15. Mai Internationaler KDV- Tag "Kurdistan“

von Franz Nadler

Auch wenn es immer mehr Staaten gibt, die zumindest formell für bestimmte Kategorien ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) akzeptieren, so muß doch fairerweise festgestellt werden: Das Menschenrecht auf KDV ist bislang noch in keinem Staat verwirklicht.

Auch in der BRD, mit der rechtlich besten Verankerung im Grundgesetz, wird die KDV von der staatlichen Überprüfung abhängig gemacht und werden anerkannte KDVer zur Erfüllung der Wehrpflicht im Zivildienst gezwungen. Der Anspruch des Staates über die Arbeitskraft und sogar über das Leben von Menschen zum Zwecke der Kriegführung verfügen zu können, führt dazu, daß gegen KDVer, die sich dem widersetzen, alljährlich Tausende von Bußgeldverfahren und über hundert Anklagen eingeleitet werden.

Da die Situation auch in anderen Staaten, zumindest in solchen mit Armeen und Wehrpflicht, nicht besser ist, arbeiten seit Anfang der 80er Jahre KDVer auf europäischer Ebene beim alljährlich stattfindenden Internationalen KDV-Treffen (ICOM) zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsamen Widerstand zu entwickeln. Das letzte ICOM fand 1993 erstmals, außerhalb Europas, in der Türkei, statt. Über 80 TeilnehmerInnen aus 17 Ländern waren von der Herzlichkeit, dem Einfallsreichtum und nicht zuletzt dem Widerstandswillen der gerade mal seit Dezember 1991 bestehenden türkischen KDV-Bewegung so angetan, daß man weitere Zusammenarbeit und Unterstützung beschloß. Seitdem  hat sich einiges getan:

Als in dem von der Türkei besetzten Nordzypern der Kriegsdienstverweigerer Salih Askerogul vor Gericht stand, fuhren zur Unterstützung zwei Prozeßbeobachter hin und wurden prompt für zwei Wochen inhaftiert, weil sie in Flugblättern die Anerkennung des Menschenrechts auf KDV gefordert hatten. Anschließend wurden sie des  Landes verwiesen. Askerogul wurde später zu 3 Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. In der Türkei wurde die in Izmir ansässige KDV-Organisation verboten; sie will sich nun aber erneut legalisieren.

Im Anschluß an ein Interview, das ein privater Fernsehsender mit zwei KDVern ausstrahlte, wurden zwei Reporter inhaftiert. Ein KDVer tauchte daraufhin unter, der andere muß sich vor Gericht verantworten: Die türkische Regierung will nun erklärtermaßen "das kurdische Problem" mit Krieg lösen. Und weil man sich zudem auch ein Eingreifen im kaukasischen Krieg vorstellen kann, ist man nicht mehr gewillt, die, so das Verteidigungsministerium "250.000 Wehrdienstflüchtigen" im Lande zu tolerieren. Bis Ende Februar 1994 haben sie sich bei den Behörden zu melden, wobei ihnen eine geringe Strafe in Aussicht gestellt wird; andererseits müssen sie, falls sie gefaßt werden, mit langen Haftstrafen und in der Praxis auch Folter rechnen. In Kurdistan gibt es für (junge) Männer de facto zwei Optionen: sich der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzuschließen oder der türkischen Armee. Für KDVer und Deserteure aus beiden Armeen bleibt da nur die Flucht, etwa in die Westtürkei, um dort unterzutauchen. Dies gilt auch für alle Minderheiten in Kurdistan und alle Nicht-PKK Anhängerlnnen.

Das ICOM Treffen hat nun beschlossen den Internationalen KDV-Tag (15. Mai) KURDIST zu widmen. Dazu wird gegenwärtig eine antimilitaristische, internationale Delegation zusammengestellt, an der auch Teilnehmerinnen aus der Westtürkei teilnehmen wollen , die im April zuerst nach Kurdistan fahren wird, um dort die Situation der Menschenrechte und die Widerstand gegen den Krieg leistenden Kräfte kennenzulernen. Anschließend wird die Delegation in der Westtürkei die dortigen KDV-Gruppen besuchen und Öffentlichkeitsarbeit leisten. Zum 15. Mai werden dann in möglichst vielen Ländern (mit den Teilnehmerinnen der Delegation) Veranstaltungen, Mahnwachen, Konzerte etc. für die KDV-Bewegung in Türkei/Kurdistan stattfinden.

In einer Zeit in der Rassisten in der BRD "Jagd auf Türken" machen, Frauen und Kinder überfallen und auch ermorden, in einer Zeit in dem dieser Rassismus  eine staatliche Protektion, etwa durch die Asylgesetzgebung oder das PKK Verbot erfährt, ist es für uns nur angemessen, die auch in der Friedensbewegung existierenden nationalen Barrieren zu überwinden und z.B. die Zusammenarbeit mit den auch in der BRD lebenden antimilitaristischen Türkinnen und Kurdinnen, den KDVern und Deserteuren zu suchen. Viele akzeptieren den Krieg in Kurdistan nicht und wollen auch deswegen nicht in der türkischen Armee dienen. Die türkischen Konsulate verweigern daraufhin die Verlängerung des Passes. In der Folge drohen ihnen in der Bundesrepublik das Ende der Aufenthaltsgenehmigung und der Arbeitserlaubnis sowie die Abschiebung. Selbst direkt aus dem Kriegsgebiet geflohene Deserteure können nicht legal einreisen und bekommen kein Asyl. Gleichzeitig werden die Waffen für den Krieg geliefert. Es ist an uns, diese traurige Realität zu benennen und zu verändern. Der 15. Mai kann ein Anlaß sein, dafür an die Öffentlichkeit zu gehen.

Weitere Informationen zu  den angeschnittenen Themenbereichen stellt die AG "KDV Im Krieg" zur Verfügung. Spenden helfen uns bei der Vorbereitung und Durchführung der Aktivitäten.

PS: Das nächste Internationale KDV-Treffen findet im Dezember in Kolumbien statt. Kontakt: AG "KDV im Krieg", Franz Nadler, Querstr. 23, 63065 Offenbach, Tel. 069815128, Fax: 069-845016.

Spendenkonto der AG "KDV Krieg": 162370 Ökobank Frankfurt, BLZ 500 901 00 (Stichwort: Türkei-KDV).

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