Der Krieg in der Elfenbeinküste

von Wolfgang Schreiber

Wie bei allen Kriegen ist auch im Fall der Elfenbeinküste die Vorgeschichte komplex: Wirtschaftskrise, Verschuldung, Demokratisierung und die Politisierung von Ethnizität spielen dabei eine Rolle. Das Land galt lange Zeit als das stabilste Land Westafrikas. Die frühere Einheitspartei spaltete sich nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Félix Houphou‰t-Boigny 1993 aufgrund der Rivalität zweier Parteiführer um die Nachfolge. Diese Spaltung spiegelte sich auch geografisch in der Unterstützung für die beiden Konkurrenten im Norden bzw. Süden des Landes wider.

Zur Absicherung der Macht bedienten sich die drei Staatschefs seit Mitte der 1990er Jahre - egal ob sie aus der früheren Einheitspartei stammten, durch einen Militärputsch an die Macht gekommen waren oder bereits unter Houphou‰t-Boigny zur Opposition gehörten - des Konzeptes der so genannten Ivoirité (abgeleitet von Staatsnamen C“te d`Ivoire). Dieses diente nicht nur zur Mobilisierung der Bevölkerung im Süden, auf die es in bewusster Abgrenzung zum Norden des Landes gemünzt war, sondern zugleich wurde die aus dem Norden stammenden 35 bis 40 Prozent der Bevölkerung dadurch zu StaatsbürgerInnen zweiter Klasse. Die Kampagne zur Betonung der Ivoirité führte auch schon vor Beginn des Krieges mehrfach zu Pogromen gegen MigrantInnen sowohl aus dem Norden der Elfenbeinküste als auch aus den nördlichen Nachbarländern.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen begannen in der Nacht zum 19. September 2002 zunächst als eine Militärrevolte an mehreren Orten des Landes. Erst Anfang Oktober traten die Rebellen, denen es rasch gelang, den gesamten Norden unter ihre Kontrolle zu bringen, unter dem Namen Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste (MPCI) auf. Bereits Mitte Oktober wurde unter Vermittlung der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) ein erster Waffenstillstand geschlossen, der bis Ende November im Wesentlichen eingehalten wurde. Zeitgleich mit dem Bruch dieses Waffenstillstands traten im Westen des Landes zwei neue Rebellengruppen in Erscheinung, die Ivorische Volksbewegung des Großen Westens (MPIGO) und die Bewegung für Gerechtigkeit und Frieden (MPJ). Über diese beiden Gruppierungen, die aus Liberia unterstützt wurden, geriet die Elfenbeinküste wie zuvor schon Sierra Leone und Guinea in Verbindung zum regionalen westafrikanischen Kriegskontext.

Neben den drei Rebellenbewegungen und der Regierung wurde im Laufe des Krieges noch ein weiterer Akteur in Kämpfe verwickelt. Frankreich hat traditionell Soldaten in der Elfenbeinküste stationiert, und noch in der ersten Woche der Auseinandersetzungen wurden französische Soldaten zur Evakuierung von westlichen AusländerInnen ins Landesinnere verlegt. Durch ihre Präsenz trugen sie faktisch dazu bei, einen Vormarsch der Rebellen im Zentrum des Landes zu verhindern. Nach der Vereinbarung von Mitte Oktober übernahmen französische Einheiten die Überwachung der Waffenstillstandslinie, und ihre Zahl wurde schrittweise auf zurzeit etwa 4.000 Soldaten aufgestockt. Ursprünglich sollten die französischen Truppen bei der Überwachung des Waffenstillstands durch westafrikanische Soldaten der ECOWAS ersetzt werden. Diese sind zurzeit mit 1.200 Mann in der Elfenbeinküste präsent, erreichten aber mangels finanzieller Mittel nicht ihre vorgesehene Stärke, um die französischen Einheiten abzulösen.

Aufgrund traditioneller wirtschaftlicher Interessen und der aktuellen Truppenpräsenz drängte Frankreich auch in besonderem Maße auf eine Verhandlungslösung. Ein unter französischem Druck im Januar zustande gekommenes Friedensabkommen, wurde von Präsident Laurent Gbagbo zwar unterzeichnet, aber angesichts der Ablehnung durch seine Anhänger und die Armee von ihm verbal zu einem "Vorschlag" degradiert. Trotz zeitweiliger wechselseitiger Drohungen erwies sich der Konflikt zwischen der MPCI und der Regierung nicht als der gefährlichste für den Waffenstillstand. Häufiger gebrochen wurde dieser vor allem im Westen des Landes sowohl von der Armee als auch den beiden dort operierenden Rebellengruppen. Der Nord-Süd-Konflikt des Landes äußerte sich dagegen vor allem in Pogromen und Vertreibungen von NordivoirerInnen und Staatsangehörigen der nördlichen Nachbarländer aus den von der Regierung kontrollierten Gebieten, bei denen auch Todesschwadronen und Jugendmilizen zum Einsatz kamen, die sich auch aus der Anhängerschaft des Präsidenten rekrutierten.

Zum jetzigen Zeitpunkt besteht aufgrund mehrerer Faktoren eine gewisse Hoffnung auf ein Ende des Krieges, der bislang über 5.000 Todesopfer gefordert und mehr als 1 Million Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat: Nach mehrmonatiger Verzögerung hat inzwischen eine Übergangsregierung, in der die Rebellengruppen sowie alle großen Parteien vertreten sind, ihre Arbeit aufgenommen; Ende April wurde ein als Hardliner geltender Führer der MPIGO bei internen Auseinandersetzungen getötet; Anfang Mai wurde ein "vollständiger" Waffenstillstand verkündet, der auch die beiden Rebellengruppen im Westen des Landes mit einbezog, und in der Folge übernahmen in der zweiten Maihälfte französische und ECOWAS-Einheiten auch die Überwachung der Waffenstillstandslinie im Westen der Elfenbeinküste. Sollte die Einstellung der Kampfhandlungen von Dauer sein, könnte auch die vergleichsweise schwach strukturierte Zivilgesellschaft in der Elfenbeinküste zum Zuge kommen. Die Vorbereitung der Nachkriegszeit hat sich das im Oktober 2002, einen Monat nach Beginn der Kämpfe, aus mehreren Organisationen und Einzelpersonen gegründete Kollektiv der Zivilgesellschaft für den Frieden zum wesentlichen Ziel gesetzt und wird dabei finanziell von der UNO, der EU, Kanada und Belgien unterstützt.

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Wolfgang Schreiber ist Leiter der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) am Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg (www.akuf.de).