Geschichte der Rüstungskontrolle

Nukleare Rüstungskontrolle

von Christian AlwardtGötz NeuneckKatazyna Kubiak

Das Aufkommen der Nuklearwaffen hat die Staaten vor die Aufgabe gestellt, neue Instrumente zu schaffen, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Eine Antwort auf das unkontrollierte nukleare Wettrüsten der fünfziger und sechziger Jahre war die nukleare Rüstungskontrolle.

Erste Schritte waren bilaterale Verträge zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion (z.B. SALT I), danach auch mit der Russischen Föderation (z.B. New START). Multilaterale Rüstungskontrollverträge kamen hinzu. Kernwaffenfreie Zonen verbieten insbesondere in der südlichen Hemisphäre die Herstellung, Lagerung und Stationierung von Kernwaffen. Der 'Umfassende Teststopp-Vertrag' verbietet den Vertragsparteien, Nukleartests durchzuführen und bildet auch eine Barriere gegen die "vertikale Proliferation", d.h. die Verbesserung von Nuklearwaffen. Das Nichtweiterverbreitungsregime kann als zentrale und multilaterale Säule der globalen, nuklearen Rüstungskontrolle angesehen werden. 

Im engeren Sinne umfasst nukleare Rüstungskontrolle kooperative zwischenstaatliche Maßnahmen zur Begrenzung, Reduzierung oder zum Abbau nuklearer Rüstungsarsenale oder deren Trägersysteme (z.B. SORT; New START). 

Im weiteren Sinne können auch andere Maßnahmen zur Regulierung nuklearer Kapazitäten und Aktivitäten zur Rüstungskontrolle gezählt werden.

Es sind oft Maßnahmen der Nichtverbreitung oder Abrüstung, die einen nuklearen Rüstungskontrolleffekt implizieren. Diese Vorkehrungen richten sich u.a. auf:

  1. Verzicht auf nukleare Rüstung seitens der Nichtkernwaffenstaaten (NVV)
  2. Verbot des Transfers von Kernwaffen zwischen den Kernwaffen- und Nichtkernwaffenstaaten (NVV)
  3. Etablierung von Kernwaffenfreien Zonen
  4. Verbot von Nuklearwaffentests (CTBT)
  5. Beendigung der Produktion von nuklearwaffenfähigen Spaltmaterialien (FMCT)
  6. Beschränkungen des Einsatzes von Nuklearwaffen (Nukleare Doktrinen)  

Nukleare Rüstungskontrolle ist nicht immer primär auf quantitative Begrenzungen ausgerichtet, sondern kann auch die Ziele haben, Rüstungsdynamiken einzuhegen oder Rüstungsprozesse zu kontrollieren. Nukleare Rüstungskontrollverträge werden auf Grundlage gegenseitigen Interesses zwischen souveränen Staaten verhandelt und abgeschlossen. Die Verträge müssen nicht zwangsläufig allen Vertragsparteien gleiche Verpflichtungen auferlegen. 

  1. Nukleare Rüstungskontrolle kann unterschiedliche Funktionen erfüllen:
  2. Minimierung der Asymmetrie bei Waffenbeständen, Strategien und militärischen Kapazitäten unterschiedlicher Staaten,
  3. Begrenzung von globalem und regionalem Wettrüsten,
  4. Vertrauensbildung, insbesondere um Krisenstabilität zu gewährleisten
  5. Einsparung finanzieller Ressourcen 

Nukleare Rüstungskontrollverträge begrenzen bisher ausschließlich strategische Kernwaffen und Waffen mittlerer Reichweite. So haben die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion 1972 den SALT I-Vertrag abgeschlossen, der erstmals gemeinsame Obergrenzen für weitreichende Atomwaffen festlegte. Die Vereinigten Staaten durften demnach nicht mehr als 710 ballistische Abschussvorrichtungen auf U-Booten und nicht mehr als 44 strategische U-Boote halten. Die Sowjetunion durfte die Zahl von 950 ballistischen Nuklearraketen auf U-Booten und 62 U-Boote nicht überschreiten. 1987 wurde der Vertrag zur Eliminierung von Kurz- und Mittelstrecken Raketen (INF-Vertrag) zwischen der Sowjetunion und den USA unterzeichnet. Der Vertrag war der Wendepunkt für die Rüstungskontrolle am Ende des Kalten Krieges. Zwei Waffenkategorien wurden vollständig eliminiert: Landgestützte Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern samt den dazugehörenden Startgeräten, der Operationsinfrastruktur und der Produktionsbasis. Die Produktion und Flugerprobung der INF relevanten Systeme wurde u.a. durch "Vor-Ort-Inspektionen" überwacht.  

Nach dem Kalten Krieg haben die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation mehrere Rüstungskontrollabkommen geschlossen. Der START-I Vertrag von 1991 verpflichtete beide Seiten innerhalb von 7 Jahren ihre strategischen Nukleararsenale auf ein gemeinsames Niveau von 1.600 Trägersystemen und 6.000 Sprengköpfen zu reduzieren. Dessen Nachfolger – das Moskauer Abkommen (SORT) – sah bis 2012 eine Reduktion der strategischen Kernwaffen auf ca. 1.700 bis 2.200 Sprengköpfe vor. Beide Verträge wurden durch den New-START-Vertrag ersetzt, der beide Vertragsparteien verpflichtet, die Zahl der strategischen Gefechtsköpfe auf je 1.550 und die Anzahl der Trägersysteme auf 800 zu begrenzen. Die USA und Russland überwachen die Einhaltung des Vertrages durch ein vereinfachtes Verifikationsregime.  

Bei der nuklearen Rüstungskontrolle gibt es jedoch noch etliche große Lücken. Nur die Nukleararsenale der USA und Russlands (sowie der ehemaligen nuklearen Nachfolgestaaten der Sowjetunion Belarus, Kasachstan und Ukraine, die aber heute alle nuklearwaffenfrei sind) werden bisher überhaupt durch Rüstungskontrollmaßnahmen teilweise reguliert. Für die anderen NVV-Nuklearwaffenstaaten China, Frankreich und Großbritannien sowie die Kernwaffenbesitzer Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea gibt es keine Kontrollabkommen.  

Zudem sind taktische Nuklearwaffen, oft auch als „nicht-strategische“ Waffen bezeichnet, bisher nicht von einem Vertrag erfasst. Für diese Waffen gibt es keine allgemein akzeptierte Definition, ursprünglich wurden sie aber als Systeme kurzer Reichweite und vergleichsweise kleiner Sprengkraft definiert. Da aber ihre Zerstörungskraft mittlerweile oft einem strategischen Sprengkopf entsprechen kann und die Reichweite der Trägersysteme variiert, ist die militärische Absicht diese direkt für das sog. Gefechtsfeld zu nutzen, kein trennscharfes Kriterium mehr. Unilaterale Erklärungen seitens Präsident George H.W. Bush gefolgt von Präsident Michail Gorbatschow (sog. Presidential Nuclear Initiatives) aus dem Jahr 1991 und 1992 waren bisher die einzigen Versuche, Reduzierungen und die Vernichtung dieser Waffenkategorie und derer Trägersysteme anzugehen. Sie waren leider an kein Verifikationsregime gebunden, weshalb ihre Einhaltung nicht verifiziert werden kann. Darüber hinaus gibt es keine offizielle Auskunft zu den taktischen Arsenalbeständen der jeweiligen Nuklearwaffenstaaten.

 

Der Text wurde dieser Seite entnommen: http://armscontrol.de/themen/nukleare-ruestungskontrolle/ , die vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) betrieben wird.

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Christian Alwardt ist Mitarbeiter am IFSH.
Götz Neuneck ist Mitarbeiter am IFSH.
Katazyna Kubiak ist Mitarbeiterin am IFSH.