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Internationale Unterstützung lokaler Menschenrechtsgruppen am Beispiel der Arbeit des
Balkan Peace Teams in Kroatien
von
In vielen Ländern der Welt arbeiten Menschenrechtsorganisationen unter sehr schwierigen und oftmals extrem gefährlichen Bedingungen. Sie werden bei ihrer Arbeit systematisch von Behörden behindert, von anonymer (oder nicht so anonymer) Seite bedroht und oftmals, zum Beispiel in vielen Ländern Lateinamerikas und Asiens, verschwinden führende Mitglieder in Polizeikasernen und Gefängnissen oder fallen Anschlägen zum Opfer. Etliche internationale Organisationen haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese mutigen AktivistInnen in ihrer Arbeit zu unterstützen, indem sie internationale Präsenz bei Gerichtsverfahren, Demonstrationen oder der täglichen Arbeit der Gruppen organisieren. Einige wenige von ihnen gehen dabei über die Beobachtung hinaus und versuchen, durch aktive Begleitung (eskortieren) und Vermittlungstätigkeiten auf gewaltfreiem Weg Menschenrechtsverletzungen nicht nur zu dokumentieren, sondern sie zu verhindern, bevor sie geschehen. In früheren Ausgaben haben wir schon die Arbeit von Peace Brigades International vorgestellt; hier möchten wir als Beispiel die Arbeit des Balkan Peace Teams in Kroatien ausschnittsweise beschreiben.
Gewiss kann Kroatien nicht mit der Situation in Lateinamerika verglichen werden. Der Außerordentliche Berichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Herr Tadeusz Mazowiecki, kam kürzlich zu der Schlussfolgerung, daß es in der zweiten Hälfte 1994 zu einer "beachtlichen Abnahme der Verletzung des internationalen humanitären Rechts in Kroatien" gekommen sei, drückte aber deutlich "seine Sorge über ernsthafte Menschenrechtsverletzungen und ...diskriminierende Behandlung von ethnischen Minderheitengruppen sowie willkürliche Praktiken von Seiten der Behörden" aus.
Das Balkan Peace Team (BPT) ist ein internationales Projekt, das zwei Teams von Langzeit-Freiwilligen in Kroatien unterhält. Otvorene Oci, wie sich die Teams in Kroatien nennen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, lokale AktivistInnen zu unterstützen, die Friedens-und Menschenrechtsarbeit leisten. Solche Gruppen gibt es inzwischen in verschiedenen Städten, u.a. in Zagreb, Karlovac und Split. Otvorene Oci unterstützt ihre Arbeit gegen Menschenrechtsverletzungen, diskriminierende Behandlung und Behördenwillkür in verschiedenerlei Weise. Das Ziel dabei ist, ihren Handlungsfreiraum durch die Präsenz ausländischer BeobachterInnen zu vergrößern. In der Praxis bedeutet dies u.a., daß die Freiwilligen
- Ereignisse wie z.b. Gerichtsverhandlungen beobachten
- regelmäßige Kontakte zu Behörden unterhalten
- bereit sind, in sog. "Feuerwehraktionen" als BeobachterInnen bei Zwischenfällen anwesend zu sein
- lokale AktivistInnen in schwierigen und gefährlichen Situationen begleiten
- Informationen an relevante Institutionen weiterleiten und auf sie Druck auszuüben, aktiv zu werden
- Verbindungen zu anderen internationalen Organisationen herstellen.
Wenn Otvorene Oci zusammen mit VertreterInnen lokaler Menschenrechtsgruppen z.B. eine Gerichtsverhandlung besucht, versucht es, sich mit allen Parteien zu treffen. Auf diese Weise übt es nicht nur Einfluss als VertreterInnen einer internationalen Organisation aus, sondern demonstriert auch, daß es auch offen für die Sichtweise aller Seiten ist. Durch die direkte Teilnahme versetzt sich das Team in die Lage, später einen verlässlichen Bericht zu schreiben und zu veröffentlichen. Um ein paar Beispiele zu geben: Otvorene Oci beobachtete die Gerichtsverfahren bezüglich - des Bombenanschlags auf das Büro der Dalmatinischen Aktion, einer regionalen Oppositionspartei in Split. Sieben der neun Angeklagten waren Mitglieder der Partei und wurden beschuldigt, ihr eigenes Büro in die Luft gejagt zu haben;
- der Entlassung von 72 Personen durch die "Bank Split" wegen -.so die Klage - ihrer nicht-kroatischen Ethnizität
- der Klage von Herrn V.Seks, Vizepräsident der Republik Kroatien gegen den oppositionellen Intellektuellen Professor Viskovic, weil dieser Seks beschuldigt hatte, zu den faschistischen Kräften in Kroatien zu gehören.
Otvorene Oci befasst sich auch mit illegalen und gewaltsamen Wohnungsräumungen. Internationale Präsenz war manchmal in der Lage, solche Räumungen zu verhindern. AktivistInnen, die unter Druck stehen und oft bei ihrer Arbeit Angst haben müssen, gewinnen moralische Unterstützung und zu gewissem Grad auch tatsächlichen Schutz, wenn sie von einer/einem AusländerIn begleitet werden. Otvorene Oci hat Mitglieder von Menschenrechtsgruppen z.B. in folgenden Fällen begleitet:
- Ein Aktivist wollte die Zerstörung von nicht-kroatischen Häusern festhalten, die mit großer Sicherheit von kroatischem Militär gesprengt wurden. Otvorene Oci begleitete ihn in die entsprechende Stadt, damit er in Sicherheit Photos machen und Informationen für seinen Bericht sammeln konnte.
- Als ein Nicht-Kroate gekidnappt und von der Polizei misshandelt wurde, half ihm eine Menschenrechtsgruppe, das Land zu verlassen. Otvorene Oci begleitete ihn, in der Annahme, daß sie in Anwesenheit einer Ausländerin weniger Probleme mit den Behörden haben würden.
- Als Anfang Mai das kroatische Armee das Gebiet um Pakrac und Okucani in West-Slawonien zurückeroberte, begaben sich auf der Stelle VertreterInnen von Otvorene Oci in das Kriegsgebiet, um die Wahrheit über mutmaßliche Übergriffe des kroatischen Militärs festzustellen und durch ihre Präsenz gefährdeten Personen Schutz zu gewähren.
Dieser Artikel ist im Wesentlichen ein Auszug aus dem "Field Report II" von Otvorene Oci, dem kroatischen Team des Balkan Peace Teams.