Redebeitrag für den Ostermarsch Baden-Württemberg in Stuttgart am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreund*innen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein ¾ Jahrhundert nach dem Ende des zweiten Weltkriegs erleben wir gegenwärtig zeitgleich mehrere schwere Krisen.

Dabei ist jede der gegenwärtigen Krisen schon für sich bedrohlich.

Im Schatten der Corona-Krise stehen Klima-Krise, Hunger, Armut, wachsende Ungleichheit und menschliches Leid durch Gewalt und Krieg. In mehrerlei Hinsicht bedingen diese Krisen einander.

Als Gewerkschaft, verbunden in Global Unions, stehen wir für Frieden, Demokratie und Menschenrechte weltweit ein.

Unser Verständnis ist ein erweitertes und auch ein historisch untermauertes Verständnis von Sicherheit:

Wir wollen, dass alle Menschen selbstbestimmt und würdevoll von guter Arbeit leben können!

Dass Alle gegen die Risiken des Lebens wie Krankheiten, Unfälle und im Alter abgesichert sind und für sich und ihre Angehörigen angstfrei Zukunftsperspektiven wahrnehmen und ihre Persönlichkeit entfalten können!

 

Liebe Friedensfreunde,

gerade deshalb denke ich in diesem Moment an meinen streikenden Kolleginnen in Myanmar.

Ich fordere die Militärs auf – Stoppt das Schießen auf das eigene Volk. Achtet die Menschenrechte und das Recht auf freie Wahlen! Beendet endlich das Morden!

Die Pandemie hat mit einem Schlag offengelegt, wie verletzlich unser Zusammenleben ist und wie sehr wir über alle Grenzen hinweg voneinander abhängig sind. Nicht nur weil binnen kürzester Zeit globale Lieferketten unterbrochen wurden und hierzulande scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Desinfektionsmittel oder medizinische Schutzkleidung von einem Tag auf den anderen nicht mehr ausreichend verfügbar waren.

Sondern auch weil ein neues Virus, gegen das kein Mensch auf dem Planeten immun ist und das weder Herkunft, Nationalitäten noch Grenzen kennt, sich nicht mit Abschottung und nationalen Alleingängen bekämpfen lässt.

Genauso wenig übrigens wie der Klimawandel, der in vielen Regionen der Welt Hunger, Armut und Fluchtbewegungen erzeugt.

Diese Herausforderungen und Bedrohungen lassen sich nur gemeinsam, in solidarischer und friedlicher Kooperation bewältigen.

Ja, ich sehe es wie UN-Generalsekretär António Guterres. Wir brauchen einen globalen Waffenstillstand und nicht weiter unsinnige Kriege, die am Ende keinen Frieden schaffen, sondern nur zu Leid und Elend von vielen Menschen führen.

Nuklearwaffen stellen die Spitze des Potenzials gegenseitiger Zerstörung und Vernichtung dar, grausamer ist fast nicht mehr vorstellbar.

Die US-Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki haben uns die grausame Wirkungsweise gezeigt wozu Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen fähig sind.

Nukleare Aufrüstung bedeutet, dieses Zerstörungs- und Vernichtungspotenzial in besonderem Maße zu steigern. Doch statt sich dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu nähern, will Deutschland mit dem Kauf neuer, atomwaffenfähiger Kampfflugzeuge den Pfad der nuklearen Abrüstung verlassen. Und das in einer Zeit, in der Atommächte mit der Modernisierung ihrer Waffensysteme das Wettrüsten anheizen.

Das ist für mich unerträglich!

Die Milliarden, die für Anschaffung und Betrieb der Atomwaffenträger notwendig sind, wären besser investiert:

in ein handlungsfähiges Gesundheitswesen, in Forschung und Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und in die Unterstützung anderer Staaten in der Bekämpfung der Pandemie.

Ja, jeder Euro in das Gesundheitswesen statt in Waffensystemen kann mehr Leben retten!

Wir brauchen eine offene Debatte über den Sinn und Zweck atomarer Abschreckung. Ohne die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland wäre der Weg für die Bundesregierung frei, dem UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen beizutreten, wie es unser Nachbarland Österreich bereits vorgemacht hat.

Ja, die Teufelskreise immer weiterer Aufrüstung mit immer größeren Vernichtungspotenzialen müssen durchbrochen werden. Denn von mehr Sicherheit kann dabei für keine der beteiligten Seiten die Rede sein. Verschwenden wir nicht mehr Geld, Energie und Lebenskraft für Zerstörungs- und Vernichtungsmittel!

 

Liebe Friedensfreunde,

Wir fordern eine Haushaltspolitik, die Abrüstung zur Priorität macht. Wir fordern ein klares NEIN zum 2-Prozent-Aufrüstungsziel der NATO.

Investieren wir in die Zukunft statt aufzurüsten, denn …

Die Corona-Krise führt drastisch vor Augen, wie verantwortungslos diese Geldverschwendung ist. Besonders deutlich zeigt sich dies im Globalen Süden.

So sind etwa in vielen Ländern Lateinamerikas große Bevölkerungsteile schutzlos dem Virus ausgesetzt, weil es an einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung fehlt und die dortige Zwei-Klassen-Medizin Angehörige der Ober- und Mittelschicht privilegiert.

Gleichzeitig sind die Rüstungsausgaben in der Region in jüngster Zeit stark angestiegen – Geld, das für den dringend nötigen Ausbau der Gesundheits- und Sozialsysteme fehlt.

Aber auch im Falle Deutschlands legt die Corona-Krise schonungslos offen, wie gravierend die Fehlverteilung öffentlicher Mittel ist. Im Bundeshaushalt 2020 waren ursprünglich 12 Prozent der Ausgaben für den Verteidigungsetat vorgesehen, während nur ein Drittel davon in das Gesundheitssystem fließen sollte.

Es ist höchste Zeit, das Ruder herumzureißen!

Die Pandemie, der Klimawandel, die Digitalisierung – all diese gewaltigen Herausforderungen bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und vergrößern die soziale Ungleichheit. Wir müssen gegensteuern!

Dafür sind neben einem starken und solide finanzierten Sozialstaat immense öffentliche Investitionen nötig – in Gesundheit und Pflege, in unser Bildungssystem, in eine sozial-ökologische Gestaltung der Energie- und Verkehrswende, in die kommunale und digitale Infrastruktur und in den sozialen Wohnungsbau.

Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus, dafür sind wir heute hier aus tiefster Überzeugung. Eine Politik für die Zukunft der Menschheit braucht Frieden und Abrüstung.

Deshalb sage ich für die Gewerkschaftsbewegung:

  • Nein zu einer Erhöhung der Militärausgaben!
  • Nein zu Rüstungsexporten!
  • Für eine neue Entspannungspolitik jetzt!
  • Für ein Europa des Friedens und der Abrüstung und den Beitritts Deutschlands zum Atomwaffensperrvertrag!
  • Wir ermutigen unsere Mitglieder, engagiert Euch für Abrüstung, stärkt die Friedensinitiativen in Eurer Region!
  • Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung,
  • Abrüstung setzt Mittel frei für ein friedliches Leben, nicht nur hier, nein überall.

Stehen wir gemeinsam ein - für eine friedliche Welt!

Ich danke Euch für die Aufmerksamkeit!

 

Martin Gross ist Landesbezirksleiter von ver.di Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart.