Internationale Unterstützung lokaler Menschenrechtsgruppen am Beispiel der Arbeit des

Balkan Peace Teams in Kroatien

von Christine SchweitzerOtvorene Oci
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In vielen Ländern der Welt arbeiten Menschenrechtsorganisationen un­ter sehr schwierigen und oftmals extrem gefährlichen Bedingungen. Sie werden bei ihrer Arbeit systematisch von Behörden behindert, von anonymer (oder nicht so anonymer) Seite bedroht und oftmals, zum Beispiel in vielen Ländern Lateinamerikas und Asiens, verschwinden führende Mitglieder in Polizeikasernen und Gefängnissen oder fallen Anschlägen zum Opfer. Etliche internationale Organisationen haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese mutigen AktivistInnen in ihrer Arbeit zu unterstützen, indem sie internationale Präsenz bei Gerichtsverfah­ren, Demonstrationen oder der täglichen Arbeit der Gruppen organisie­ren. Einige wenige von ihnen gehen dabei über die Beobachtung hinaus und versuchen, durch aktive Begleitung (eskortieren) und Vermitt­lungstätigkeiten auf gewaltfreiem Weg Menschenrechtsverletzungen nicht nur zu dokumentieren, sondern sie zu verhindern, bevor sie ge­schehen. In früheren Ausgaben haben wir schon die Arbeit von Peace Brigades International vorgestellt; hier möchten wir als Beispiel die Ar­beit des Balkan Peace Teams in Kroatien ausschnittsweise beschrei­ben.

Gewiss kann Kroatien nicht mit der Si­tuation in Lateinamerika verglichen werden. Der Außerordentliche Bericht­erstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Herr Tadeusz Mazo­wiecki, kam kürzlich zu der Schlussfolgerung, daß es in der zweiten Hälfte 1994 zu einer "beachtlichen Abnahme der Verletzung des internationalen hu­manitären Rechts in Kroatien" gekom­men sei, drückte aber deutlich "seine Sorge über ernsthafte Menschenrechts­verletzungen und ...diskriminierende Behandlung von ethnischen Minderhei­tengruppen sowie willkürliche Praktiken von Seiten der Behörden" aus.

Das Balkan Peace Team (BPT) ist ein internationales Projekt, das zwei Teams von Langzeit-Freiwilligen in Kroatien unterhält. Otvorene Oci, wie sich die Teams in Kroatien nennen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, lokale Aktivi­stInnen zu unterstützen, die Friedens-und Menschenrechtsarbeit leisten. Sol­che Gruppen gibt es inzwischen in ver­schiedenen Städten, u.a. in Zagreb, Karlovac und Split. Otvorene Oci unter­stützt ihre Arbeit gegen Menschen­rechtsverletzungen, diskriminierende Behandlung und Behördenwillkür in verschiedenerlei Weise. Das Ziel dabei ist, ihren Handlungsfreiraum durch die Präsenz ausländischer BeobachterInnen zu vergrößern. In der Praxis bedeutet dies u.a., daß die Freiwilligen

- Ereignisse wie z.b. Gerichtsverhand­lungen beobachten

- regelmäßige Kontakte zu Behörden unterhalten

- bereit sind, in sog. "Feuerwehraktionen" als Beobachte­rInnen bei Zwischenfällen anwesend zu sein

- lokale AktivistInnen in schwierigen und gefährlichen Situationen beglei­ten

- Informationen an relevante Institu­tionen weiterleiten und auf sie Druck auszuüben, aktiv zu werden

- Verbindungen zu anderen internatio­nalen Organisationen herstellen.

Wenn Otvorene Oci zusammen mit VertreterInnen lokaler Menschenrechts­gruppen z.B. eine Gerichtsverhandlung besucht, versucht es, sich mit allen Par­teien zu treffen. Auf diese Weise übt es nicht nur Einfluss als VertreterInnen ei­ner internationalen Organisation aus, sondern demonstriert auch, daß es auch offen für die Sichtweise aller Seiten ist. Durch die direkte Teilnahme versetzt sich das Team in die Lage, später einen verlässlichen Bericht zu schreiben und zu veröffentlichen. Um ein paar Bei­spiele zu geben: Otvorene Oci beob­achtete die Gerichtsverfahren bezüglich - des Bombenanschlags auf das Büro der Dalmatinischen Aktion, einer regio­nalen Oppositionspartei in Split. Sieben der neun Angeklagten waren Mitglieder der Partei und wurden beschuldigt, ihr eigenes Büro in die Luft gejagt zu ha­ben;

- der Entlassung von 72 Personen durch die "Bank Split" wegen -.so die Klage - ihrer nicht-kroatischen Ethni­zität

- der Klage von Herrn V.Seks, Vize­präsident der Republik Kroatien ge­gen den oppositionellen Intellektuel­len Professor Viskovic, weil dieser Seks beschuldigt hatte, zu den faschi­stischen Kräften in Kroatien zu gehö­ren.

Otvorene Oci befasst sich auch mit ille­galen und gewaltsamen Wohnungsräu­mungen. Internationale Präsenz war manchmal in der Lage, solche Räumun­gen zu verhindern. AktivistInnen, die unter Druck stehen und oft bei ihrer Ar­beit Angst haben müssen, gewinnen mo­ralische Unterstützung und zu gewissem Grad auch tatsächlichen Schutz, wenn sie von einer/einem AusländerIn be­gleitet werden. Otvorene Oci hat Mit­glieder von Menschenrechtsgruppen z.B. in folgenden Fällen begleitet:

- Ein Aktivist wollte die Zerstörung von nicht-kroatischen Häusern fest­halten, die mit großer Sicherheit von kroatischem Militär gesprengt wur­den. Otvorene Oci begleitete ihn in die entsprechende Stadt, damit er in Sicherheit Photos machen und Infor­mationen für seinen Bericht sammeln konnte.

- Als ein Nicht-Kroate gekidnappt und von der Polizei misshandelt wurde, half ihm eine Menschenrechtsgruppe, das Land zu verlassen. Otvorene Oci begleitete ihn, in der Annahme, daß sie in Anwesenheit einer Ausländerin weniger Probleme mit den Behörden haben würden.

- Als Anfang Mai das kroatische Ar­mee das Gebiet um Pakrac und Oku­cani in West-Slawonien zurückero­berte, begaben sich auf der Stelle VertreterInnen von Otvorene Oci in das Kriegsgebiet, um die Wahrheit über mutmaßliche Übergriffe des kroatischen Militärs festzustellen und durch ihre Präsenz gefährdeten Per­sonen Schutz zu gewähren.

 

Dieser Artikel ist im Wesentlichen ein Auszug aus dem "Field Report II" von Otvorene Oci, dem kroatischen Team des Balkan Peace Teams.

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.