Atomwaffen

USA-Rundreise zu Atomwaffen im Vorwahlkampf

von Marion Küpker

Von Anfang Oktober bis in den November - zur Wahl des neuen US-Präsidenten - reiste ich zu einigen US-Produktionsstätten des für Deutschland (Büchel), aber auch für Italien, Belgien, Holland und die Türkei geplanten neuen Atombombentyps, der B 61-12 - und zu Treffen der US-Friedensbewegung.

Stationen waren u.a. die Los Alamos Study Group in Albuquerque, das Internationale Vernetzungstreffen der Catholic Workers und Quakers) und das Native Indian Forum on Nuclear Issues in Las Vegas, die Universitäten von Portland und Seattle, Groundzero der Atom-U-Bootbasis bei Seattle, und der Y12 Anlagen-Komplex bei Oakridge. In Y12 soll der „recycelte“ Sprengkopf der neuen B 61-12 hergestellt werden. Vorträge gab es darüber hinaus mit verschiedensten Gruppen des gewaltfreien Anti-Atomwaffen-Widerstandes, um über unseren Widerstand gegen die US-Atomwaffen in Büchel zu informieren, uns gegenseitig auszutauschen und zu vernetzen. Dabei wurden über 300 internationale (meist US-) Unterschriften gesammelt, in denen sich die Unterzeichnenden mit unseren Kampagnenforderungen u.a. zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, aber auch mit unseren Aktionen des zivilen Ungehorsams in Büchel solidarisieren und ihre Namen, Städte und Friedensgruppen-Zugehörigkeit zur Veröffentlichung: www.buechel-atombombenfrei.de freigeben.

Diese Reise fand in Kooperation mit John LaForge/Nukewatch statt, der mit seiner Buchvorstellungs-Rundreise Nuclear Heartland einen Wegweiser zum Auffinden der - im Mittwesten verstreuten - 450 landgestützten Interkontinentalraketen bekannt machte.

Eindrücke zur rassistischen US-Wahl
Während der gesamten Reise war der US-Wahlkampf ein immer wieder aufkommendes Thema. Wir erlebten unterwegs im Radio offene Schlammschlachten zwischen Clinton, Trump und den JournalistInnen. Politisch Inhaltliches hörte ich nur über Regionalsender durch Amy Goodman's Democracy Now.

Auffällig empfand ich das Nicht-Wahlverhalten der verschiedenen FriedensaktivistInnen aus der Antikriegsbewegung, z.B. Schools of the Amerikas Watch (SOAW) –  die sich gemeinsam mit ImmigrantInnen u.a. für offene Grenzen zu Mexiko einsetzt – oder der Catholic Worker Community, die z.B. auf dem Land Bio-Anbau betreibt, von dem ein Drittel des Ertrages an ihre Obdachlosen-Unterkünfte in vielen US-Städten gehen.

Hin und wieder wurden auch die Grüne Jill Stein oder der Parteilinke Bernie Sanders als Wahloption genannt, was das allerkleinste Übel war, da es dort zumindest ein paar Übereinstimmungen im Wahlprogramm gab und so das erkämpfte Wahlrecht wahrgenommen wurde. Als Grund für das Nichtwählen wurde die Kritik am realen US-Zwei-Parteien Wahlsystem benannt, da große Teile der Bevölkerung nicht wählen dürfen, bzw. es ihnen gezielt verunmöglicht wird. So verlieren vorbestrafte US-BürgerInnen fast immer ihr Wahlrecht. Es besteht zwar die Möglichkeit, sich für 6000 US-Dollar das Stimmrecht wieder zurückzukaufen, doch welche/r schwarze/AfroamerikanerIn oder Latino/a (Hispanics) hat das Geld dafür?

Die Abschaffung des industriellen Knast-Komplexes ist eine der wichtigsten Forderungen der Friedensbewegung, doch über eine Reform des Gefängnissystems wird von den Parteien nicht mal öffentlich diskutiert. Ca. 2,3 Millionen Menschen der US-Gesamtbevölkerung sitzen aktuell im Knast, die Hälfte davon aus der schwarzen/afroamerikanischen Bevölkerung. Darüber hinaus soll jeder Vierte aus der farbigen Bevölkerung bereits im Knast gewesen sein. Bei 13 Millionen Schwarzen/AfroamerikanerInnen und 17 Millionen Latinos/Hispanics und ein paar Millionen Native Indians, AsiatInnen und anderen „Minoritäten“ der Gesamtbevölkerung kommt dabei zusammengerechnet eine zweistellige Millionenzahl von Menschen heraus, die von der Wahl abgehalten werden. Daher sprechen viele von institutioneller Apartheit und moderner Sklaverei, was sich auch in der Bewegung Black Lives Matter widerspiegelt.

Eine zusätzliche rassistische Bekämpfung der Wahlbeteiligung gegenüber arm gehaltenen Bevölkerungsgruppen besteht seit 2013 vor allem in den Südstaaten, aber auch andere Staaten haben da nachgezogen. Gegen geltendes Recht wird zur Wahlbeteiligung nur ein teurer Personalausweis akzeptiert, anstelle der gängigen Praxis eines Führerscheins oder anderer Dokumente mit Lichtbild. Dies dürfte weiteren Millionen Wahlberechtigten diese Wahl verunmöglicht haben, die real nur zwischen Pest und Cholera bestand. Die US-Armee besteht außerdem aus einer großen Anzahl von Latinos, die mit einer Green Card in der US-Armee bei den Bodentruppen unterwegs, sich für ihre lebensgefährlichen Kriegseinsätze eine US-Staatsbürgerschaft ­ und damit auch ein Wahlrecht ­ erwerben wollen, was hier im aktuellem Kinofilm Soy Nero gesehen werden kann. Auch Millionen sogenannter Illegaler und Menschen mit Green Card-Arbeitsverhältnissen fehlen bei der Auflistung.

Doch es gibt auch meist in der älteren weißen US-Friedensbewegung und der Mittelschicht (z.T. in der Anti-Atomwaffen Bewegung) Clinton-WählerInnen, die meist durch ihre Renten und Häuser finanziell abgesichert sind. Hier sah ich öfter Panik und Wut gegenüber allen Anderen, die nicht Clinton wählen wollten, da es ihnen darum ging, das Schlimmste (Trump) zu verhindern, und die Demokraten immer noch besser seien als die Republikaner. Ihre bevorzugte Wahl wäre ansonsten eher bei den Grünen gewesen.

Insgesamt sollen offiziell zwischen 59– und 69 Millionen der US-BürgerInnen Trump gewählt haben, je nachdem, welcher Link im Internet geöffnet wird. 46,9 % – von offiziellen 231 Millionen  Wahlberechtigten – das sind über 100 Millionen Menschen  – gingen nicht zur Wahl! Sie würden vielleicht aber gehen, wenn sie wirklich demokratisch wäre. Ich halte daher die US-Bevölkerung nicht für so rückständig und dumm, wie uns versucht wird weis(s)zumachen!

Native Indian Widerstand gegen Uran und Öl
Eine besondere Attraktion der Reise waren die noch immer anhaltenden Proteste von über 240 verschiedenen Native Indian Tribes in Standing Rock im Bundesstaat North Dakota – seit Mitte April 2016, und jetzt wurde das Wintercamp eingerichtet! Der aus vielen Tausend Menschen bestehende Protest richtet sich gegen den Bau einer Ölpipeline durch das Reservatsland der Great Sioux Nation, das den Sioux seit 1868 gesetzlich zugesprochen wurde. Über 1000 Öllecks gibt es von bereits alten Pipelines, verteilt auf verschiedensten Reservaten. Nicht mal die letzten auch international verpflichtenden Verträge mit den Native Indians werden eingehalten! Wir erreichten Standing Rock am Tage der ersten brutalen Räumung der Baustelle mit Festnahmen von etwa 140 „Wasser -SchützerInnen“ durch die National Guard (Armee). In vielen Städten der USA gab es Solidaritätsaktionen und überall machten sich nun viele umweltbewegte Non-Natives auf, um den Fortgang der dortigen Proteste mit zu gewährleisten.

Es würde den Umfang des Artikels sprengen, alle Eindrücke hier zu erwähnen, allerdings glaube ich kaum, dass viele Native Indians generell zur Wahl gehen. Die vielen umgekehrt aufgehängten US-Fahnen sind ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass sie den fortgesetzten (Umwelt-)Rassismus der U.S. Regierung ablehnen. 

Beim Native Indian Forum on Nuclear Issues wurde das wahre Ausmaß ihrer heutigen Lebenssituation in den USA deutlicher: z.B. gibt es über 10.000 verlassene Uranminen fast ausschließlich in der Westhälfte der USA. Sie liegen zu fast 80 % auf dem Land der Native Indians, wo es weder Untersuchungen noch „clean ups“ Reinigungsarbeiten dafür gibt. Über  98 % der Radioaktivität bleibt nach dem Uranabbau offen zurück, so dass die Gesundheitssituation und Lebenserwartung in den Regionen katastrophal und stark zurück gegangen ist. Die größeren US-Anti-Atom Organisationen wie NEIS und Beyond Nuclear arbeiten gemeinsam daran, Native Indian Tribes mit Geigerzählern auszurüsten und einzuweisen, um überhaupt erst einmal beweiskräftiges Zahlenmaterial zu bekommen und damit Druck auf die Regierung für Dekontaminationsarbeiten und Umweltmedizin ausüben zu können. Die jetzigen ca. 20 in Deutschland bereit gehaltenen Atombomben wurden vor vielen Jahren auf dem Land der Western Shoshone Indians in Nevada getestet; und die geplante neue Bombe ist ein Endergebnis der nuklearen Kette, die überproportional ihre Lebensgrundlage durch Uranabbau für das US-Atomwaffenprogramm zerstört. Diese Orte werden offiziell als national sacrifized areas – nationale Opfergebiete – benannt, und umgekehrt reden die Native Indians vom nuklearen Kolonialismus an indigenen Bevölkerungen!

Zum US-Anti-Atomwaffenwiderstand: Es gibt durch die regionalen Friedensgruppen in den USA keine landesweite Kampagne – erschwert durch die großen Entfernungen der verschiedenen Produktions- und Militär-Standorte – gegen die auf eine Billion US-Dollar bezifferte Gesamt-Atomwaffenaufrüstung. Die enormen Kosten sind aber überall Thema, und da international bereits am Internationalen Verbotsvertrag zusammen gearbeitet wird, hat die neue Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) mit Don't Bank on the Bomb beste Voraussetzungen diesen US-Widerstand stärker zu vereinen.

Auch konnte ich hier nur ein paar wichtige Eindrücke benennen, jedoch haben Einige aus den USA starkes Interesse gezeigt, zu unserer Internationalen Woche vom 12. bis 18. Juli während der 20-wöchigen Aktionspräsenz nach Büchel zu kommen. Dann können sicher ein paar interessante ReferentInnen von dort ihre Reise zu Vorträgen hier in Deutschland fortführen.

Wer reine Informationen über die verschiedenen Produktionsorte in den USA für die neue B61-12 Bombe haben und auch erfahren möchte, welcher Standort was produziert und was die neue Bombe kostet, der findet dazu ein neues Informationsblatt auf unserer Webseite:

http://buechel-atombombenfrei.jimbo.com/hintergrund/wo-wird-die-b61-12-g...

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Friedensbewegung international
Marion Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.