Friedensbildung

Bildung als Militärfreie Zone

von Benno Malte Fuchs
Schwerpunkt
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Die Präsenz der Bundeswehr an der Schule ist Teil einer psychologischen Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung. Es geht darum, Kriege zu legitimieren und Begründungen für die  Notwendigkeit einer Armee zu konstruieren.
Junge Menschen, die sich meist am Anfang ihres politischen Bildungsprozesses befinden, können tendenziell leichter empfänglich für Kriegspropaganda sein. Deshalb wird vom Verteidigungsministerium genau hier angesetzt: Ein Aspekt des umfangreichen Indoktrinationsprogramms, um Krieg wieder mehrheitsfähig zu machen, sind die seit über 60 Jahren in den Schulen präsenten Jugendoffizier*innen. Im Jahr 2018 waren 71 der 94 hauptamtlichen Stellen für Jugendoffiziere besetzt. 5.815 Veranstaltungen wurden insgesamt durchgeführt und 116.877 Schüler*innen und Student*innen von der Bundeswehr erreicht. (1) Jugendoffizier*innen sind nicht nur in den Schulklassen, sondern auch bereits in der Lehrer*innenausbildung tätig, um einen nahtlosen Austausch aus Kriegs- und Bildungssystem zu garantieren.

Die von den Jugendoffizier*innen mit den Schüler*innen behandelten Themen lassen einen westlichen Bias erkennen: Es geht unter anderem um Kriege „im Nahen und Mittleren Osten“ und in Afrika, den sogenannten „internationalen Terrorismus“, die atomaren Bewaffnungen Irans und Nord-Koreas, „vernetzte Sicherheit“, „die Annexion der Krim“, „Krieg in der Ukraine“, „russische Großmanöver“, „die Europäische Verteidigungsunion, die europäische Grenzsicherung“ und die „Möglichkeit einer europäischen Armee“. (2) Dieses Themenspektrum verschafft deutlich dem Anliegen der Bundeswehr Ausdruck, Werbung für imperialistische Kriegsführung zu betreiben. Es geht den Jugendoffizier*innen mit ihren Bedrohungsszenarien darum, eine Akzeptanz für und ein Gefühl von Normalität von Militarismus zu erhöhen. Das passiert oftmals auch auf eine subtile Art und Weise, die Lehrer*innen nicht immer sofort durchschauen können. Jugendoffizier*innen stellen sich dabei selbst als Expert*innen der Sicherheitspolitik und der politischen Bildung dar.

Gegenüber Kritik versucht die Bundeswehr oft eine Strategie der Vereinnahmung. Es wird auch gerne von der Politik gesehen, wenn Kontroversität vorgetäuscht wird, indem Angebote der Jugendoffizier*innen und der Friedensbildung Hand in Hand gehen.

Die Friedensbildung soll dabei den zwischenmenschlichen Bereich abdecken – Fragen von Mobbing und Konflikten auf der Mikroebene, während die Bundeswehr die internationale Ebene übernimmt. Hier geht es dann um „Friedens- und Freiheitseinsätze“, mit denen die Bundeswehr angeblich die Welt verbessert. Friedensbildung und die Bundeswehr an der Schule seien laut Deutschem Bundestag kein Widerspruch, da die Bundeswehr ein Element darstelle, das Regierungsziel ‚Frieden‘ umzusetzen. (3)

Um den Begriff der Friedensbildung zu retten, wäre eine inhaltliche Ergänzung um eine kritische und antimilitaristische politische Bildung notwendig, die ein wichtiges Kernthema ausmachen sollte. Für die Entwicklung dieser Konzepte müsste auch eine Zusammenarbeit mit Antimilitarist*innen möglich werden.

Die oben genannte Strategie der Vereinnahmung der Bundeswehr ist jedoch dann effektiv, wenn sich die professionelle Friedensbildung in Deutschland größtenteils aus Funktionär*innen aus dem gewerkschaftlichen, kirchlichen und auch staatlichen Kontext zusammensetzt, denen eine Abgrenzung zur Bundeswehr oft weniger wichtig ist als eine vermeintliche Stärkung der Friedensbildung. Bildungsministerien profitieren durch eine Zusammenarbeit mit Akteur*innen, die sich der Friedensbewegung zurechnen, da die Ministerien unter einem Rechtfertigungsdruck dafür stehen, mit der Bundeswehr zu kooperieren. In acht Bundesländern gibt es sogenannte Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den Bildungs- oder Kultusministerien. (4) Diese Vereinbarungen sollen den Jugendoffizier*innen erleichtern, einen Zugang zu den Schulen und zu Multiplikator*innen zu erhalten.

Doch was kann die Friedensbewegung dieser strukturellen und kulturellen Gewalt in unserem Bildungssystem entgegensetzen?
Eine effektive Strategie wäre es, einen Konsens in der Friedensbewegung über eine grundlegende Ablehnung gegenüber Militärpräsenz in unserem Bildungssystem zu erreichen.

Eine Möglichkeit in vielen Bundesländern ist es, Schulkonferenzen einzuberufen, bei denen Lehrer*innen und Eltern- und Schüler*innen-Vertretungen ihre Schule zur militärfreien Zone erklären.

Der Mehrzahl der Schuldirektor*innen fehlt eine antimilitaristische Haltung. Es wird oft argumentiert, die Bundeswehr sei Teil unserer Demokratie. Kriege sind jedoch keine demokratische Angelegenheit, da weder die Menschen hier noch die Menschen der Länder, die bombardiert werden, mehrheitlich für dieses Mordgeschäft gestimmt haben.

Wenn Gespräche nicht den gewünschten Erfolg verzeichnen, besteht die Möglichkeit, Proteste zu organisieren. Dabei sind die kleinen Anfragen im Bundestag von Ulla Jelpke (5) hilfreich, durch die Termine für Schulbesuche der Bundeswehr im Vorfeld bekannt werden. Das ermöglicht, direkte gewaltfreie Aktionen zu planen. Eine Zusammenarbeit mit lokaler Friedensbewegung, Eltern und Schüler*innen bringt oftmals die besten Ergebnisse. Es gibt in manchen Bundesländern Vernetzungen gegen die Militarisierung der Bildung. Z.B. die Bündnisse „Schule ohne Bundeswehr NRW“ (6) und „Bildung ohne Bundeswehr“ (7) in Hamburg, oder die Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden!“ in Baden-Württemberg.

Demonstrationen, Blockaden und Flash-Mobs sind nur eine kleine Auswahl der vielen Methoden, gewaltfreien Widerstand zur Militarisierung der Schule zu leisten. Es gab in der Vergangenheit hierbei schon Erfolge: Jugendoffiziere wurden wieder ausgeladen, da Direktor*innen Medienaufmerksamkeit von der Schule fernhalten wollten.

Darüber hinaus muss sich aber generell in der Bildungspolitik und -forschung etwas ändern. Es kann nicht sein, dass die Demokratie ausgehebelt wird, indem Steuerzahler*innen dafür aufkommen, dass unsere jungen Generationen scharf für Kriege gemacht werden. Die Bildungspolitik muss sich von der Kooperation mit der Bundeswehr lossagen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist der Beschluss der SPD Berlin vom März 2019: „Es wird militärischen Organisationen untersagt, an Berliner Schulen für den Dienst und die Arbeit im militärischen Bereich zu werben.“ (8) Die Propagierung der sicherheitspolitischen Wertvorstellungen des Verteidigungsministeriums scheint jedoch von der Bundeswehr nicht als Werbung definiert zu werden. Auch wenn es eine nahe Zusammenarbeit zwischen Jugendoffizier*innen und Karriereberater*innen gibt, perlt der Vorwurf, die Jugendoffizier*innen würden indirekt Werbung für den Beruf des*der Soldat*in machen, jedes Jahr aufs Neue von der Bundeswehr ab. Es wäre daher sinnvoller, bei zukünftigen Beschlüssen jegliche militärische Präsenz an Schulen zu verbieten: Schulen als militärfreie Zone!

Anmerkungen
1 Vgl. http://jugendoffizier.eu/wp-content/uploads/2019/07/Der-Jahresbericht-de...
2 s. oben
3 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/102/1910212.pdf
4 http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/124/1812462.pdf
5 https://www.ulla-jelpke.de/2019/12/bundeswehr-reklametermine-im-ersten-q...
6 https://www.schule-ohne-bundeswehr-nrw.de/
7 http://bildungohnebundeswehr.blogsport.de
8 https://parteitag.spd-berlin.de/cvtx_antrag/werbeverbot-fuer-alle-milita...
(Letzter Zugriff bei allen: 6.3.20)

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