Redebeitrag von Konrad Ott (IG Metall) für den Ostermarsch Baden-Württemberg in Stuttgart am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Die Welt ist aus den Fugen.

18 Kriege und 402 Konflikte weltweit zählte 2016 das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung. In Europa ist es der Krieg in der Ukraine, besonders betroffen sind afrikanische Regionen südlich der Sahara. Über 20 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Kriege werden nicht im Auftrag von Menschenrechten und der Demokratie geführt. Es sind politische Gründe, Profitinteressen und zunehmend auch religiöse, oder ethnische Konflikte

Verantwortung für den Frieden nicht für den Krieg ist das diesjährige Motto des Ostermarschs.

Wir verlangen, dass die Politik endlich Verantwortung für die Menschen auf der Welt übernimmt und Schluss macht mit der Aufrüstung.

Seit Trump, dem Berexit und nach der Münchner „Unsicherheitskonferenz“ stehen wir vor einem europaweiten Wettrüsten.

Wer Steuergelder in Panzer und Waffen pumpt entfacht eine Eskalationsspirale, die die Welt, Europa und Deutschland mit Sicherheit nicht sicherer sondern ärmer macht.

Das Friedensforschungsinstitut Sipri befürchtet die größte Aufrüstung seit dem kalten Krieg.

Der Beschluss der NATO-Staaten von 2014 mit Zustimmung der Bundesregierung ihre Rüstungsausgaben auf mindestens 2% des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen bedeutet eine Verdoppelung der Rüstungsausgaben auf rund 80 Milliarden. Trump fordert von den NATO-Staaten endlich ihrer Verpflichtung nachzukommen, die Verteidigungsministerin und Finanzminister Schäuble machen bereits einen Kniefall. Die schwarze Null und die Schuldenbremse spielen bei Militärausgaben offensichtlich keine Rolle. Zugleich verfallen in Deutschland die öffentliche Infrastruktur, Sportstätten, Bahnhöfen und Straßen.

Ich fordere die Bundesregierung auf, den Irrsinn die Rüstungsausgaben zu erhöhen nicht mit zu machen, sondern sie zu senken. Schluss mit der Aufrüstung der Bundeswehr

Mit Besorgnis blickt die Welt nach Washington und fragt sich:

Stehen die Zeichen auf Krieg?

Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ schrieb bereits am 1.Februar in einem Kommentar:

„Trump braucht einen heiligen Krieg“.

Es sei falsch, der neuen Administration vorzuwerfen, sie habe keinen Plan.

Furcht erregender sei vielmehr, dass sie einen Plan habe.

Trump brauche einen Krieg um die Widersprüche eines populistischen Wahlkampfs mit gegenläufigen Zielen miteinander zu versöhnen und gleichzeitig das Militär wieder auf historische Größenordnungen zu verstärken und die Kohle- und Stahlindustrie der USA zu stärken.

Ein solcher Krieg sei nicht irgendein Krieg, sondern ein „heiliger Krieg“ gegen alles Nicht-christliche und „Nicht-weiße“.

Explizit verwies „Haaretz“ auf entsprechende ideologisch motivierte Aussagen und Pläne des wichtigsten Trump-Beraters und bekennenden Rechtsextremisten, Steve Bannon, in den vergangenen Jahren.

Die jüngsten Militärschläge der USA, der Abwurf der größten Bombe „Mutter aller Bomben“, die 59 Raketen auf Syrien, die Drohungen gegen Nordkorea und den Iran, lassen befürchten, dass Trump sich bereits im „heiligen Krieg“ befindet.

Auch in der NATO stehen die Zeichen auf Konfrontation, und hemmungslose Aufrüstung.

Der Brexit wird ein EU-Rüstungsschub auslösen.

Zur Revitalisierung der EU soll als wesentliches Projekt, der Ausbau des Militärapparates vorangetrieben werden, u.a. eine Schnelle Eingreiftruppe zur Interventionsausrichtung der EU.

Die Britten haben die Umsetzung aus Sorge um die eigene Militärpolitik bisher verhindert.

Am 24. und 25.Mai findet der nächste NATO-Gipfel in Brüssel statt.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es einer der bedeutendsten in der langen Geschichte der NATO werden wird.

Der Gipfel wird sicher nicht über die Auflösung der NATO entscheiden.

Was richtig und sinnvoll wäre.

Das neue NATO-Hauptquartier, das für mehr als 750 Millionen € gebaut wurde, wird eingeweiht.

Die besondere Bedeutung des Gipfels ergibt sich aus folgenden Punkten:

  1. Der NATO forciert den militärischen Aufmarsch gegen Russland, mit Stationierung von Truppen und Personal in nicht gekannter Dimension an der Grenze zu Russland und deutsche Truppen marschieren vorne weg.

Ich kann und will es mir nicht vorstellen, dass deutsche Truppen angesichts unserer Vergangenheit wieder an der russischen Grenze stehen.

Zur Erinnerung: Der Historiker Wolfgang Wette formulierte es so „Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung ist in Litauen, rascher, radikale und vollständiger betrieben worden als anderswo. Das Land war sowas wie ein Testgelände für die SS und ihre Helfershelfer.

Am 1. Dezember 1941, schloss der SS Führer Karl Jäger seinen Bericht mit deutscher Gründlichkeit ab. Von Ende Juni bis November habe man in Litauen exakt 137.364 Juden ermordet: In Litauen gibt es keine Juden mehr, außer der Arbeitsjuden.

Am 2. März 2017 sah unsere „Kriegsministerin“

Frau von der Leyen, auf der estnischen Luftwaffenbasis zwei deutsche Eurofigther dröhnend in den Winterhimmel steigen.

Zum neunten Mal hatte die Bundeswehr die Luftüberwachung über dem Baltikum übernommen.

Die Fortsetzung dieser Konfrontation wird in Brüssel Thema sein.

  1. Verstetigt werden soll die Modernisierung der Atomwaffen unter anderem auch in Europa.

  1. Eine neue Verteilung der Lasten der weiteren Aufrüstung zwischen den NATO-Staaten wie von den USA gefordert.

Nur so bekommt die USA, die selbst weiter aufrüstet, die militärischen Hände frei für ihre Kriegspolitik.

  1. Zu dieser neuen Arbeitsteilung gehört auch eine neue Rolle Europas.

EU-Europa wird zunehmend militärische Supermacht, nicht nur im europäischen Raum, auch in Afrika.

Wir fordern:

  • Schluss mit allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr

  • Atomwaffen raus aus Deutschland.

Rüstung und sozial Abbau

Rüstung tötet schon im Frieden

1.700 Mrd wurden 2012 weltweit für die Rüstung ausgegeben

Das Geld, das für die Rüstung verpulvert wird fehlt dringend für Entwicklungshilfe, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

Vor 40 Jahren forderte Willi Brand im Kontext des entwicklungspolitischen Nord-Süd-Kommission, „Wenn wir die Probleme der 3. Welt nicht lösen, werden die Probleme zu uns kommen.“

Die durch Rüstungskontrolle freiwerdenden Mittel sollen für die Entwicklungspolitik, „Hilfe zu Selbsthilfe“ verwenden werden.

Aber auch für gesellschaftlich wichtige Aufgaben wie Bildung, Gesundheit und Schutz vor Altersarmut.

Rüstung und Sozialabbau sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Statt 1775 Schützenpanzer oder 60 Eurofighter? Fordern wir 1.250.000 Sozialwohnungen oder Wir fordern die Sanierung der Schulen, es fehlen rund 35 Milliarden, das entspricht in etwa der geplanten Erhöhung der Rüstungsausgaben pro Jahr, wenn sie auf 2% des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Ich finde das ist ein Skandal.

Für welche irrwitzigen Rüstungsprojekte werden Milliarden ausgegeben? Geld, dass wir dringend brauchen, um die Polarisierung in der Gesellschaft zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, Krank und Gesund Wohnungsbesitzern und Wohnungslosen Abzubauen.

Die IG Metall hat zwei Fokusthemen auf die politische Agenda gesetzt: Gesundheit und Altersversorgung

Aufhebung der Polarisierung zwischen Krank und Gesund

Gesundheit ist ein Lebensrisiko.

Es ist nicht einzusehen, warum die Arbeitgeber seit ein paar Jahren nicht mehr an der paritätischen Finanzierung der Gesundheitskosten beteiligt werden.

Die Steigerung der Gesundheitskosten gehen alleine zu Lasten der Beschäftigten.

Wir fordern: „Zusatzbeiträge abschaffen – Parität herstellen

Aufhebung der Polarisierung zwischen Jung und Alt.

Wir wollen, dass das Rentenniveau nicht weiter absinkt und auf das Niveau von 2000 angehoben wird

Wir wollen einen flexiblen Ausstieg anstatt die Rente mit 67.

Wir sagen klar und deutlich, wer 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, der muss egal wie alt er ist, ungekürzt in Rente gehen können.

Wir brauchen einen grundsätzlichen Umbau der sozialen Sicherungssysteme.

Wir fordern für die für die Gesundheit- und Altersvorsorge eine Bürgerversicherung

Alle die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen sich an der Finanzierung beteiligen.

Wer jetzt behauptet, dass wir das nicht finanzieren können, dem sage ich:

Die Bundesrepublik wird jedes Jahr reicher und nicht ärmer.

Reichtum und Verschuldung sind ebenfalls zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Ja wir haben rund zwei Billionen Euro Staatsschulden,

aber wir haben über 10 Billionen Euro privates Geldvermögen.

Geld ist genug da für eine soziale und solidarische Gesellschaft.

Die Verteilungsfrage ist das Problem.

Frei nach Berthold Brecht

Armer Mann und reicher Mann

Wärst du nicht arm, wär ich nicht reich

 

Liebe Friedensfreunde,

abrüstung ist das Gebot der Stunde „Wer Waffen produziert braucht Kriege“ der Satz stamm von einem holländischen Zwangsarbeiter der in Oberndorf bei Mauser, Zwangsarbeit leisten musste.

Abrüstung ist ein Dilemma der Rüstungsarbeiter:

„Erst kommt das Fressen und dann die Moral“

Als ehemaliger Beschäftigter bei Heckler & Koch weiß ich, wovon ich rede.

Für die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie ist ihr Arbeitsplatz die Existenzgrundlage für ihre Familie.

Wenn wir mit den Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen wollen, muss man ihre eigene Situation erstmal ernst nehmen und verstehen.

Moralische Appelle helfen hier in der Regel nicht weiter.

Wenn wir diesen Teufelskreis durchbrechen wollen brauchen wir eine realistische Strategie für den Ausstieg aus der Rüstungsproduktion.

Dafür sind mutige politische Entscheidungen notwendig, in einer ähnlichen Dimension wie der Atomausstieg.

Ein mögliches Szenario könnte sein:

In einem ersten Schritt wird der Wehretat auf dem heutigen Niveau erstmal eingefroren.

Die geplanten Steigerungen werden in eine Friedensdividende zur Rüstungskonversion umgewandelt.

In einem zweiten Schritt wird der Rüstungsetat pro Jahr um 5% reduziert.

Mit der Friedensdividende ist die

  • Die Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile Produkte

  • Die Umschulung der Beschäftigten, und Soldaten

  • Die Umgestaltung der Kasernen

Die Rüstungskonversion darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten erfolgen, sondern muss mit ihnen in einem kritischen Diskurs gemacht werden.

Für die IG Metall als zuständige Gewerkschaft in den Betrieben ist das auch ein Spagat.

Nur wenn wir, wie in vielen anderen Branchen, für die Beschäftigten einen nachvollziehbaren Umbau der Rüstungsproduktion in zivile Produktion aufzeigen können, der für sie nicht Arbeitslosigkeit und Hartz IV, sondern eine Zukunft und Perspektive aufzeigt, werden wir sie dafür gewinnen.

Forderungen nach Konversion können leichter umgesetzt werden, wenn das politische Umfeld stimmt.

Erfolgsfaktoren sind unter anderem genügend Zeit für den Umstellungsprozess, die finanziellen Mittel aus der „Friedensdividende“ und eine enge Zusammenarbeit aller politischen, gewerkschaftlichen und betrieblichen Akteure.

Die IG Metall hat hier in den vergangenen Jahren bei Umstrukturierungen in unterschiedlichsten Bereichen“ wichtige Erfahrungen gesammelt, mit Mitarbeiter-Workshops, internen und externen Beratern wie Prozess- und Produktinnovationen gestaltet werden können, um Arbeitsplätze zu erhalten oder neue zu schaffen.

Drei Beispiele für erfolgreiche Konversion:

  • Litef in Freiburg: Von der Militärelektronik zur Umwelttechnik
  • HDW und MaK in Kiel: Von der Panzerfertigung zum Lokomotivbau
  • Nordseewerke in Emden:  Zukunft durch Windenergie

Ein Konzept Rüstungskonversion 2.0 müsste mehrere Elemente enthalten:

  • Klare politische Vorgaben der Rüstungs- und Beschaffungspolitik für die Unternehmen

  • Flankierung und Unterstützung von betrieblichen Konversionsansätzen durch Beratung der betrieblichen Akteure bei Produktentwicklung und Markterschließung. Schaffung von Anreizen für Diversifikationsbemühungen durch finanzielle Förderung.

  • Eine gewerkschaftliche Unterstützung betrieblicher Initiativen in Anlehnung an erfolgreiche Restrukturierungsprozesse

 

Liebe Friedensfreunde,

Ich will zum Schluss kommen. Solidarität und soziale Sicherheit sind unverzichtbar für eine solidarische Gesellschaft. Sie sind auch Stützen der Demokratie. Wo sie wanken, geraten Demokratie und Toleranz in Gefahr. Die Dynamik des Rechtspopulismus in (nahezu) allen Gesellschaften des Gegenwartskapitalismus ist eine Reaktion auf die neoliberale „Globalisierung“ und eine neo-imperiale Geopolitik der „Großen Mächte“.

Die Folge ist die zunehmenden Spaltung und Endsolidarisierung in den Gesellschaften. Marginalisierung, Prekarisierung und Elite-Verachtung sind Treiber des Rechtspopulismus.

Vieles ist nicht nur empfunden, sondern real.

Soziale Gefährdungen und kulturelle Entfremdungen gehen Hand in Hand.

Die Globalisierungs-Dividende ist höchst ungleich verteilt.

Die Gewerkschaften tragen nicht nur eine wirtschafts- und sozialpolitische, sondern auch eine demokratiepolitische Verantwortung. Elementen einer „Strategie gegen Rechts“: Analysieren – demaskieren – mobilisieren. Es gilt: „Klare Kante“ und „offene Tür“!

Verteilungsgerechtigkeit und gesellschaftliche Anerkennung müssen Prüfkriterien gewerkschaftlicher Politikfelder und Forderungen sein!

Die Rechtspopulisten präsentieren sich zunehmend als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und als Anwälte der Resignierten und Beleidigten.

Entlarven wir ihre Lügen!

Sie sind keine Sozialarbeiter!

Sie wollen auf der Flamme der sozialen Ängste Vieler ihre braune Suppe kochen.

Wir sagen Nein zu Rassismus, Menschenverachtung und Hetze gegen Minderheiten.

Rassismus hat einen faschistischen Kern.

Deshalb sage ich,

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

 

Liebe Friedensfreundinnen und – freunde,

die Friedensbewegung ist in der aktuellen Situation mehr gefordert denn je.

Lasst uns laut und deutlich unseren Widerstand gegen Krieg, Aufrüstung und Militarisierung und zunehmend Rassismus formulieren.

Frieden durch Abrüstung und Völkerverständigung ist unsere Losung.

Vielen Dank fürs Zuhören und viele bunte und fröhliche Ostereier.

 

Konrad Ott ist 1. Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigsburg.