Aufrüsten nicht verhindert, das Abrüstungsversprechen noch nicht eingelöst

Der Nichtverbreitungsvertrag wird 50

von Wolfgang Schlupp- Hauck
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Der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) oder Atomwaffensperrvertrag wurde 1968 von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien unterzeichnet und trat 1970 in Kraft. Er ist das größte multilaterale Instrument für nukleare Abrüstung. Nur Indien, Pakistan und Israel haben den Vertrag nicht unterzeichnet. Nordkorea kündigte 2003 seine Mitgliedschaft. Sie entwickelten außerhalb des Vertrages ihre Atomwaffen.

Der Vertrag teilt die Staaten in zwei Klassen. Er erlaubt den Staaten, die bereits Atomwaffen getestet hatten, deren Besitz. Das waren die USA, die Sowjetunion, China, Großbritannien und Frankreich. Die anderen Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, keine Atomwaffen herzustellen oder zu erwerben. Im Gegenzug erhalten sie das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie.

Das Versprechen der fünf Atomwaffenstaaten unter Artikel VI, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung", war Voraussetzung für die Zustimmung der Nicht-Atomwaffenstaaten zum Atomwaffenverzicht.

Die Vertragszeit war zunächst auf 25 Jahre begrenzt. 1995 stand die Verlängerung an. Sie war umstritten. Nichtregierungsorganisationen forderten, den Vertrag durch eine Atomwaffenkonvention zu ersetzen. Sie legten dazu einen Entwurf vor. Im Gegensatz zum NVV war darin ein Zeitplan für die Abrüstung enthalten. Den Vertrag auslaufen zu lassen und eine Atomwaffenkonvention zu verhandeln, dazu waren die Atomwaffenstaaten nicht bereit. Die Staaten einigten sich, dass der Vertrag unbefristet verlängert wird. Der nötige Konsens wurde durch die Zusicherung von Verhandlungen für einen vollständigen Atomteststopp und über einen massenvernichtungswaffenfreien Nahen Osten ermöglicht.

Der NVV besitzt einen fünfjährigen Überprüfungszyklus. Den vierwöchigen Überprüfungskonferenzen gehen drei zweiwöchige Vorbereitungskommissionen voraus. Deren Ergebnisse sind mager. 2000 wurden „dreizehn praktische Schritte“ verabschiedet. Der Erhalt des ABM-Vertrages war einer davon. Die USA haben ihn dennoch gekündigt, um ihre Raketenabwehr aufbauen zu können. Fünf Jahre später war man so zerstritten, dass man die Schritte nicht überprüft hat, und es kam kein Abschlusspapier zustande. 2010 wurde vereinbart, in zwei Jahren die mit der Verlängerung zugesagte Nahostkonferenz durchzuführen. Die blieb jedoch in den Vorgesprächen stecken.

Von FriedensforscherInnen wird der NVV trotz allem positiv bewertet: Oliver Meier, Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt: „Der NVV hat wesentlich dazu beigetragen, die Proliferation von Atomwaffen zu begrenzen. Er hat Einigkeit im Kampf gegen die Weiterverbreitung hergestellt.“ (1) Harald Müller von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung zieht folgende Bilanz: „Dieser große Erfolg bleibt aber immer gefährdet, solange die Kernwaffenstaaten auf ihrem Status bestehen und ihre Arsenale weiter aufrüsten, statt ihrer Verpflichtung zur vollständigen nuklearen Abrüstung nachzukommen.“ (2)

Die Pflichten aus dem Nichtverbreitungsvertrag werden unterschiedlich interpretiert. Während die USA zwar die Verkleinerung, dafür aber auch die technische Aufrüstung ihres Atomwaffenarsenals bis zum Jahr 2070 planen, und auch alle übrigen Atomwaffenstaaten ihre nuklearen Kapazitäten ebenfalls modernisieren, folgerte der Internationale Gerichtshof in seinem Rechtsgutachten von 1996 einstimmig: „Es gibt eine Verpflichtung, Verhandlungen in gutem Glauben fortzusetzen und abzuschließen, die zu atomarer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle führen." (3)

Friedensforschung und Friedensgruppen haben in diesen Prozessen einen nicht unerheblichen Einfluss: als BeobachterInnen bei den Konferenzen, durch eigene Veranstaltungen im Begleitprogramm und in Hintergrundgesprächen mit den DiplomatInnen. Der Entscheid des Internationalen Gerichtshofs wurde durch Nichtregierungsorganisationen initiiert. Das weltweite Netzwerk Abolition 2000 hat die Nuklearwaffenkonvention eingebracht. Die Internationale Kampagne ICAN gab den Anstoß für den Atomwaffenverbotsvertrag, der im letzten Jahr von 122 Staaten verabschiedet wurde.

Beschlüsse im NVV müssen einstimmig erfolgen. Um sich nicht durch die Atomwaffenstaaten bremsen zu lassen, wurde über die UN-Generalversammlung eine offene Arbeitsgruppe gegründet, die im letzten Jahr den Atomwaffenverbotsvertrag vorlegte, der jetzt zur Unterzeichnung aufliegt. Doch Deutschland boykottiert wie die anderen NATO-Staaten diesen Prozess.

Zur Vorbereitung der Überprüfungskonferenz des NVV 2020 tagt Ende April/Anfang Mai 2018 die Vorbereitungskommission. Die Friedensbewegung wird sich auch dort wieder einmischen. Stärke gewinnt diese politische Lobbyarbeit vor allem dann, wenn sie den Druck der Straße hinter sich hat. Deswegen auf nach Büchel, um den Abzug der dortigen Atomwaffen, den Stopp der technischen Aufrüstung und das weltweite Verbot der Atomwaffen zu fordern!

Anmerkungen
1 Zitat aus einer Email an den Autor.

2 Dito

3 aus: Atomwaffen a-z,
http://www.atomwaffena-z.info/heute/ruestungskontrolle/atomwaffensperrve...

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Wolfgang Schlupp-Hauck ist Vorsitzender die Friedenswerkstatt Mutlangen. Er begleitet seit 2003 die Atomwaffenverhandlungen bei der UNO. Er ist aktiv in der Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“.