Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Umdenken ist gefragt

von Otmar Steinbicker
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Dass die Bundeswehr wie andere Armeen RechtsextremistInnen anzieht, ist kein neues Problem. Sicherlich sind die Dimensionen der Anschlagpläne des festgenommenen Bundeswehr-Offiziers in besonderem Maße erschreckend und ebenso die Tatsache, dass dieser Offizier als Rechtsextremist einschlägig bekannt war, aber nicht behelligt wurde. Da ist jetzt schnelle und rückhaltlose Aufklärung angesagt. Diese ist Aufgabe der zuständigen ErmittlerInnen. Anschließend ist Anklage zu erheben und ein Strafprozess zu führen. Sicherlich sind auch die politischen Dimensionen der rechten Szene in der Armee intensiv zu erforschen.

Dass der Vorsitzende des Bundeswehrverbands Andre Wüstner versucht, sich gegenüber der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gegen einen Generalverdacht gegen die Bundeswehr zu wehren, sollte nicht verwundern. Was jedoch erstaunt, ist die Härte, mit der diese Auseinandersetzung geführt wird. Offensichtlich liegen da auf verschiedenen Seiten die Nerven blank. Da spricht manches dafür, dass es letztlich nicht nur um den aktuellen Vorfall geht, sondern dass dieser eher der Zündfunke war.

Schließlich hat die Bundeswehr seit dem Ende des Kalten Krieges massive Probleme, ihre Aufgaben und damit letztlich ihre Existenzberechtigung zu definieren. Als nach 1990 der Feind in Gestalt des Warschauer Paktes zusammenbrach, wurde fieberhaft nach neuen, anderen Aufgaben gesucht, zuerst im Bereich humanitärer Hilfseinsätze in Krisenregionen, dann aber 1999 im Kosovo und ab 2001 in Afghanistan erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg in realen Kriegseinsätzen.

Stolz feierte man sich als „Armee im Einsatz“. Doch das drastische Scheitern des Afghanistankrieges weckte ab etwa 2010 zunehmende Zweifel. Mit dem Abzug der Kampftruppen im Dezember 2013 wurde für nicht wenige SoldatInnen und OffizierInnen sichtbar, dass sich politische Konflikte in fremden Ländern nicht mit deutschen Militäreinsätzen lösen lassen. Die Bundesregierung jedoch drückte sich vor einer kritischen Aufarbeitung ihres politischen Versagens. Im jüngsten Weißbuch der Bundeswehr aus dem vergangenen Jahr wurde die Problematik schlicht umgangen und stattdessen das alte und wieder neue Feindbild Russland benannt.

Vernichtung der Zivilisation
Auch wenn sich jüngere Offiziere einen begrenzten militärischen Schlagabtausch zwischen Bundeswehr und russischer Armee vorstellen können, so ist älteren noch die militärische Erkenntnis vom Ende der 1980er Jahre in Erinnerung, dass ein großer, weiträumig geführter Krieg in Europa, selbst wenn es gelänge, ihn ausschließlich konventionell zu führen, von keiner Seite zu gewinnen wäre, sondern zur Vernichtung der europäischen Zivilisation führen müsste.

Damals wurde vor allem die gestiegene Abhängigkeit von Elektroenergie als ein wesentlicher Faktor angesehen, der ein Kriegsszenario gegenüber 1945 dramatisch verändern würde. Heute kommt die Abhängigkeit von neuen Techniken und dem Internet hinzu. Konkret heißt das, dass die klassische Aufgabe der militärischen Landesverteidigung zur Vernichtung des Landes führen müsste.

In einer solchen Situation war und ist eine neue politische Aufgabenbestimmung der Bundeswehr durch die Bundesregierung gefragt. Die Verteidigungsministerin hingegen sieht sich in ihren öffentlichen Auftritten lieber in der Rolle einer Unternehmenschefin, die einen großen personalintensiven Konzern zu leiten habe, und umgibt sich mit entsprechenden WirtschaftsberaterInnen.

Die Gewährleistung von Sicherheit, die traditionelle Kernaufgabe einer jeden Armee, ist aber kein Wirtschaftsgut. In Zeiten, in denen sich mehr und mehr zeigt, dass Sicherheit nicht mehr militärisch, sondern nur noch politisch gewährleistet werden kann, ist ein Umdenken gefragt, zu dem die Verteidigungsministerin bisher keinen Beitrag erkennen lässt.

SoldatInnen und OffizierInnen der Bundeswehr diskutieren seit langem diese Probleme. Wer aufmerksam zuhörte und las, wundert sich nicht darüber, dass sich auf deren Seite im Laufe der Jahre Zorn über die Ignoranz aufbaute, der sich jetzt entlädt.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de