Redebeitrag von Dr. med. Lars Pohlmeier (IPPNW) 18. November 2017, Bremer Marktplatz Bundesweiter Aktionstag zur Abschaffung von Atomwaffen

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

2005, New York, UN-Mission der Bundesrepublik Deutschland. Aus einer Gruppe von 40 deutschen Schülern, die gekommen waren, um die Verhandlungen um den Atomwaffensperrvertrag zu beobachten, empört sich ein junger Mann über den deutschen Leiter der UN-Mission Friedrich Gröning. „Wie können Sie es wagen, den zukünftigen Generationen dieses furchtbare Erbe des Atomzeitalters zu hinterlassen?“

Dieser antwortet: „Die Atomwaffen, die gehen nicht einfach so weg.“ Und jetzt passierte etwas für mich Unfaßbares: Gröning fing an zu weinen, kann nicht weiter sprechen und muss das Wort an seinen Mitarbeiter übergeben.

Man könnte dies als Zeichen der Frustration und Hoffnungslosigkeit bei der atomaren Abrüstung deuten. Man kann aber auch sagen: Es gibt junge Leute, die sich engagieren und empören. Und es gibt Politiker und Diplomaten, denen das Grauen und die Folgen der atomaren Hochrüstung nahegehen. 

Und das genau ist der Grund, warum wir mit unserer ICAN-Kampagne, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen in diesem Jahr etwas geschafft haben, was kaum einer für möglich gehalten hätte: Einen internationalen Vertrag, der den Einsatz von Atomwaffen ächtet!

Die Chronologie in aller Kürze: Der den meisten von Ihnen bekannte Atomwaffensperrvertrag von 1970 verpflichtet die Atomwaffenstaaten, ihre Atomwaffenarsenale abzuschaffen. Ich wiederhole: abzuschaffen (Artikel 6 des Vertrages). Diese Verpflichtung wird in erstaunlicher Einigkeit von den USA und Co und Rußland nicht eingehalten. Die NATO-Staaten, darunter leider auch unser Land, decken dieses schändliche Verhalten. Das Gremium, daß dieses Verhalten maßregeln könnte, der UN-Sicherheitsrat, wird ebenfalls von den USA und Rußland dominiert. Zwischenzeitlich drohte sogar der Kollaps des Vertrages. Bislang ist nur Nordkorea ausgetreten. Es könnte viel schlimmer sein. 

2013 initiierte die norwegische Regierung außerhalb der verkrusteten UN-Struktur eine Regierungskonferenz zu humanitären Fragen von Atomwaffeneinsätzen. Das Experten-Wissen haben wir eingebracht, die IPPNW-Ärzte, die wir seit 1962 zu diesem Thema arbeiten. Ganz wichtig: das Internationale Rote Kreuz und der Rote Halbmond nahmen als entschiedene Abrüstungsbefürworter ebenfalls teil. Die Konferenz mit fast 140 Regierungsvertretern, darunter auch Deutschland, wurde begleitet von einer großen Zahl von Friedens-Organisationen. Organisiert hat das ICAN. 

ICAN ist durch die IPPNW - die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - 2006 initiiert worden. Es ist ein Netzwerk von heute mehr als 450 zum Teil sehr unterschiedlichen Organisationen weltweit, auf allen Kontinenten. Den Kern bildet heute das Genfer ICAN-Büro und ein kleiner Kreis von Schlüsselorganisationen, die die kontinuierliche Planungsarbeit machen.

Der Ansatz ist ein humanitäres Anliegen: Wir wissen und mahnen: Die Auswirkungen von Atomwaffeneinsätzen heute hätten immer eine globale Dimension. Sie hätten nichts mehr zu tun mit Hiroshima und Nagasaki angesichts der viele tausendfach höheren Sprengkraft heutiger Atomwaffen. Hunderte von Millionen von Menschen auf der ganzen Wert wären durch Verstrahlung und Klimaveränderungen (Stichwort Nuklearer Winter) vom Tode bedroht. Ganz Europa könnte innerhalb von Stunden ausgelöscht werden. Deshalb muß ein Einsatz dieser globalen ultimativen Terrorwaffen, deshalb muß der Einsatz von Atomwaffen verhindert werden. Das geht nur durch deren vollständige Abschaffung. 

Die Osloer Konferenz von 2013 führte zu Nachfolgekonferenzen und der Erkenntnis: Es gibt eine neue Allianz der Gutwilligen, bestehend aus weit mehr als 120 Regierungen der Welt - ich nenne stellvertretend Österreich und Mexiko - gemeinsam mit dem Internationalen Roten Kreuz sowie ICAN, IPPNW und den weiteren Netzwerk-Organisationen der Friedensbewegung, zu denen lokal auch das Bremer Friedensforum zählt.

Ende 2014 war klar: Wir mußten jetzt zurück an die UN. Und tatsächlich gelang es gegen starken Druck vor allem den USA in der UN-Generalversammlung 2016 von 138 Staaten einen historischen Beschluß zu erreichen. Im Jahr 2017 sollte abschließend ein Ächtungsvertrag von Atomwaffen verhandelt werden.

Dieser Vertrag verbietet allen Mitgliedern, sich in irgendeinerweise an Atomwaffen zu beteiligen, sei es Stationierung, Produktion oder anderen Aspekten.  

Im Vertrag wird auperdem gefordert, daß man sich um die Opfer des Atomzeitalters kümmert und diese entschädigt. Das sind neben den Opfern von Hiroshima und Nagasaki auch die Opfer von fast 2000 Atomtests weltweit. Die IPPNW geht allein von 2,5 Millionen Toten durch Atomtests aus. Da sind andere Krankheitsfolgen gar nicht eingerechnet.  

Ich sage: Kein Politiker in einem demokratischen Gemeinwesen wie dem der Bundesrepublik Deutschland hat das Recht, die totale Zerstörung durch Atomwaffen zu decken oder zu rechtfertigen. Deutschland hat die moralische Verpflichtung, dem Ächtungsvertrag von Atomwaffen beizutreten. Es ist vermutlich der einzige Vertrag bei den Vereinten Nationen, dem Deutschland nicht beigetreten ist. Daß die Bundesregierung die Verhandlungen boykottiert hat und dem Vertrag bislang nicht beigetreten ist, ist eine Schande. Das muß und kann geändert werden. 

„Die Atomwaffen, die gehen nicht einfach so weg,“ sagte der UN-Diplomat. Es ist eben nicht einfach, aber es ist möglich. Und es gibt zur kontrollierten globalen Abschaffung von Atomwaffen  keine Alternative.  So geht es nicht weiter. Die ICAN-Kampagne hat zeigt uns: Es gibt einen Weg, wie Atomwaffen abgeschafft werden können. Allez ! Vamos ! Los gehts !

Danke

 

Dr. Lars Pohlmeier ist aktiv bei der Regionalgruppe Bremen der IPPNW.