einwohner. Vergleichsweise ist in den USA nur jeder 22.000ste Einwohner amputiert.

Die sozialen Folgewirkungen des Einsatzes der billigen Landminen sind enorm: Familien wird - insbesondere in Subsistenzökonomien - durch den Verlust bzw. die Verkrüppelung arbeitender Angehöriger oftmals die Existenzgrundlage entzogen, die Agrarwirtschaft der betroffenen Länder kommt teilweise zum Erliegen, das ohnehin oftmals nur rudimentär ausgebaute Gesundheitssystem wird überfordert, es entstehen Fluchtbewegungen und die Repatriierung von Flüchtlingen wird, wie im Fall von Kambodscha, blockiert. In Folge des Landmineneinsatzes wird die sozio-ökonomische Entwicklung des betroffenen Landes und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung erschwert, wenn nicht unmöglich [vgl. MET REPORT 1993].

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Auch wenn in den derzeitigen Kriegen und kriegerischen Konflikten hauptsächlich Kleinwaffen zum Einsatz kommen, die meisten Kriege innerstaatlich sind und Großwaffen dabei eine untergeordnete Rolle spielen, ist der Export von Großgerät keineswegs unbedenklich. Der Golfkrieg sowie die Kriege in Ex-Jugoslawien und in Tschetschenien zeigten, daß sowohl zwischenstaatliche Kriege als auch der Einsatz von Großwaffen für die Zukunft nicht auszuschließen sind. Daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Rüstungsexporten und dem Ausbruch von Kriegen nicht festgestellt werden kann, besagt nicht, exportierte Waffen würden im Falle eines Konflikts nicht eingesetzt. Die Waffen möglicher Kriege sind potentiell immer diejenigen, über die die beteiligten Militärs verfügen.

Ob das Militär und damit der Einsatz von Waffen zu einem Mittel der Innen- bzw. Außenpolitik eines Staates wird, ist zum einen davon abhängig, inwieweit er überhaupt ein entsprechendes militärisches Instrumentarium besitzt und zum anderen, welche Alternativen dem Staat bzw. der Politik zur Verfügung stehen. Die Aufstellung und Erhaltung eines Militärapparates verursacht enorme Kosten. Die hierfür aufgewandten finanziellen Mittel sind damit nicht für zivile Regulierungen von innen- sowie außenpolitischen Konflikten verfügbar.

Wenig bzw. nicht industrialisierte Länder der Dritten Welt wie die Staaten Mittelamerikas sowie Teile Südamerikas, Afrikas und Asiens wären ohne Rüstungsimporte nicht in der Lage, ein mit modernen Waffen ausgerüstetes Militär aufzustellen. Ohne Rüstungsexporte der Industrieländer wäre z.B. der blutige Krieg des guatemaltekischen Militärs gegen die indigene Bevölkerung des Landes mit über 70.000 Todesopfern nicht möglich gewesen. Doch selbst industrialisierte Länder, die nicht eindeutig der Dritten Welt zuzuordnen sind, wie die Türkei, oder Schwellenländer wie Indonesien benötigten und benötigen weiterhin die Unterstützung der hochindustrialisierten Länder für die Aufrechterhaltung ihrer militärischen Machtmaschinerie und den Ausbau eines eigenen militärisch-industriellen Komplexes. Rüstungsexporte ermöglichen also und perpetuieren die Militarisierung von Politik und Gesellschaft.

Die Militarisierung der Länder der Dritten Welt mittels Rüstungsexporten schafft zugleich eine militärisch-technologische Abhängigkeit dieser von den liefernden Staaten. Es entstehen Bindungen an die rüstungsexportierenden Nationen, die diesen Staaten Einfluß auf die Politik des belieferten Landes sichern. Diese Abhängigkeit wird allerdings abgeschwächt durch die Konkurrenzsituation auf dem internationalen Waffenmarkt. Nicht aufgehoben, sondern nur abgeschwächt wird die Abhängigkeit deswegen, weil erstens die Entscheidung für ein bestimmtes Waffensystem auch den Kauf von Ersatzteilen, Wartung, Upgrades, Ausbildung etc., d.h. eine längerfristige Bindung an den Lieferer, impliziert. Zweitens kann einem Dritte Welt Staat der Zugang zum internationalen Waffenmarkt durch eine gemeinsam getragene Entscheidung der exportierenden Länder erschwert oder nahezu unmöglich gemacht werden.

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In der Regel kommt es jedoch äußerst selten zu einem funktionierenden internationalen Waffenembargo, was der Krieg in Ex-Jugoslawien wieder einmal verdeutlichte. Ausnahmen, wie das Waffenembargo gegenüber dem Irak in der Folge des Zweiten Golfkrieges, zeigen allerdings, daß die hochindustrialisierten Länder durchaus fähig sind, dieses Instrumentarium zu nutzen, um ein Land in die "neue Weltordnung" zu zwingen. Unterhalb dieser Schwelle sind die politischen und ökonomischen Interessen der exportierenden Staaten sowie deren Industrie, wenn auch nicht immer deckungsgleich, so doch kompatibel mit den Interessen der nach Rüstungsgütern nachfragenden Staaten der Dritten Welt. So wird z.B. nur ein minimaler Anteil der Rüstungsexportanträge deutscher Firmen vom Sicherheitsrat der BRD abgelehnt. Trotz der oftmals verheerenden Folgen für die Dritte Welt heißt es nicht rien ne va plus, sondern anything goes!



Literatur:


- Lock 95: Peter Lock; Kriege im Wandel. Neue Anforderungen an die Politik. Überlegungen am Beispiel von Landminen und Kleinwaffen. Ein Diskussionspapier. Im Auftrag von terre des hommes BRD e.V., 1995


- MET REPORT: Health & environmental effects of military activitys, Medical Educational Trust (Hg.), London, Febr. 1993


- SEF 95: Stiftung Entwicklung und Frieden; Globale Trends 1996, Ingomar Hauchler (Hg.), Frankfurt am Main, 1995

- Schlichte 96: Klaus Schlichte, Dietrich Jung und Jens Siegelberg;

- Das Kriegsgeschehen 1995. Analysen und Tendenzen, Interdependenz Nr. 20, Hamburg, 1996


Erhard Hornberger ist Mitarbeiter der BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!" in Bremen

E-Mail:   rexbuko@oln.comlink.apc.org
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