Atomwaffen

Unauffällig einen Schritt zurück

von Julia Berghofer

Österreich hat mit seiner Selbstverpflichtung auf der Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Kernwaffen vom 8.-9. Dezember 2014  in Wien ein mutiges Signal in Richtung einer atomwaffenfreien Welt gesendet und ist damit ein Vorbild für die Staatengesellschaft. 44 Nationen haben sich ebenfalls für einen Verbotsvertrag ausgesprochen. Deutschland dagegen macht mit seinem Statement eher einen Schritt zurück – relativ unbemerkt.

Man kann, ja man darf enttäuscht sein über das deutsche Statement in Wien. Die Bundesregierung distanziert sich nicht nur von einem Verbotsvertrag (auch wenn sie dies natürlich diplomatisch verpackt), sondern scheint sich zudem endgültig von optimistischen Aussagen verabschiedet zu haben. Die Meinungen, ob der Rede des deutschen Delegierten Christoph Eichhorn vielleicht doch etwas Progressives abzugewinnen ist, oder ob sie schlicht ein Festklammern am Status quo bedeutet, driften auseinander. Nicht nur in der besonders unter zivilgesellschaftlichen VertreterInnen verbreiteten Frustration geht jedoch ein entscheidender Aspekt der BRD-Verhandlungstaktik unter.

Denn: Wir waren schon mal einen kleinen Schritt weiter. Im Februar 2014, auf der humanitären Konferenz in Navarit, Mexiko, hörte sich die deutsche Position noch etwas vielversprechender an. Damals lautete ein vorsichtig formulierter, aber bedeutsamer Passus: „In all likelihood, at some point in time on the way down to Zera a Nuclear Weapons Convention will be negotiated“. Abgesehen von der drängenden Frage, wann so ein “point in time” erreicht sein könnte, ging man auch in Mexiko dem Thema Verbotsvertrag behutsam aus dem Weg. Und dennoch klang der letzte Absatz der deutschen Rede, trotz aller vorangegangenen Liebeserklärungen an den Step-by-step-Ansatz, nach einer zaghaften Öffnung gegenüber Alternativen.

In Wien dagegen weht von deutscher Seite aus ein anderer Wind. Ein Verbotsvertrag wird als „short-cuts“ abgekanzelt – als theoretisch machbar, praktisch und politisch aber nicht umsetzbar. Die Nuklearwaffenkonvention wird gar nicht erst erwähnt. Insgesamt wirkt die deutsche Position kühler, distanzierter, wenig optimistisch. Den Status quo beibehalten sieht anders aus.

Woher kommt dieser Wandel? Warum dieser auf den ersten Blick unauffällige Rückzug? Liegt es etwa daran, dass die USA und Großbritannien erstmals an einem derartigen Staatentreffen teilgenommen haben? Wollte sich die deutsche Delegation nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, um den beiden P5-Staaten zu signalisieren: Auch Ihr seid in diesem Forum gut aufgehoben und Eure Sicherheitsinteressen werden respektiert?

Genau diese Sicherheitsinteressen scheinen es aber zu sein, die die deutsche Position so beeinflussen. In Mexiko hieß es noch, das „nuclear taboo“ müsse verstärkt werden, und dass die Rolle von Atomwaffen in den nationalen Sicherheitsdoktrinen bereits „reduziert“ worden sei, ja, dass die derzeitige Sicherheitslage weiteren Fortschritt erlaube. In Wien dominieren dagegen die Zweifel, die strategischen Interessen. Die Ukraine-Krise wird ein ums andere Mal als zentrales Hemmnis für die globale Abrüstung betont, die Zeiten seien „schwierig“. Als einziger Lichtblick wird die Anwesenheit der britischen und amerikanischen Delegation hervorgehoben.

Aber soll das wirklich der ersehnte Lichtblick gewesen sein? Hält man es mit Richard Lennane alias Wildfire, dann ist die Rede der deutschen Delegation in Wien das typische Verhalten eines „Weasel State“. Als solche bezeichnet der Ex-Diplomat und einziges Mitglied seiner Ein-Mann-NGO alle Länder, die implizit die Atommächte unterstützen, statt Druck auf sie auszuüben. Dafür spricht eindeutig, dass der Ton der Deutschen unnachgiebiger wird, sobald P5-Vertreter zuhören, und die Aussicht auf eine Nuklearwaffenkonvention unauffällig unter den berühmten Teppich gekehrt wird.

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