Clownsarmee vor Gericht

von Martin Singe
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

(red) Im März 2008 verhandelte das Kölner Amtsgericht in einer denkwürdigen Verhandlung gegen drei Angeklagte aus der Clownsarmee. Diese hatten für Verwirrung im Arbeitsamt gesorgt und dort gegen die im Arbeitsamt durchgeführten Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr protestiert. Die Staatsanwaltschaft ging nach einer Strafanzeige durch den Arbeitsamtsleiter mit der Strafkeule des Hausfriedensbruchs gegen die Clowns vor. Wir dokumentieren die Verteidigungsrede und das Plädoyer eines der Angeklagten, die in eindrucksvoller Weise Einblick in clowneske Strategien bieten.

Einlassung
Am 28.06.2007 führte die Bundeswehr im Arbeitsamt auf Luxemburgerstraße eine Informationsveranstaltung durch. Zweck dieser Veranstaltung war es, neues Menschenmaterial für Kriege in aller Welt zu rekrutieren. Günstig wirkt sich für dieses Bestreben aus, dass Menschen in soziale Notlagen besonders zugänglich für die Verlockungen der Bundeswehr sind.

An diesem Tag fand sich auch eine kleine Schar uneinsichtiger Menschen ein, die noch nicht erkannt hatten, dass die Bundeswehr ihrem karitativen Auftrag nur nachkommen kann wenn sie immer weiter mit neuen Menschen aufgefüllt wird. Denn wo gehobelt wird, da fallen Späne und so ist auch die Bundeswehr nicht vor einem gewissen Schwund gefeit.

Als die Uneinsichtigen die Bundeswehr zunehmend mit schwerwiegender Kritik konfrontierten, wurde klar, dass eine derartige Eskalation der Meinungsfreiheit nicht länger zu tolerieren war. Auch von den eingesetzten Polizeikräften war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten, dass sie die Kritik in gewohnter Weise durch den Einsatz von Schlagstöcken in den Griff bekommen würden.

Als man im Hauptquartier der Kölner Clownsarmee von dieser prekären Situation erfuhr wurde sogleich ein Kommando der Allgegenwärtigen Clownesken Aufruhrbekämpfung (ACAB) in Bewegung gesetzt um vor Ort eine Krisenintervention durchzuführen. Bereits mehrfach hatte sich diese Spezialeinheit hervor getan, wenn es galt die bestehende Ordnung gegen Kritik und Veränderung zu verteidigen. Kurz darauf sprang über dem Arbeitsamt ein Kommando der Clowns mit dem Fallschirm aus einem rosa Meerschweinchen ab.

Vor Ort bot sich den Eliteeinheiten ein Bild des Schreckens: Tatsächlich hatten sich etwa 20 Demonstranten eingefunden um ihren Protest zu artikulieren. Für die Profis von der Clownsarmee war schnell klar, dass hier nicht nur das Ansehen der Bundeswehr in Gefahr war sondern darüber hinaus auch noch Zivilisten in abscheulicher Weise Gebrauch von ihren Grundrechten machten.

Der erste Befehl vor Ort orientierte sich am Ausmaß dieser Bedrohung und bestand folgerichtig darin, den gesamten Stadtteil Sülz zu bombardieren. Leider ließ sich dieser brillante Gedanke nicht in die Tat umsetzen da die gesamte Clowneske Luftwaffe an diesem Tag damit beschäftigt war Papierkügelchen in einen Papierkorb zu werfen.

Man entschied sich deshalb für eine zweigleisige Strategie. Eine Einheit sollte direkt in die Kampfhandlungen eingreifen und so die Polizisten vor Ort entlasten. Eine andere Einheit sollte die Demonstranten in Zivil unterwandern um so zu den Soldaten im Inneren des Gebäudes vorzudringen. Dieses grandiose militärische Manöver gelang der Clownsarmee und im Kampf Mann gegen Mann konnte die zu befürchtende Erstürmung des Arbeitsamtes verhindert werden.

Im Inneren des Arbeitsamtes allerdings kam es zu einer unerfreulichen Szene. Die dort eingesetzten Polizeibeamten kompensierten ihre voran gegangene Hasenfüßigkeit durch autoritäres Auftreten und forderten die Clownssoldaten auf, das Gebäude zu verlassen. Dieser Aufforderung konnte die Clownsarmee aus zwei Gründen nicht nachkommen. Zunächst einmal war das Verlassen der Räumlichkeiten aufgrund der labilen Sicherheitslage taktisch nicht zu verantworten. Darüber hinaus hatten die Clownssoldaten den Befehl, das Gebäude bis zum letzten Mann zu verteidigen und es versteht sich wohl von selbst, dass es für einen richtigen Soldaten undenkbar ist einen derartigen Befehl in Frage zu stellen. Denn auch in der Clownsarmee halten wir den Gehorsam für die wichtigste Tugend des Soldaten. Dies führte letztlich dazu, dass die Clownssoldaten von Polizisten aus dem Gebäude gedrängt wurden.

Das Verhältnis zwischen Clownsarmee und Polizei ist seit jeher angespannt. Ursache hierfür dürfte der latente Neid der Polizisten auf die gut ausgebildeten, gut genährten und vor allem gut aussehenden Einheiten der Clownsarmee sein. Auch bei der Polizei selbst wird dieses Problem gesehen. Kriminaloberkommissarin Schulze-Hobeling, eine ausgewiesene Expertin im Bereich Clownesker Aufruhrbekämpfung, gesteht in der Prozessakte auf Blatt 34 ein:

"Die Aktivisten sind stets sehr gut vorbereitet, aufeinander abgestimmt (Strategie!) und im Handeln als Gruppe sehr "effektiv". Die einzelnen Aktionsformen sind wandelbar, die Möglichkeiten unbegrenzt."
(Prozessakte, Blatt 34)

Deutlich ist aus diesen Zeilen heraus zu lesen, dass die Polizei in der Clownsarmee einen übermächtigen Konkurrenten in Sachen Repression sieht. Wir können deshalb nachvollziehen, dass die schlecht ausgebildeten Einheiten der Kölner Polizei mitunter unangemessen auf Clownseinsätze reagieren. Aber auch wenn wir ein solches Verhalten nicht gutheißenkönnen wollen wir Nachsicht zeigen und von rechtlichen Schritten gegen die Kölner Polizei absehen.

Im Übrigen ist der Vorwurf des Hausfriedensbruchs absurd. Immerhin werden hier einige Soldaten der Clownsarmee angeklagt und es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, dass eine Armee im Einsatz den Frieden bricht. Denn dazu ist sie schließlich da.

Rede der Verteidigung
Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Beweise sind so überzeugend, dass auch wir selbst nun an unsere Schuld glauben. Denn die Geschichte hat gezeigt, dass staatliche Behörden immer Recht haben. Der angeklagte Tatbestand wäre in diesem Fall weit mehr als ein einfacher Hausfriedensbruch.

In unserem gescheiterten Versuch die herrschende Ordnung gegen Kritik und Veränderung zu verteidigen haben wir uns selbst gegen diese Ordnung gestellt und so die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres geliebten Vaterlandes in ihren Grundfesten erschüttert. Wir möchten uns gar nicht vorstellen was alles hätte passieren können, wenn wir drei Angeklagten auch nur einen Moment länger im Arbeitsamt verblieben wären. Mit Sicherheit wären sämtliche Errungenschaften der abendländischen Kultur binnen weniger Sekunden vernichtet worden.

In sofern gilt unsere tiefe Dankbarkeit den Männern und Frauen, die sich in einem solchen Moment größter Gefahr für uns alle aufgeopfert haben um der Bedrohung Einhalt zu gebieten. Es ist an der Zeit, danke zu sagen:

Danke, liebe Polizei! Danke, dass Du die westliche Welt vor dem sicheren Untergang bewahrt hast.

In Anbetracht dieser Überlegungen scheint uns das zulässige Höchststrafmaß von zwei Jahren Freiheitsentzug geradezu lächerlich. Wir fordern die Staatsanwaltschaft deshalb dazu auf, den dargestellten Sachverhalt auf weiter reichende Strafbarkeit hin zu prüfen. Uns selbst drängt sich der Verdacht auf, dass wir auch noch eine ganze Reihe weiterer Straftaten begangen haben. Wir bitten die Staatsanwaltschaft folgende Anregungen aus dem Strafgesetzbuch zu notieren und bei der Umsetzung das gebotene Maß an Kreativität zu entwickeln:

§ 132 Amtsanmaßung

§ 125 Landfriedensbruch

§ 113 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

§ 90a Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole

§ 130 Volksverhetzung

§ 129 a Bildung einer terroristischen Vereinigung

§ 138 Nichtanzeige geplanter Straftaten

§ 109d Störpropaganda gegen die Bundeswehr

§ 100 Friedensgefährdende Beziehungen

§ 109h Anwerben für fremden Wehrdienst

§ 89 Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentlicheSicherheitsorgane

§ 87 Agententätigkeit zu Sabotagezwecken

§ 81 Hochverrat gegen den Bund

§ 80 Vorbereitung eines Angriffskrieges

Offensichtlich ist: Das Ausmaß unserer Schuld ist gewaltig. Wir möchten deshalb dieses Verfahren zum Anlass nehmen, die längst überfällige Diskussion über die Einführung der Todesstrafe wieder aufzunehmen.

Vielen Dank.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".