Der Ausbau der Friedensbildung wurde vorerst gestoppt!

Friedensbildung in Baden-Württemberg

von Klaus Pfisterer

Am 30. Oktober 2014 unterzeichneten der damalige Kultusminister Andreas Stoch, SPD, mit Vertreter*innen von Kirchen, Gewerkschaften, Organisationen der Friedensbewegung und der Jugendarbeit eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den baden-württembergischen Schulen. Insgesamt 17 Organisationen, darunter die GEW Baden-Württemberg, unterzeichneten die Erklärung.

 

Fünf Jahre später erinnerte das Bündnis „Schulfrei für die Bundeswehr – Lernen für den Frieden“ an den Jahrestag und lud am 30. Oktober 2019 zu einem Stehempfang in die Landeszentrale für politische Bildung nach Stuttgart ein. Dem kurzfristigen Aufruf waren Vertreter*innen der Arbeitsstelle Frieden im Evangelischen Kinder und Jugendwerk Baden, der Berghof Foundation, des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee, des DFG-VK Landesverbands Baden-Württemberg, dem Friedensbündnis Esslingen, der Friedenswerkstatt Mutlangen, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg sowie der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden und der Landeszentrale für politische Bildung gefolgt.

 

Bei dem Jubiläum erinnerte der ehemalige Kultusminister Stoch in seiner kurzen Rede an die Entstehung der Erklärung und die daraus folgende Servicestelle. Da die Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr am Widerstand von Ministerpräsident Kretschmann, Grüne, und dem damaligen Innenminister Gall, SPD, im Kabinett scheiterte, entschloss sich Stoch dazu, die Friedensbildung in den Schulen stärken zu wollen, um so dem wachsenden Einfluss der Bundeswehr zu begegnen. Die Erklärung war und ist für ihn ein ermutigendes Signal an Lehrkräfte, sich gerade auch in der Schule mit Frieden auseinanderzusetzen.

Aus der Erklärung entstand die Servicestelle Friedensbildung in Bad-Urach, wo am 1. August 2015 Claudia Möller mit ihrer Arbeit begann. Die Träger sind das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, die Landeszentrale für politische Bildung und die Berghof Foundation. Sowohl von der inhaltlichen Arbeit als auch der Struktur strahlt die Servicestelle weit über Baden-Württemberg hinaus.

In weiteren Reden wurde auf die stabilen Strukturen der Servicestelle hingewiesen, die auch Koalitionsveränderungen unbeschadet überstanden hat. Die Friedensbildung braucht Kreativität. Die Basis dafür sind Vertrauen und Konfliktkultur, Erwartungsverlässlichkeit, Selbstreflexion und Qualität. Zusammen sind sie ein gutes Fundament für die Servicestelle. Frieden kann gelingen und das soll mit Schüler*innen erarbeitet werden. Das Projekt mit den 7 Modellschulen, das im November begann, kann genau ein solcher Ort dafür sein.

Klaus Pfisterer (DFG-VK und GEW) richtete als Vertreter der Unterzeichnerorganisationen den Blick in die Zukunft. Die Servicestelle solle nach dem Wunsch der Regierungsparteien 2020 personell und materiell gestärkt werden. Weitere Schritte zum strukturellen Ausbau müssten folgen. Es bedürfe eines Lehrstuhls für Friedensbildung mit entsprechendem Unterbau an einer baden-württembergischen Universität sowie die Verankerung der Friedensbildung als Querschnittsthema in der Lehrkräfteausbildung.

 

Aber es kam erst mal anders….

Der Finanzausschuss des Landtags hat Mitte November 2019 in letzter Sekunde die beantragte Ausweitung der Servicestelle im neuen Haushaltsplan für 2021/21 nicht berücksichtigt. Eine Begründung für diese niederschmetternde Entscheidung liegt bis jetzt nicht vor. Zum einen gab es wohl plötzlich Unstimmigkeiten unter den Regierungsparteien Grüne und CDU, zum anderen wird der „Schwarze Peter“, warum es nicht mit einem gemeinsamen Antrag geklappt hat, zwischen den Regierungsparteien und der Opposition von SPD und FDP hin und her geschoben.

Auf massive Initiative der 17 Unterzeichnerorganisationen, die sich in zahlreichen Mails an die Abgeordneten von Grünen und CDU wandten, stellten die Grünen kurz vor der 2. Lesung des Haushalts aus Fraktionsmittel weitere je 50.000€ Sachmittel für die Jahre 2020 und 2021 zur Verfügung. Zu mehr konnten sich Grüne und CDU nicht durchringen. Das ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein – etwas mehr als der Status Quo, denn die zugesagten und dringend benötigten drei Personalstellen wurden nicht eingebracht.

Ohne personelle Ausweitung kann die Servicestelle Friedensbildung ihre angedachten Aufgaben nur teilweise erfüllen. Daher bleibt auf der politischen Ebene der personelle Ausbau für die Unterzeichnerorganisationen oberste Priorität.

Der Artikel ist in ähnlicher Fassung in den "Süd-West-Kontakten", der Beilage des DFG-VK - LV Baden Württemberg in der "Zivilcourage 1/2020" erschienen.

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