Schilys "Ausreiseeinrichtungen"

Ein menschenrechtlicher Skandal!

von Hildegard Winkler
Hintergrund
Hintergrund

Das neue Zuwanderungsgesetz sieht die Schaffung von sog. "Ausreiseeinrichtungen" vor. Diese Einrichtungen passen in die gesamte Ausrichtung des Gesetzes, das darauf zielt, dass Zuwanderung nach den Kriterien "erwünscht - unerwünscht" zu erfolgen hat. Der Regierung geht es um den Standort Deutschland, der nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gesichert werden soll. Dazu passt auch, dass Entwicklungshilfe an die Fluchtländer eher nach den Kriterien eingehaltener Rücknahmeabkommen gewährt wird, als nach der Einhaltung der Menschenrechte.

Als Konzeption für Ausreiseeinrichtungen war angedacht, Flüchtlinge dazu zu bringen, ihre Energie nicht darauf zu verwenden, einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu erlangen, sondern darauf, ihre freiwillige Rückkehr in das Heimatland vorzubereiten. Dieses Konzept soll humaner klingen, als Abschiebehaft, ist aber nur eine andere Form der Internierung.

Erste Modellprojekte (Projekt X) in Braunschweig, Oldenburg und Ingelheim zielten daher vor allem auf Flüchtlinge, denen unterstellt wird, ihre Herkunft zu verschleiern und nicht bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Das Modellprojekt in Bramsche-Hesepe bei Osnabrück geht noch weiter, hier sind neben alleinreisenden Flüchtlingen ganze Familien untergebracht und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Als Aufenthaltsstatus haben sie entweder eine Duldung oder Aufenthaltsgestattung. Kriterium für die Unterbringung ist allein die Vermutung, dass der Asylantrag abgelehnt wird.

Gemeinsam ist den zur Zeit bestehenden Ausreiseeinrichtungen die menschenunwürdige Unterbringung im Lager. In den Projekten X erhalten die Menschen nichts als 3 Mahlzeiten am Tag, alle anderen sozialen Leistungen, wie auch das geringe Taschengeld in Höhe von knapp 40 Euro, das Flüchtlingen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, wird gestrichen. Die Flüchtlinge werden ständig kontrolliert, sie müssen sich regelmäßig melden, werden ständig verhört und unter Druck gesetzt, Deutschland endlich zu verlassen.

In der Ausreiseeinrichtung in Bramsche-Hesepe bekommen die Flüchtlinge zunächst noch ihr Taschengeld und einige "dürfen" sog. gemeinnützige Arbeit für einen Euro in der Stunde leisten. Die Streichung dieser "Leistungen" wird hier aber regelmäßig als Druckmittel eingesetzt, ein Papier zu unterschreiben, mit dem sie in die "freiwillige" Ausreise einwilligen.

Die Ausreiseeinrichtung besteht jetzt seit November 2000. Mitglieder des "Osnabrücker Bündnis gegen Abschiebung" haben seit gut einem Jahr Kontakt zu den in dem Lager untergebrachten Flüchtlingen. Wir begleiten Flüchtlinge in ihren Asylverfahren und wir unterstützen sie bei den vielfältigen Problemen und Bedürfnissen, die zwangsläufig durch die Unterbringung in einem Sammellager entstehen. Durch diesen engen Kontakt haben wir im letzten Jahr einen genauen Einblick in den Alltag dieses Lagers gewinnen können. Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge dort sind in vielen Bereichen menschenunwürdig. Das betrifft nicht nur die äußeren Bedingungen, wie rigide Lebensmittelversorgung, eingeschränkte ärztliche Versorgung, oder unzureichende schulische Versorgung der Minderjährigen, sondern auch die psychische Situation. Die Behörden versuchen wirklich alles, um das Leben der Menschen unerträglich zu machen. Die vorläufige Bilanz der Ausreiseeinrichtung Bramsche-Hesepe zeigt für die Behörden allerdings kein gutes Ergebnis. Im Jahr 2001 haben nach behördlicher Statistik der Bezirksregierung Weser-Ems 231 Flüchtlinge das Lager verlassen, 30 von ihnen sind abgeschoben worden, 77 sind in die Illegalität gegangen, 89 sind umverteilt worden, und nur 35 sind tatsächlich "freiwillig" ausgereist, weil sie den Druck nicht mehr ertragen konnten.

Die Zahlen für die anderen bereits in Deutschland bestehenden Ausreiseeinrichtungen sind ähnlich oder weisen eine noch erschreckendere Bilanz auf.

Jedes einzelne dieser Lager ist ein Beweis dafür, dass das Konzept "Ausreiseeinrichtung" nach dem neuen Zuwanderungsgesetz gescheitert ist, jedes einzelne dieser Lager gehört geschlossen. Tatsächlich erreichen die Ausreiseeinrichtungen nur, dass Flüchtlinge massenweise in die Illegalität gedrängt werden.

Am Lager in Bramsche-Hesepe hat in diesem Jahr am 18. August die "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" auf ihrer Tour durch ganz Deutschland einen Stop eingelegt, um mit Kundgebungen und Aktionen auf das menschenunwürdige Projekt aufmerksam zu machen.

Kontakt: c/o Avanti! e.V., Tel: 0541-750 87 97, Fax: 0541-750 87 94, Email: avantimail [at] web [dot] de

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