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18.05.1999


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zu: Kosov@: Reden gegen den Krieg

Rede zum Ostermarsch in Calw

Peter Strutynski

Ostermontag, 5. April 1999

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde!

Vielleicht bin ich euch noch eine Erklärung schuldig, warum ich einen gewissen Sinn darin sehe, am Ostermarsch 1999 nicht in meinem Wohnort Kassel, wo ich seit 20 Jahren ununterbrochen an den Ostermärschen dabei war, sondern im baden-württembergischen Calw teilzunehmen. Kassel ist die Metropole Nordhessens, einer Region, die bei uns etwas despektierlich "Hessisch-Sibirien" genannt wird, nicht nur wegen des etwas rauheren Klimas, sondern auch wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Strukturschwäche und der hohen Arbeitslosigkeit, die hier herrschen. Eine Region übrigens auch, die sich wegen ihrer Nähe zur ehemaligen DDR besonderer Beliebtheit bei der Bundeswehrführung erfreute, da solche Landstriche für die Ansiedlung von Militäreinrichtungen, von Garnisonen, Munitionslagern und von Rüstungsindustrie besonders geeignet erschienen. In der Region um Kassel sind einige Bundeswehreinheiten stationiert, die zu den sog. Krisenreaktionskräften gehören, jenen 53.000 Soldaten, die für Kampfeinsätze jenseits der Landes und Bündnisverteidigung ausgebildet werden. Einige Hundert Soldaten aus nordhessischen Garnisonen absolvieren mittlerweile ihren Dienst in Mazedonien. Von Calw weiá ich, dass hier jenes Kommando Spezialkräfte ausgebildet wird, das in ganz besonderer Weise als Eliteeinheit auf gefahrvolle Einsätze in Krisengebieten rund um den Globus vorbereitet wird, sodass sich der Protest der Friedensbewegung in Baden-Württemberg aus gutem Grund gegen diese Speerspitze deutscher Interventionstruppen richtet. Richtig betrachtet, ist Calw - nicht die Stadt, nicht die Menschen hier, sondern der militärische Auftrag der KSK - nichts anderes als die Vorbereitung des Verfassungsbruchs in Permanenz. (Ich werden darauf noch zurückkommen.)

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Ich bin auch gerne hierher gekommen, weil es zwischen Kassel und der baden-württembergischen Friedensbewegung eine mittlerweile sehr feste und kontinuierliche Verbindung gibt, und zwar in Form der jährlich in Kassel stattfindenden "Friedenspolitischen Ratschläge", auf denen sich jeweils am ersten Wochenende im Dezember hunderte von Friedensaktivisten aus ganz Deutschland zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch treffen, darunter nicht wenige auch aus Stuttgart, Heilbronn, Heidelberg, Tübingen, Mannheim, Konstanz, Freiburg, Kornwestheim. Vielleicht ist das nächste Mal auch jemand aus Calw dabei.

Die Freundinnen und Freunde vom Friedensnetz Baden-Württemberg haben mich gebeten, in meiner Rede auf das Thema einzugehen: "Müssen deutsche Soldaten die Weltwirtschaftsordnung verteidigen?" Damit habt ihr mich aus zwei Gründen in die Bredouille gebracht: Erstens kann ich die Frage auch nicht schlüssig beantworten. Es sei denn, wir begnügen uns mit einem einfachen "Nein". Deutsche Soldaten haben gemäß ihrem Gelöbnis keine Wirtschaftsordnung, schon gar nicht eine "Welt"-Wirtschaftsordnung zu verteidigen, sondern einzig und allein ihr "Vaterland", die Bundesrepublik Deutschland. Auch der Bundeskanzler wird bei seinem Amtsantritt nicht darauf vereidigt, die Interessen von Daimler-Chrysler, VW, Siemens oder der Chemischen Industrie zu vertreten, sondern "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden" - ich sehe da nicht unbedingt einen Zusammenhang, habe aber das Gefühl, dass so mancher Bundeskanzler glaubte, die Interessen der Menschen dann besonders gut vertreten zu haben, wenn er sich zum Anwalt der großen Wirtschaftsunternehmen und ihrer Aktionäre machte. Dass sich die Interessen der Menschen, insbesondere der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen, der Rentner, der Schüler und Studierenden nicht so einfach mit den Interessen der Unternehmer vereinbarn ließen, musste schließlich auch der Dauerabonnent auf den Kanzlerposten, Helmut Kohl, einsehen, als er genau deswegen im vergangenen Herbst abgewählt wurde. Mir scheint allerdings, dass sein Nachfolger diese Lektion nicht gelernt hat.

Der zweite Grund, warum ich auf die Frage, ob deutsche Soldaten die Weltwirtschaftsordnung zu verteidigen haben, nicht so ausführlich eingehen werde, wie es vielleicht notwendig wäre, liegt darin, dass natürlich auch mich die aktuellen Kriegsereignisse so sehr beschäftigen, dass ich unbedingt darauf eingehen möchte.

Alle Kriege beginnen in den Köpfen der Menschen. Das wussten schon die mittelalterlichen Kreuzzugsritter, die ihre Raubzüge ins Heilige Land im Namen Christi, im Namen des Kreuzes gegen den islamischen Halbmond geführt haben.

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Das wussten die deutschen Imperialisten, die das deutsche Volk, einschließlich der Mehrheit der damaligen Sozialdemokratie, 1914 in den Weltkrieg getrieben haben mit der Lüge von der Doppelgefahr, bestehend aus der russischen Barbarei und dem französischen Revanchismus.

Das wussten auch die Nationalsozialisten, unter deren Schreckensregime die deutsche Bevölkerung systematisch mit dem Gift des Antisemitismus und Antibolschewismus geimpft wurde.

Und das wissen natürlich auch die modernen Kriegsvorbereiter, die in Bezug auf Jugoslawien an die besten Gefühle der Menschen appellieren, an ihr Mitleid, ihr Verantwortungsgefühl, ihre Moral und ihre Hilfsbereitschaft. Im Kosovo gelte es, so die seit Monaten transportierte Botschaft, eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern, ethnische Säuberungen und Massenmorde an der albanischen Bevölkerung im Kosovo zu stoppen und dem zum Hitler des Balkan stilisierten jugoslawischen Staatschef Milosevic das verbrecherische Handwerk zu legen. Nein, das ist keine sbertreibung. Am Samstag fand ich in den Stuttgarter Nachrichten wieder eine dieser unsäglichen Karikaturen, mit denen in "Stürmer"-Manier Hetze betrieben wird: Milosevic ist darauf zu sehen, wie er als gehörnter Satan in der Hölle Menschen bei lebendigem Leibe kocht und dabei als Rezeptbuch Hitlers "Mein Kampf" in der Hand hält. Auch der irakische Diktator Saddam Hussein ist 1990, nachdem er zuvor jahrelang in seinem Krieg gegen den Iran westliches Wohlwollen und westliche Waffenhilfe erhalten hatte, mit Hilfe der Massenmedien in kürzester Zeit zum "Hitler" des Nahen Ostens gemacht worden. Auf diese Weise wurde der Weg zum Golfkrieg 1991 bereitet.

Dem Politiker Joschka Fischer verdanken wir eine wichtige Erkenntnis, wie solche psychologischen Kriegsvorbereitungen zu bewerten sind. Fischer sagte: "Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, dass die Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen oder Anlässe schaffen werden, um die Barriere abzuräumen, die es gegenüber den militärischen Optionen der Außenpolitik des vereinten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienten dabei die Menschenrechts- und die Humanitätsfrage." Genauso sollte man es auch sehen. Das Problem besteht allerdings darin, dass das Zitat von Fischer aus dem Jahr 1994 stammt. Seither hat er sich ordentlich gemausert, oder um das noch klarer zu sagen: hat er die Seiten gewechselt.

Es steht mir nicht an, mich in die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei der GRÜNEN einzumischen, in denen es um die Frage geht, inwieweit die GRÜNEN den außenpolitischen Kurs der Bundesregierung gegenüber Jugoslawien mit ihren Grundsätzen in Übereinstimmung bringen können, oder ob das eben nicht mehr möglich ist. Ich möchte nur einen Kronzeugen zitieren, um zu zeigen, welche Seite sich auf die Programmatik der grünen Partei berufen kann. Und wer eignet sich besser als Kronzuge als Joschka Fischer, der - ebenfalls 1994 - sagte: "Jenseits aller Taktik lautet für mich die entscheidende Frage einer grünen Außen- und Sicherheitspolitik: Wie kann ein pazifistische und antinationalistische Partei eine Politik zur Verteidigung bedrohter Menschen und ihrer Recht entwickeln, ohne dabei ihre gewaltfreien Grundsätze aufzugeben.?"

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Genau das ist die Frage, die wir uns alle stellen müssen und die wir als Friedesnbewegung nach wie vor damit beantworten, dass Menschenrechte nicht geschützt werden können, indem das Völkerrecht gebrochen wird, dass Menschenleben nicht dadurch gerettet werden können, dass Kriege geführt werden. Das sind im Grunde genommen Binsenweisheiten, die aber heute selten Gehör finden.

Dabei liefert das Geschehen im Kosovo nachdrücklich und auf eine so tragische Weise den Beweis für diese Binsenweisheit. Haben nicht die Luftangriffe der NATO - nebenbei: die massivsten Luftangriffe und Bombardiereungen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg! - haben nicht diese Luftangriffe in den vergangenen 11 Tagen mehr Unheil über die Menschen im Kosovo gebracht als der über ein Jahr währende Bürgerkrieg? Ist nicht gerade jene "humanitäre Katastrophe" erst eingetreten, die die NATO in ihren offiziellen Verlautbarungen zu verhindern trachtete?

Ein Völkermord sollte militärisch abgewendet werden. Vier Tage nach dem Beginn der NATO-Bombardements stellt Verteidigungsminister Scharping fest: Jetzt ist der Tatbestand des Völkermords gegeben - er meinte damit natürlich nicht die Taten der NATO-Bomber und -Raketen, sondern die Untaten der jugoslawischen Armee. Das heißt aber doch auch: Vor den NATO-Angriffen war von "Völkermord" nicht die Rede. Bösartig gesagt: Die NATO-Luftangriffe haben erst den Anlass geschaffen, der zur Rechtfertigung von NATO-Angriffen hätte dienen sollen. Für mich ist das ein Musterbeispiel einer zynischen und eiskalt berechnenden Demagogie.

Doch eine solche Demagogie hat Methode, zumal auf dem Balkan.

Die Kohl-Genscher-Regierung hat sie mit ihrer Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien und damit der bewussten Internationalisierung eines zunächst innerjugoslawischen Konflikts begonnen;

die Kohl-Kinkel-Regierung hat sie fortgesetzt mit der massiven politischen Parteinahme für die Militärintervention 1995, in deren Gefolge z.B. 200.000 Serben ihre Heimat in der Krajna verlassen mussten;

und die rot-grüne Regierung scheint vollenden zu wollen, was Kohl sich noch nicht getraut hatte: Deutsche Kampfflieger bombardieren wieder Jugoslawien. Ausgerechnet eine sozialdemokratische Regierung, unterstützt von einem Koalitionspartner mit ehemals pazifistischem Hintergrund, begeht einen doppelten Tabubruch:

Erstens: Die Bundeswehr wird in einem Kampfeinsatz außerhalb des NATO-Bündnisgebiets, also "out of area", eingesetzt, und zwar nicht zu Verteidigungs-, sondern zu Angriffszwecken. Das verstößt so eindeutig gegen die Charta der Vereinten Nationen, gegen das Völkerrecht und damit gegen das Grundgesetz, dass ich mich über die Dreistigkeit des Bundesstaatsanwalts wundere, der eine entsprechende Klage gegen die Bundesregierung rundweg nicht zugelassen hat. Dabei schreit die Verletzung des Grundgesetzes geradezu nach einer Strafverfolgung, und ich kann all jene Meinungsäußerungen gut nachvollziehen, die die Soldaten zur Kriegsdienstverweigerung ermuntern.

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Der zweite Tabubruch hat mit der deutschen Geschichte zu tun. Noch für Bundeskanzler Kohl war klar, dass deutsche Soldaten in Ländern nicht eingesetzt werden sollten, die im Zweiten Weltkrieg Opfer der faschistischen Welteroberungpolitik geworden warn. Jugoslawien, das wissen wir spätestens seit der verdienstvollen Ausstellung über die "Verbrechen der Wehrmacht", hat unter der faschistischen Okkupation besonders gelitten. Die Zahl von 800.000 gefallenen und ermordeten Serben steht für diese Kriegsverbrechen, die noch heute in der serbischen Bevölkerung präsent sind.

Die NATO-Angriffe gegen Jugoslawien signalisieren darüber hinaus eine gefährliche Zäsur in der Nachkriegsgeschichte. Zum ersten Mal praktiziert das westliche Verteidigungsbündnis - das sich eigentlich mit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts Anfang der 90er Jahre überlebt hat - eine Doktrin, die es sich in drei Wochen, anlässlich des Jubiläumsgipfels zum 50-jährigen Bestehen der NATO, selbst geben will. Diese Doktrin, so viel wissen wir bereits trotz Geheimhaltung, sieht zwei wesentliche Änderungen vor:

Erstens: Die NATO, die an ihrer atomaren Ersteinsatz-doktrin festhält, soll, künftig auch Atomwaffen in Konflikten gegen Staaten einsetzen dürfen, die selbst nicht über Atomwaffen verfügen.

Zweitens - und das ist es, worauf es mir hier vor allem ankommt - wird die NATO Militäreinsätze außer zur Verteidigung auch dann vornehmen, wenn sie hierfür kein Mandat der Vereinten Nationen hat. Mit anderen Worten: Das Völkerrecht und die an völkerrechtliche Prinzipien gebundenen Institutionen und Instrumente der Staatengemeinschaft hat dann ausgedient. Die Vereinten Nationen erleiden ein ähnliches Schicksal, wie es der Völkerbund in den 30er Jahren erlitten hat.

Entsprechend dramatisch sind die Konsequenzen, die sich bereits heute andeuten. Ich möchte nur zwei Beispiele nennen: Russland hat die Kooperation mit dem NATO-Rat auf Eis gelegt und behält sich einen Ausstieg aus dem SALT-II-Vertrag zur Reduzierung strategischer Atomwaffen vor. Das ukrainische Parlament hat einen Antrag an die Regierung gestellt, ihren Verzicht auf Atomwaffen wieder rückgängig zu machen.

Und sollte die neue NATO-Doktrin Ende April verabschiedet werden, wer kann es dann und mit welchen Argumenten z.B. einer islamischen Staatengruppe verweigern, in irgend einem Land einzufallen, um die Rechte von Glaubensbrüdern zu schützen? Müsste nicht, was der NATO Recht ist, auch Russland, China, Indien oder Pakistan billig sein? Das Faustrecht, das Recht des Stärkeren träte an die Stelle des Völkerrechts - eine grauenhafte Vorstellung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert!

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Und wozu, so müssen wir nun fragen, dient die neue NATO-Strategie? Die Antwort dürfte auf zwei Ebenen liegen:

Einmal geht es darum, der westlichen "Wertegemeinschaft", als deren konzentrierter Ausdruck das Militärbündnis NATO angesehen werden muss, den überragenden politischen Einfluss, den sie zur Zeit in der Welt hat, auch für die Zukunft ein für allemal zu sichern. Nichts geht ohne die NATO: Das war die Botschaft von Dayton, das war auch die Botschaft von Rambouillet, als die NATO den sog. Verhandlungspartnern ihre Essentials diktierte. Unannehmbare Essentials zumal für die jugoslawische Seite, die einer Stationierung von NATO-Truppen im Kosovo nie zustimmen würde.

sbrigens enthält das Rambouillet-Diktat noch ein anderes interessantes Detail: Das Abkommen sieht die Einführung der "freien Marktwirtschaft" vor. Für die serbische Seite war das kein wesentlicher Streitpunkt. Ungewöhnlich ist es aber doch, dass in einem Friedens- oder Waffenstillstandsabkommen die Einführung kapitalistischer Wirtschaftsformen festgehalten wird.

Und damit bin ich auch schon bei der zweiten Ebene der neuen NATO-Strategie. Es geht der NATO um nicht weniger als die Sicherung der bestehenden "konomischen Verhältnisse, einschließlich der Macht der globalen Konzerne, gegenüber dem schwach oder gar nicht entwickelten Teil der Welt. Dazu müssen, wie es bereits in den gültigen militär-strategischen Prinzipien der NATO heißt, der "freie Welthandel" und die ungehinderte Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen" garantiert werden, notfalls eben mit Waffengewalt.

Hier schließt sich meines Erachtens der Kreis: Es geht der NATO und der Bundesregierung gar nicht in erster Linie um die Verteidigung der Menschenrechte im Kosovo. Wäre das so, dann hätten sich beide schon viel früher, nämlich seit 1990 der Probleme dieser Region annehmen können - mit nicht-militärischen, zivilen Mitteln, versteht sich. Die Probleme waren bekannt: Die politische Unterdrückung der albanischen Bevölkerungsmehrheit, deren soziale Benachteiligung und die offenen oder versteckten Menschenrechtsverletzungen, deren sich die jugoslawische Staatsführung schuldig gemacht hatte. Der jahrelange gewaltfreie Widerstand der Kosovo-Albaner erfuhr vom Westen keine nennenswerte Unterstützung. Der Westen reagierte erst, als die militärische Untergrundorganisation UCK auf den Plan trat. Sie erhielt Unterstützung in Form von Waffenlieferungen, die, wie der Friedensforscher Schmidt-Eenboom vor kurzem enthüllte, vor allem aus der Bundesrepublik stammte. Und man ließ sie auch gewähren, nachdem klar war, dass sie sich zum wichtigsten Drogenumschlagsplatz zwischen Asien und Europa entwickelt hatte.

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Damit soll nicht der Anteil der Milosevic-Regierung an dem fortdauernden Unrecht im Kosovo geschmälert werden. Die Friedensbewegung ist frei von einseitigen Parteinahmen, sie ist frei von nationalistischem Gedankengut. Unser Kampf gegen NATO-Bomben ist nicht gleichzusetzen mit einem Eintreten für das Regime in Belgrad. Nur: Wir verweigern uns auch einer einseitigen Propaganda gegen die Serben, gegen die Jugoslawen. Serben und Albaner müssen in Jugoslawien zusammen leben können. Davon ist das Land weiter entfernt als je zuvor, und die Schuld daran haben die repressive und nationalistische Zentralgewalt in Belgrad und die NATO-Staaten, denen nichts besseres einfällt, als mit Bomben und Raketen ein Land zu überfallen.

"Am Himmel die NATO, auf dem Boden Milosevic." So sehen es die "Frauen in Schwarz" in einem Brief, der vor wenigen Tagen in Belgrad verbreitet wurde. Die Menschen, die Zivilisten, die Frauen und Kinder, die Opposition in Jugoslawien, die sich eine menschlichere Gesellschaft und Politik wünscht, sind die eigentlichen Leidtragenden der Zerstörungswerks, das die NATO aus der Luft, und das die Milosevic-Armee und die albanische UCK auf dem Boden anrichten. Die Spirale der Gewalt dreht sich seither mit zunehmender Geschwindigkeit und stellt alles in den Schatten, was in den vergangenen 12 Monaten geschehen war.

Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Es gibt zu inneren und internationalen Konflikten jeglicher Art keine andere Alternative als die der zivilen, nicht-militärischen Prävention bzw. - falls es hierfür bereits zu spät ist - der zivilen Konfliktbearbeitung. Dies gilt selbstverständlich nicht nur im Kosovo, sondern in vielen anderen Teilen der Welt (von der Türkei bis Indonesien, von Nordirland bis Angola). Die Instrumente und Institutionen hierfür sind vorhanden und bekannt (z.B. UNO, OSZE), sie müssen nur eingesetzt werden. Wenn die NATO-Staaten ähnliche Anstrengungen auf die Stärkung ziviler Institutionen und Instrumente verwenden würden, wie sie sie hinsichtlich der Aufrechterhaltung ihrer militärischen Strukturen verwenden, wäre schon viel gewonnen. Für die Aufgaben der OSZE wird beispielsweise nur ein Tausendstel dessen bereitgestellt, was die NATO-Staten in ihre Militärmaschinen investieren.

Die eindeutige Absage der deutschen und US-amerikanischen Regierung an die jüngsten Vermittlungsergebnisse des russischen Premierministers Primakow lässt die Befürchtung zu, dass es der US-Administration vor allem um die Statuierung eines Exempels zu gehen scheint, eines Exempels mit zwei Komponenten: Einmal muss sich auch die europäische Politik in letzter Konsequenz an die politischen und militärischen Vorgaben der USA halten, und zum anderen wird faktisch vorweggenommen, was der NATO-Gipfel Ende April bei der Verabschiedung der neuen NATO-Strategie verkünden wird. Und Auáenminister Fischer, der nach eigenem Bekunden ja keine "grüne", sondern nur noch "deutsche" Außenpolitik betreibt, stellt sich nach dem Primakow-Besuch hin und verkündet: Die Deutschen dürften nicht den geringsten Verdacht aufkommen lassen, "wir ließen uns von den USA trennen." Ich nenne das: Vasallentreue bis zum bitteren Ende.

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Kosov@: Reden gegen den Krieg
Nun ist es natürlich möglich, dass die Allianz, die 1949 als reines Verteidigungsbündnis gegründet wurde, Risse bekommt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist der Kampfeinsatz der Bundeswehr gegen Jugoslawien längst nicht so mehrheitsfähig, wie es nach den einschlägigen Bundestagsentscheidungen schien. In der Bevölkerung, in den Regierungsparteien und im Parlament nehmen die Stimmen zu, die ein sofortiges Ende der Luftangriffe und eine Rückkehr zur Politik befürworten. Es ist eine Illusion zu glauben, politische Lösungen könnten im Angesicht des Krieges gefunden werden. Daher appellieren wir an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, in einer baldigen Sondersitzung die Beendigung der völkerrechtswidrigen Kampfeinsätze zu beschließen.

Die Friedensaktivitäten in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern werden auch nach den Ostermärschen weiter zunehmen. Da kö"nnen die Parteiführungen von GRÜNEN und SPD ihre Basis zu disziplinieren versuchen,

da können sich die Kirchenleitungen hin- und herwinden,

und da kann auch der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte staatstragend den Krieg verteidigen,

und da mögen noch so viele wohlmeindende Schriftsteller und Künstler ihre früheren pazifistischen Überzeugung außer Kraft setzen:

Unser Widerstand und unsere Argumente gegen die neue Weltordnung _ la Clinton, Blair und Schröder, die heute im Luftkrieg gegen Jugoslawien ausprobiert wird, stoßen allerorts auf großes öffentliches Interesse und auf eine wachsende Zustimmung in Teilen der Bevölkerung. Wir werden noch deutlicher den zunehmenden Willen zum Ausdruck bringen, den Krieg in Jugoslawien und das Morden im Kosovo zu stoppen. Es gibt keine Alternative zum Frieden.

Stoppt den Krieg!

Beendet das Morden!

Gebt der Politik, gebt den Menschen eine Chance!



Dr. Peter Strutynski, Friedensratschlag Kassel

E-Mail:   strutype@hrz.uni-kassel.de




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