Mission: Rückhalt schaffen

Tag der Bundeswehr

von Michael Schulze von Glaßer

Mit dem „Tag der Bundeswehr“ hat das Verteidigungsministerium mittlerweile einen festen, bundesweiten Werbetag etabliert – und Friedensgruppen einen ebenso wichtigen Protesttag. „Mit dem neuen Aktionstag will die Bundeswehr in einen intensiveren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Rolle der Streitkräfte heute treten. Interviews und Gesprächsrunden auf den Bühnen in den Standorten begleiten neben den persönlichen Begegnungen die Präsentationen der zivilen und militärischen Anteile der Bundeswehr. Dabei baut die Bundeswehr als Akteur mit hoher gesellschaftlicher Bedeutung auf ihre gute lokale und regionale Einbindung in die Gesellschaft.“ – Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung, Bonn/Berlin 8. Juni 2015

Die Absicht der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, einen bundesweiten Werbetag der Armee einzuführen, wurden offen kommuniziert – wenngleich auch praktisch kein „Dialog“ stattfindet, sondern nur einseitige Werbebotschaften vermittelt werden. Rund fünfzehn Armee-Standorte öffnen alljährlich am zweiten Samstag im Juni ihre Kasernen-Tore oder präsentieren sich in Innenstädten. Dabei fährt die Bundeswehr alles werbetechnisch Nutzbare auf, dass sie hat: Schiffe, Flugzeuge und Panzer werden für Shows genutzt, und Kinder und Erwachsene dürfen einmal einsteigen; die Musikkorps der Bundeswehr sorgen für Stimmung; für das leibliche Wohl sind „Gulaschkanonen“ im Einsatz und es gibt weitere Essens- und Getränkestände; in Werbelastwagen können sich Interessierte direkt für den Dienst an der Waffe einschreiben. Beim ersten „Tag der Bundeswehr“ kamen 236.000 Menschen zu dem Armee-Event – sehr viele, wenn auch weit weniger als die vom Verteidigungsministerium erhofften 400.000 Besucher*innen. So war es auch in den Jahren danach: Die Armee erreicht mit ihren Werbetag jeweils etwa 250.000 Menschen, plant aber mit weitaus mehr. Und nachdem der erste „Tag der Bundeswehr“ noch für enorme mediale Aufmerksamkeit sorgte, flachte das Medieninteresse – zumindest bei bundesweiten Medien – merklich ab. 2016 wurde für das Verteidigungsministerium gar zu einem medialen Desaster, als Aktivist*innen Fotos von Kindern an Handfeuerwaffen veröffentlichten. Selbst die Verteidigungsministerin sah sich genötigt, dazu Stellung zu nehmen und versprach Besserung.

Konfrontiert sind das Bundesverteidigungsministerium und die Bundeswehr auch alljährlich mit Protesten: 2015 „enterten“ Aktivist*innen das Marine-Segelschulschiff „Gorch Fock“ in Flensburg und hissten auf einem Mast ein Transparent mit der Aufschrift „War starts here“. Erst ein Jahr später fand eine bundesweite Vernetzung der Proteste statt: Lokal aktive Gruppen koordinierten sich, es wurden Erfahrungen mit verschiedenen Aktionsformen ausgetauscht und gemeinsame Materialien erstellt. Und so gab es 2016 an 11 von 16 Standorten Proteste, 2017 waren es 8 von 16, 2018 mindestens 10 von 16 und 2019 gab es sogar an 12 von 14 „Tag der Bundeswehr“-Standorten Protestaktionen. Mal waren es „nur“ Infostände mit Transparenten, mal aber auch ganze Demonstrationen oder kreative gewaltfreie Aktionen innerhalb von Kasernen. In den Kalendern vieler Friedensgruppen hat der „Tag der Bundeswehr“ mittlerweile einen festen Eintrag als Protesttag gegen den deutschen Militarismus. Und mit www.kein-tag-der-bundeswehr.de gibt es sogar eine eigene Website mit Informationen zu dem Protesttag.

Im Gegensatz zu den Vorjahren werden die Standorte für den „Tag der Bundeswehr“, der am 13. Juni 2020 stattfinden soll, erst spät bekannt gegeben – in den vergangenen Jahren waren sie bereits mindestens sieben Monaten zuvor veröffentlicht. Ob dies an der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, der starken Belastung einiger Standorte – etwa durch das NATO-Manöver „Defender 2020“ – oder sogar taktische Gründe hat, indem Aktivist*innen weniger Zeit bleiben soll, Proteste zu organisieren, ist nicht bekannt. Auf den Seiten einzelner Militäreinheiten und in Soldat*innenforen finden sich die Standorte Berlin, Bonn, Eckernförde, Frankenberg (Sachsen), Husum, Idar-Oberstein, Laage, Mayen, München ?Munster?, Storkow, Veitshöchheim, Weißenfels und Wilhelmshaven – offiziell bestätigt und auf der entsprechenden Bundeswehr-Website zu finden sind die Standorte noch nicht (Stand: 19. Januar 2020). Dafür steht schon ein Ort und Termin für das Vernetzungstreffen gegen den „Tag der Bundeswehr“ fest: Es findet am 22. März 2020 im nordhessischen Kassel statt. Friedensgruppen und Aktive, die Interesse haben, können sich melden und bekommen dann zeitnah weitere Informationen: office [at] dfg-vk [dot] de ()

 

 

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