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vom:
04.05.2001
Update: 30.05.2001


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NMD, Raketenabwehr stoppen!:

  Echo/Presse

ND-Gespräch mit Otfried Nassauer (BITS)

Rüstung: Es geht nicht nur um den ABM-Vertrag

Neues Deutschland (ND)

Die Ankündigung von USA-Präsident George W. Bush, das nationale Raketenabwehrprogramm (NMD) im Rahmen einer neuen Nuklearstrategie weiter voranzutreiben, sorgt nicht nur in Russland und China, sondern auch in den USA selbst und bei europäischen NATO-Partnern für Skepsis und Kritik. Besonders mit Blick auf den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen. Mit Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), sprach Olaf Standke.


Frage: Ist mit den jüngsten Ankündigungen von USA-Präsident Bush für eine neue Raketenabwehr das Ende des ABM-Vertrages eingeläutet?

Nassauer: Es ist wahrscheinlich nicht nur der ABM-Vertrag zur Begrenzung der Raketenabwehr, der hier in Frage gestellt wird, sondern der gesamte nukleare Rüstungskontroll- und Abrüstungsprozess, den wir unter dem Titel START kennen. Er passt nicht zum Modell einer "neuen Abschreckung", wie sie von Bush angestrebt wird.

Frage: Warum drängen Russland und China auf den Erhalt des ABM-Vertrages?

Nassauer: Beide fürchten, dass ihre strategischen Offensivwaffen entwertet werden. Stabilität auf Basis gegenseitiger Verwundbarkeit ist für sie der billigste und sicherste Garant gegen unipolare amerikanische Dominanz.

Frage: Muss man als Antwort ein neues Wettrüsten befürchten?

Nassauer: Ja und nein. Wahrscheinlich wird eine andere Art des Wettrüstens eingeleitet. Auf der einen Seite wird das von Bush angekündigte Programm zu einer schnelleren und auch radikaleren nuklearen Abrüstung führen. Andererseits beginnt eine neue Art,der Auseinandersetzung um strategische Fähigkeiten: Raketenabwehrsysteme, nukleare und konventionelle Offensivwaffen als Mix. Bush hat angekündigt, dass er von der nationalen Raketenabwehr (NMD) Clintons schrittweise zum Zusammenwirken nationaler und regionaler Systeme kommen will, möglicherweise mit Rückgriff auf Elemente des Reaganschen Star-Wars-Konzepts.

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Frage: Aber noch ist Bush sehr vage geblieben.

Nassauer: Das war freiwillige und bewusste Ungenauigkeit. Das von ihm angekündigte neue System von Rüstungskontrolle und Abrüstung verlangt, auch die Rolle von offensiven und defensiven Systemen neu zu bestimmen - und in Verträge zu gießen. Das wäre auch eine Chance. Mit den Konsultationen in den nächsten Wochen mit den NATO-Partnern, mit China und Russland will Washington ausloten, wie man diese Initiative besser verkaufen kann. Dabei wird man auch versuchen, Moskau und Peking etwa mit Zugeständnissen im Bereich Frühwarndaten oder im Bereich Informationsaustausch über Raketenstarts zu gewinnen. Ende, Mai, Anfang Juni will Bush eine zweite große Rede zum Thema halten. Dann ist auch mit ersten konkreten Details zu rechnen.

Frage: Auch die Bundesregierung strebt eine militärtechnische Teilhabe an. Bush hat zwar Konsultationen versprochen, aber will man sich wirklich Rüstungspartner ins Boot holen?

Nassauer: Ich denke, dass sich die Hoffnungen auf eine technologische, finanzielle oder sonstige Partipation größeren Umfangs im Hochtechnologiebereich genauso als Illusion erweisen werden wie schon zu Sternenkriegszeiten. Sie liegt nicht im Interesse der USA-Rüstungsindustrie.

Frage: Kritiker auch in den USA bezweifeln ohnehin die technische Machbarkeit dieses Projektes, bisherige Tests waren nicht sehr erfolgreich.

Nassauer: Technologisch lässt sich das noch schwer einschätzen. Allerdings scheint mir die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht funktioniert, deutlicher höher. Eines ist ohnehin sicher: Auch mit noch soviel Geld wird es die Bush-Administration nicht schaffen, einen hundertprozentig sicheren Raketenschild in den nächsten fünf oder zehn Jahren zu errichten. Selbst Verteidigungsminister Rumsfeld erklärt immer wieder, dass ihm auch ein System hinlänglich erscheinen würde, das weniger als perfekt funktioniert. Dahinter steckt das Bemühen, erst einmal den Wahlkampfversprechen gerecht zu werden und Zeit zu gewinnen, um künftig mit mehr Geld für Forschung und Entwicklung neue, "gemischte" Abwehrsysteme angehen zu können.

Frage: Wo sehen Sie denn realistische Alternativen zu Bushs verkündeten neuen nuklearen "Rahmenbedingungen"?

Nassauer: Die wichtigste wäre eine Politik, die, das von Bush deklarierte Ziel des Abschieds von der gegenseitig gesicherten Zerstörung, des Abschieds vom Gleichgewicht des Schreckens aus den Zeiten des Kalten Krieges, auf besserem Wege erreicht - nämlich ohne neue Aufrüstung, ohne Gefährung der strategischen Stabilität. Also Stärkung der Nichtverbreitungspolitik für Massenvernichtungswaffen. Ich erwähne hier nur die Chance, die sich daraus ergibt, dass die EU Verhandlungen mit Nordkorea führen will. .Notwendig wäre zum anderen eine Politik der konsequenten nuklearen Abrüstung. Russland wird im Jahre 2015 auf keinen Fall mehr 2.500 strategische Atomsprengköpfe, wie noch unter Start III vorgesehen, finanzieren können. Ich schätze, es reicht nicht einmal für 1.000. Hier muss man ansetzen. Dabei können einseitige Schritte durchaus Tempo machen. Aber sie müssen letztlich in vertragliche Strukturen eingebunden werden. Existieren keine vertraglichen Bindungen, ist jeder zu, jedem Zeitpunkt frei, nach eigenem Gutdünken auch wieder aufzurüsten.

Quelle: Neues Deutschland vom 4. Mai 2001



E-Mail:   otfried.nassauer@bits.de
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