Redebeitrag für den Ostermarsch Bremerhaven am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreunde,

die Initiative Mut zum Frieden ruft seit 2002 in jedem Jahr zu einer Friedensdemonstration in der Tradition der Ostermärsche auf, die es in Deutschland seit 1960 gibt. In Bremerhaven haben wir nur in den Jahren der Corona-Pandemie nicht aufgerufen.

Von Anfang an sind die Ostermärsche für eine Welt ohne Atombomben eingetreten. Wir hoffen, dass die Welt diesem Ziel durch den Atomwaffenverbotsvertrag der UNO einen Schritt näher gekommen ist. Über 50 Staaten haben ihn inzwischen ratifiziert, damit ist er am 22. Januar 2021 internationales Recht geworden. Auch wir haben im Aufruf zu dieser Kundgebung gefordert, dass er von Deutschland ratifiziert wird. Damit wäre dann auch die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden verboten, wie sie gegenwärtig noch in Büchel stattfindet.

Das Prinzip der atomaren Abschreckung wurde manchmal prägnant so formuliert: Wer als erster Atomwaffen einsetzt, stirbt als zweiter. Gemeint war, dass es unmöglich ist, alle Atomwaffen des Gegners bei einem Erstschlag zu vernichten, so dass der Gegner zurückschlagen kann. In letzter Zeit war in Verlautbarungen der Bundesregierung von „atomarer Teilhabe” die Rede. Wie passt das mit dem Prinzip der Abschreckung zusammen? Soll bei einem Angriff erst beraten werden, ob ein Gegenschlag erfolgen soll? Oder will man beraten, ob ein Erstschlag vielleicht doch möglich ist? Da die Hauptgefahren in versehentlich ausgelösten Angriffen z. B. durch Fehlalarme liegen, wäre es doch schlau, diese Gefahren zu minimieren. Und sie sind umso geringer, je länger die Raketen anfliegen, d. h. je weiter weg die Atombomben sind.

Ich hatte vor, in den Kundgebungsaufruf eine Art Quiz zu den Rüstungsausgaben zu integrieren. Ich habe mich damit nicht durchgesetzt. Aber ich kann hier ja mal fragen:

  • Frage: Wie viele unter den 15 Staaten, die 2019 die höchsten Rüstungsausgaben hatten, gehören der NATO an? Antwort: sechs. Ich sage gleich, welche das sind und Sie und ihr fragt euch mit mir, wer von denen eine gemeinsame Grenze mit Russland oder China hat, die aktuell ja als Feindbilder aufgebaut werden. Die sechs Staaten sind erstens die USA mit den höchsten Militärausgaben von allen Staaten, keine gemeinsame Grenze; zweitens Frankreich, keine gemeinsame Grenze; drittens Deutschland, keine gemeinsame Grenze; viertens das Vereinigte Königreich, keine gemeinsame Grenze, fünftens Italien, keine gemeinsame Grenze; sechstens Kanada, überhaupt nur Grenzen zu den USA.
  • Frage: In welchen der 15 Staaten ist der Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt am höchsten? Antwort: Wer hier auf die USA tippt, liegt falsch. Es ist Saudi-Arabien mit 8 %. Saudi-Arabien ist das Land mit den meisten Rüstungsimporten. Nicht die unhaltbare Lage im Jemen, für die Saudi-Arabien mitverantwortlich ist, hat auf Seiten der Exportnationen (dazu gehört auch Deutschland) zu einem Überdenken der Exportpolitik geführt, sondern die Ermordung des Journalisten Kashoggi. In der Rangliste der Länder nach der gewährten Pressefreiheit, die die NGO Reporter ohne Grenzen aufstellt, steht Saudi-Arabien auf Platz 170, noch nach Russland (Platz 141) und der Türkei (Platz 154) (am schlechtesten schneidet nach dieser Aufstellung Nordkorea auf Platz 190 ab). Auch wenn diese Aufstellung ihre Probleme haben mag, macht sie doch deutlich, dass es andere Kriterien als die Menschenrechtslage geben muss, wenn Feindbilder geschaffen werden.
  • Frage: Wenn man die Militärausgaben der sechs NATO-Staaten mit den höchsten Militärausgaben auf der einen Seite und die Militärausgaben Russlands und Chinas auf der anderen Seite zusammennimmt, in welchem Verhältnis stehen die beiden Summen dann?
  • Antwort: Auf volle 10 Milliarden gerundet hatten die genannten NATO-Staaten Militärausgaben von 5370 Milliarden US-Dollar, Russland und China zusammen von 630 Milliarden US-Dollar, das ist ungefähr ein Verhältnis von 8 : 1 oder anders gesagt, die Miltärausgaben aller NATO-Staaten sind mehr als achtmal so hoch wie die Militärausgaben von China und Russland zusammengenommen.

Im Mai 2020 war eine Schlagzeile einer Website des ZDF: „Der Nationale Volkskongress in China tagt. Trotz Corona-Krise. Auf ein Wachstumsziel verzichtet man, doch die Militärausgaben sollen kräftig gesteigert werden.” Im Beitrag ist dann zu lesen, dass eine Steigerung um 6,6 % erfolgen soll. Was da als Bedrohung dargestellt wird, ist allerdings für die USA nichts Besonderes, deren Militärausgaben stiegen von 2019 auf 2020 um 7,5 %.

Schon Adolph Knigge – der mit den Benimmregeln, der aber auch Aufklärer war – wusste: „Glaube immer – und du wirst wohl dabei fahren – dass die Menschen nicht halb so gut sind wie ihre Freunde sie schildern, und nicht halb so böse, wie ihre Feinde sie ausschreien.” Ich denke, dass das auch für Staaten gilt und indem man das nicht berücksichtigt kommt man dazu, mit zweierlei Maß zu messen und Feindbilder aufzubauen. Wer Menschenrechtsverletzungen in China anprangert, sollte wissen, dass ein Fünftel aller Strafgefangenen der Welt in den Gefängnissen der USA sitzen und dass in dem Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba seit etwa 20 Jahren des Terrorismus Bezichtigte ohne Gerichtsurteil gefangen gehalten werden. Von den anfänglich über 700 Gefangenen sitzen heute noch 40 ein. Ein Teil wurde freigelassen, wenn sich Länder fanden, die zu ihrer Aufnahme bereit waren. Pikanterweise waren 22 Uiguren dabei.

Der russischen Staatsführung wird unterstellt, die Vergiftung Nawalnys veranlasst zu haben. Diese Unterstellung wird benutzt, um das Feindbild Russland zu festigen. Nun sind dem Geheimdienst CIA Vergiftungen nicht so ganz verwerflich, wenn er sie selbst veranlasst. 1960 wurden zwei Kriminelle mit Giftpillen ausgestattet, die sie dem Regierungschef Kubas, Fidel Castro, ins Essen mischen sollten.

Ohne Feindbilder würden noch viel mehr Menschen sich fragen, warum es so absurd hohe Rüstungsausgaben geben muss. Feindbilder erhöhen die Gefahr, dass es tatsächlich zu militärischen Auseinandersetzungen kommt. Und auch in der ökonomischen Auseinandersetzung werden sie eingesetzt. Um das teurere Fracking-Gas US-amerikanischer Konzerne absetzen zu können, versuchen die USA zu verhindern, dass Nordstream 2 fertiggestellt wird – so werden Feindbilder genutzt.

Für den Krieg wird geübt, wir in Bremerhaven wissen das, denn über unsere Hafenanlagen wurde teilweise die Logistik für die Manöver Atlantic Resolve und Defender 2020 abgewickelt. Für die Gefahren, die auch im Frieden bestehen, wurde viel weniger geübt. Zwar weiß man durch Studien von 2012, dass Pandemien drohen, aber es hat keine Überlegungen gegeben, wie man sich darauf vorbereiten kann, z. B. durch eine Digitalisierung des Meldewesens der Gesundheitsämter, durch Ausarbeitung von Fragen für die statistische Erfassung, durch Schulung des Pflegepersonals wie Infektionen in ihren Einrichtungen verhindert werden können und mehr. Feueralarme werden geübt, bei der Pandemiebekämpfung wird improvisiert.

Ich werde am Ende der Kundgebung noch einmal die im Aufruf genannten Forderungen verlesen. Doch zunächst Katharina Diegritz mit ihrem Redebeitrag.

Darauf folgte noch der Beitrag von Carina Bahmann.

Zum Abschluss der Redebeiträge wurden noch die Forderungen des Aufrufs verlesen. Danach gab es nur noch einen Gesamgsbeitrag von Katharina Diegritz

Wir fordern:

  • eine neue internationale Entspannungspolitik, die auf Vernunft, Deeskalation und Abrüstungsverträge setzt, statt Feindbilder zu pflegen,
  • nicht Geflüchtete zu bekämpfen, sondern Kriege als Ursache ihrer Flucht,
  • atomare Abrüstung – in Büchel und weltweit – und Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrag,
  • die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr,
  • die Beendigung der Rüstungsexporte,
  • die Senkung der Rüstungsausgaben statt einer von der NATO geforderten Erhöhung,
  • Ächtung von autonomen Waffensystemen, keine Beschaffung oder Entwicklung von Killerdrohnen,
  • von der Bundesregierung, einen ernstzunehmenden Beitrag zu leisten für die Stärkung der Vereinten Nationen, die Achtung des Völkerrechts und eine Beendigung aller Kriege! 

Treten wir dafür ein, dass

  • die Unterweserhäfen nicht länger für militärische Logistik missbraucht werden,
  • die Bundeswehr nicht länger an Schulen und Hochschulen für Nachwuchs wirbt,
  • öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr unterbleiben.

 

Werner Begoihn ist aktiv bei der Initiative "Mut zum Frieden” in Bremerhaven.