Mutige Beiträge der Frauen in der Pazifikregion zu einer friedlichen Welt Mit dem Herzen hören

Mit dem Herzen hören

von Zohl dé IshtarDouglas Bambrick

Frauen aus Inselnationen, die über den weltgrößten Ozean verstreut sind, von Inseln, die so klein sind, dass sie kaum auf unseren Weltkarten dargestellt werden und weit hinter den entfernten Grenzen unseres globalen Bewusstseins liegen, machen einen Unterschied.

 

In jedem pazifischen Land waren Frauen immer wieder ganz vorne in den Kampagnen gegen die vielfältige Gewalt - durch Kolonialismus/ Rassismus/ Sexismus, die ihre Leben und ihre Familien und Gesellschaften bestimmt.

Durch überzeugte Einzel- und Kollektivarbeit haben Frauen Strategien ausgearbeitet, entwickelt und realisiert, um ihre sozialen, kulturellen, politischen, militärischen und wirtschaftlichen Belange zu verändern. Mit Mut haben sie persönlichen Bedrohungen und anderen „Strafen" standgehalten, um sichere und innovative Umgebungen herzustellen, in denen Frauen ihren Widerstand gemeinsam kundtun können.

Die führende Friedensrolle der Frauen verlangte eine riesige Portion Mut, Voraussicht, Mitgefühl und Entschlossenheit. Eine enge Zusammenarbeit über enorme Entfernungen hinweg, trotz begrenzter technischer Möglichkeiten (und kaum bezahlbarer Flugkosten) haben sie Treffen und Diskussionen abgehalten, geträumt, argumentiert, Strategien und Pläne entwickelt, und innovative Projekte zur Gewaltbeseitigung realisiert. An erster Stelle ihre Familien im Kopf, haben sie sich nicht gescheut, kreative Wege zu finden, um gegen die Missstände zu protestieren.

Um das alles zu erreichen, mussten sie die geschlechtsspezifische Positionierung der Frauen als eine mundtote Minorität anfechten, mit der Begründung, dass die Untertänigkeit der Frauen keinesfalls auf Traditionen basiert, sondern durch Verzerrungen durch die patriarchalischen Systeme der Weißen hervorgerufen wurde. Vielmehr ist die Achtung ihres kulturellen Erbes ein Grund, weshalb Frauen viele Wege gefunden haben, um nicht aufzugeben.

Im kollektiven Bewusstsein der Kolonialmächte herrscht beredtes Schweigen. Die lange Liste der Ungerechtigkeiten wird weiter ignoriert und Außenseiter werden angehalten, nicht hinter die Fassade des Frangipani-Vorhangs zu blicken. Falls wir einen Blick auf eine pazifische Realität, die uns zur Einmischung zwingen würde, erhaschen, sind wir aufgrund der Angst vor dem Hinsehen gerne bereit, die härteren Realitäten in den Leben echter Menschen zu übersehen. Wir schließen unsere Augen und Ohren und suchen Sicherheit in unserem selbstgewollten Unwissen. Wir haben unsere Herzen verschlossen.

Frauen in der Pazifikregion, insbesondere die Ureinwohnerinnen, wissen, dass Schweigen das Trauma von Körper, Herz und Seele verbirgt, das entsteht, wenn die kulturellen Bräuche, Werte und Glauben durch ein fremdes Gesellschaftssystem mit seinen eigenen Erwartungen, Annahmen und Werten überrollt wird. Sie kennen das Trauma, das folgt, nachdem ihnen die Ländereien und Gewässer ihrer Vorfahren genommen, missbraucht und heruntergewirtschaftet werden, sodass die Möglichkeiten zum Anbau von Nahrungsmitteln oder zur Ausübung erdbezogener Rituale schwinden. Sie wissen, dass Armut weit verbreitet ist, da die Industrie durch unpersönliche multinationale Gesellschaften betrieben wird, die sich wenig um die menschlichen Kosten ihrer profitorientierten Gesellschaften kümmern. Sie wissen auch, dass Entwicklung durch fremde Regierungen überwacht wird, die korrupte Regierungen mit Entwicklungshilfedollars ködern. Sie vermissen schmerzlich ihre zur Prostitution gezwungenen Töchter und ihre Söhne, die zum Militär gelenkt werden, da es nur begrenzt Arbeit gibt. Wenn die Jüngeren mit Benzinschnüffeln, Selbstverstümmelung und Selbstmord anfangen, dann wissen die Frauen, dass der Grund hierfür Perspektivlosigkeit ist. Wenn Frauen misshandelt und Kinder vergewaltigt werden, wüten Frauen gegen die Täter, wohlwissend, dass vergewaltigende Männer selbst so beschädigt worden sind, dass sie ihre Selbstachtung und ihre Integrität verloren haben. Frauen wissen, dass Männer, die seelisch nicht in der Lage sind, mit Konflikten umzugehen, eher zu Waffengewalt und Kriegstreiberei untereinander neigen. Frauen kennen die Angst, gallertartige Babys, Kinder ohne Köpfe, ohne Arme, ohne Beine zu gebären, und sie kennen auch den Schmerz deformierter oder überlebensunfähiger Kinder; und·sie fürchten die Krebskrankheiten, die der Wind nach einer nuklearen Detonation mit sich bringt.

Durch Drohungen unerschrocken blieben die Ureinwohnerinnen standhaft gegen die Verletzungen in ihren Leben, und haben ihre Männer und Kinder mitgenommen. Unter Anwendung einer Reihe von Taktiken von direkten Aktionen bis hin zu Wahl- und Gerichtsverfahren, haben sie über lokale, nationale, regionale und internationale Grenzen hinweg gemeinsam agiert; um ihre verschiedenen Fähigkeiten in den Kampagnen für ihre gemeinsamen Belange zu kombinieren. Untergeschickter Ausnutzung der Globalisierung zu ihrem eigenen Nutzen nahmen sie teil am Aufbau internationaler Gesetzgebung, zum Beispiel im UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.

1984 führten die Dorfvorsteherinnen der Marshall/Rongelap-Inseln den Exodus ihrer Stämme von ihren wunderbaren produktiven Heimatinseln zu einem kleinen Korallenriff, da radioaktiver Niederschlag von amerikanischen Atomtests ihren Boden und ihre Gewässer kontaminiert hatte und die Zukunft der Enkelkinder und ungeborenen Generationen bedrohte (dé Ishtar, 2004a; Eknilang, 1998). 1985 begleiteten die Dorfvorsteherinnen von Kwajalein ihre Männer bei der Reise zur US-Raketenentwicklungsbasis, wo sie ein Lager am Zaun errichteten, obwohl sie verprügelt und verhaftet wurden - und das in einer matrilinearen Nation, wo bisher die Dorfvorsteherinnen mit enormer Achtung behandelt wurden (dé Ishtar, 1994:29-31). Fünfzehn lange Jahre lang (1979 bis 1994) schufen die Dorfvorsteherinnen von Palau, während sie ihre Tarofelder bearbeiteten, um ihre Familien zu ernähren, die allererste atomfreie Verfassung der Welt und wehrten sich durch 11 Referenden gegen Pläne des US-Pentagons, ihr Land zum Zwecke der Atomkriegsvorbereitung zu missbrauchen (Sumang, 1998). 2004 führten australische Ureinwohnerinnen erfolgreich eine Kampagne, um Versuche zu stoppen, Atommüll in ihren Heimatgebieten in der Wüste zu lagern (dé Ishtar, 2004b).

Wenn Frauen über eine Sache ernsthaft besorgt sind, wird man auch Widerstand der Frauen gegen diese Verletzungen finden und ihren mutigen Aufbau von kreativen lebenserhaltenden Alternativen. Misshandlungen von Frauen, Mädchen und Kindern, und den sozioökonomischen Paradigmen, die solche Gewalt aufrechterhalten, wird mit alternativen Strategien entschieden begegnet. Frauen haben ihre Weisheit in nationale und internationale Friedensbildung durch friedensaufbauende Verhandlungen zwischen gegnerischen Parteien eingebracht, wobei die Möglichkeiten friedlicher Ergebnisse gesteigert wurden. Zugegeben - es hat Fälle gegeben, in denen Frauen bewaffnete Konflikte unterstützten und sich sogar selbst daran beteiligt haben, aber wo Frauen als Freiheitskämpferinnen an der Seite ihrer Männer zur Waffe griffen, haben sie auch Schulen und Kliniken in den Wäldern errichtet, die Kinder betreut, und Wege vorangetrieben, die ein beschleunigtes Ende des bewaffneten Widerstandes ermöglichten. Es geschieht häufiger, dass Frauen ethnische und politische Trennungen überwunden haben, und in die Kampfgebiete einmarschiert sind, um von den Kriegsparteien einen Waffenstillstand zu verlangen, damit Friedensverhandlungen stattfinden können. Sie waren das Rückgrat der Initiativen, Frieden aufzubauen, Konflikte zu verwandeln und innovative Alternativen zu finden, die friedliche Ergebnisse für alle Parteien ermöglichen.

Der kreative Widerstand von Frauen ist an jenen Orten am spürbarsten, die intensiv unter der Bereitschaft der Superkriegsherren, Atomwaffen gegen die Menschheit anzuwenden (oder wenigstens der Androhung dieser Anwendung), gelitten haben. Entstellt durch Urangewinnungsanlagen, Militärbasen, Kriegsschiffe, die Zündung (,,Testen") von Atombomben, die Entwicklung von Raketensystemen und die Militarisierung des Weltalls, ist der pazifische Raum vielleicht die Region mit der größten nuklearen Belastung auf dem ganzen Planeten. Hinter einer Fassade von Tourismus versteckt, ist der nördliche Pazifik eine Brutstätte für amerikanische Militarisierung, ein Beispiel hierfür ist die Verlängerung des Pachtvertrages für das Atoll Kwajalein in den Marshallinseln durch das Pentagon bis 2086. Die Kwajalein Raketenabschussbasis hat mehr zur Entwicklung der Raketen- und Raumkriegstechnologie beigetragen als jede andere Einrichtung auf der ganzen Erde (Johnson, 1983).

Während China immer mehr zu einem beherrschenden Globalplayer wird, bereitet sich die nukleare US-Viper im nördlichen pazifischen Raum vor. Dies geschieht weitestgehend ohne Widerstand, da die globale Ignoranz der Vielfalt an Problemen, durch die pazifische Frauen und ihre Gemeinden herausgefordert werden, eine Isolation hervorruft, in der Menschenrechtsverletzungen ohne Widerrede geduldet werden. Der Mangel an weltweiter Empörung gegen die Verlängerung des Pachtvertrages für die extrem wichtigen Militäranlagen auf Kwajalein durch das Pentagon bis zum Jahr 2086 - dem Ende dieses Jahrhunderts - sollte eine angsteinflößende Warnung für uns alle sein. ·

Jetzt ist die Zeit gekommen, wo wir realisieren müssen, dass wir es uns nicht mehr leisten können, den unglaublichen Mut der Pazifikfrauen zu übersehen und ihre Visionen einer friedlichen Welt zu ignorieren. Wir müssen jetzt unsere Augen und unsere Ohren aufmachen. Es ist an der Zeit, den Frauen aus dem Pazifik und ihren mutigen Beiträgen zu einer friedlichen Welt mit offenem Herzen zuzuhören.

  • dé Ishtar, Zohl. 1994. Daughters of the Pacific. Melbourne: Spinifex Press.
  • dé Ishtar, Zohl. 2004a. ,,Nuclear Nightmares on Marshal1 Islands - Poisoned lives, Contaminated Lands", Pacific Ecologist, 7 & 8, Autumn-Winter: 74-81.
  • dé Ishtar, Zohl.  2004b. ,,Australian Aboriginal Women Lead Anti-Nuclear victory", Pacific Ecologist, 9, Spring: 37-39.
  • Eknilang, Lijon. 1998. ,,Learning from Rongelap's Pain ", in Zohl dé Ishtar, Pacific Women Speak Out for Independence and Denuclearisation, Christchurch: Raven: 21-26.
  • Johnson, Giff. 1984. Collision Course at Kwajalein. Marshall Islanders in the Shadow of the Bomb. Honolulu: Pacific Concerns Resource Centre.
  • Sumang, Isabella. 1998. ,, The World's First Nuclear Free Constitution", in Zohl dé Ishtar, Pacific Women Speak Out for Independence and Denuclearisation, Christchurch: Raven: 70-74.

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