Redebeitrag für den Ostermarsch Krefeld am 1. April 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

mein Name ist Wolfgang Bluhm und ich möchte etwas zum Ukraine-Krieg sagen.

Der Krieg in der Ukraine begann 2014 mit der sogenannten ‘Operation gegen den Terror’ der ukrainischen Regierung und dauert nun schon fast 10 Jahre. Vor über 2 Jahren wurde er mit dem Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine erheblich ausgeweitet. Hunderttausende Tote und Verletzte auf beiden Seiten, zerstörte Wohngebäude, zerstörte Infrastruktur, verheerende Umweltschäden sind das Ergebnis. Jeder Tag, den dieser Krieg länger dauert, verschlimmert die Situation.

Dieser Krieg muss schnellstmöglich durch einen Waffenstillstand beendet werden und es müssen Verhandlungen für eine dauerhafte Friedenslösung aufgenommen werden.

In der gegenwärtigen Situation darf es nicht entscheidend sein, wer den Krieg begonnen hat, sondern dass dieser Krieg schnell beendet wird! Alle Kräfte müssen auf eine diplomatische Lösung konzentriert werden!

Westliche Politiker und Medien fordern hingegen immer mehr Waffenlieferungen und sind bereit zu einer Ausweitung der Krieges. Es wird die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern gefordert, Präsident Macron will sogar Bodentruppen in die Ukraine schicken. Die etwas Gemäßigteren sagen, die Ukraine dürfe den Krieg nicht verlieren, die extremen Scharfmacher sagen, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen und sind auch bereit, diesen Krieg nach Russland auszuweiten. Der CDU-Politiker Kiesewetter fordert drastischere Maßnahmen. "Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände. Robert Habeck doziert darüber, dass wir uns auf einen Landkrieg vorbereiten müssten. Es sind leider nicht die einzigen inkompetenten Politiker, die der Illusion anhängen, dass ein Krieg in Europa führbar und gewinnbar sei. Die dann drohende reale Gefahr eines Atomkrieges wird ignoriert oder kleingeredet.

Begründet werden die Forderungen der Bellizisten immer wieder damit, dass Russland diesen Krieg unprovoziert begonnen habe und in der Ukraine unsere Freiheit verteidigt werde. (Übrigens wurde in Afghanistan auch schon mal unsere Freiheit verteidigt.)

Aber war dieser Krieg wirklich so unprovoziert, wie immer behauptet wird? Es gibt Einiges, das dagegen spricht:

  • Als erstes ist hier die NATO-Osterweiterung zu nennen. Obwohl in den 2+4-Gesprächen zugesichert wurde, wenn auch nicht vertraglich festgezurrt, dass keine NATO-Erweiterung nach Osten erfolgen sollte, hat sich die NATO seit 1999 kontinuierlich nach Osten erweitert und Russland zunehmend eingekreist. Die geplante Aufnahme der Ukraine in die NATO war für Russland eine rote Linie. Dies war seit Langem bekannt. Man kann darüber streiten, ob man das legitim findet. Aber man stelle sich mal die umgekehrte Situation vor: Russland oder China würden mit Mexiko und anderen mittelamerikanischen Staaten ein Militärbündnis schließen und dort militärische Berater stationieren oder Manöver abhalten.
  • Ein weiterer Punkt: die Nicht-Einhaltung der Abkommen Minsk 1 und 2 mit den Garantiemächten Deutschland und Frankreich. Angela Merkel hat in einem Zeit-Interview zugegeben, dass diese Abkommen dazu dienten, für die Ukraine Zeit zu gewinnen, um sich militärisch besser aufzustellen.  Es bestand nie die Absicht, die zugesicherte relative Autonomie der ukrainischen Ostgebiete zu realisieren. In der Zeit des Hinhaltens gingen die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine-Regierung und den Separatisten weiter, wobei aus Berichten der OSZE hervorgeht, dass durch Angriffe der Regierungstruppen weitaus mehr zivile Opfer zu beklagen waren als durch die Separatisten.
  • Dritter Punkt: Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit der Ukraine mit USA und NATO.

Im Spiegel (20.9.2021) kann man nachlesen, dass die Ukraine seit den Neunzigerjahren regelmäßig mit Einheiten aus Nato-Staaten  trainiert. Seit 2019 ist das Ziel eines Beitritts zum westlichen Militärbündnis in der Verfassung verankert. Im November 2019 wurde mit der NATO ein Vertrag über strategische Partnerschaft geschlossen. Im August 2021, also ca. 5 Monate  vor Kriegsbeginn unterzeichnete die Ukraine einen Vertrag zur militärischen Zusammenarbeit mit den USA. Im September desselben Jahres fanden in der Ukraine NATO-Manöver unter ukrainischer Beteiligung statt.

  • Vierter Punkt: CIA-Kräfte an der russischen Grenze. Wie erst kürzlich durch einen Bericht der New York Times bekannt wurde, ging die ukrainische Regierung 2014 “eine weitreichende Partnerschaft mit der CIA gegen Russland ein“ .  U.a. wirkte der bei der Ermordung von prorussischen Politikern in der Ost-Ukraine mit,  so z.B. bei der Tötung eines hochrangigen Separatisten-Kommandeurs.
  • Fünfter Punkt: Ein Jahr vor dem russischen Einmarsch unterzeichnete Präsident Selenskyj ein Dekret, das konkrete Vorbereitungen  zur Rückeroberung der Krim vorsah. Dies könnte man auch als ein Dokument zur Kriegsvorbereitung betrachten.

Wussten Sie  dies? Ist ein Krieg unter diesen Umständen unprovoziert? Warum wird dies alles in den so genannten Qualitätsmedien nicht erwähnt. Und warum erfahren wir Folgendes nicht: Am 7. September 2023 hielt NATO-Generalsekretär Stoltenberg eine Rede zum Hintergrund der Beitritte Schwedens und Finnlands, in der er – vermutlich ungewollt - bestätigte, dass  eine Chance bestanden hat, den Angriff Russlands zu verhindern:
                                                                                                                                                              “Hintergrund war, dass Präsident Putin im Herbst 2021 erklärte und tatsächlich einen Vertragsentwurf geschickt hat, den die Nato unterzeichnen sollte, mit dem Versprechen, dass es keine weitere Nato-Erweiterung gebe. Das war es, was er uns geschickt hat. Und das war eine Vorbedingung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Das haben wir natürlich nicht unterschrieben.“

Auch wenn möglicherweise nicht alles in den Vertragsvorschlägen Russlands umsetzbar war, so hätte man zumindest in Verhandlungen eintreten können, um einen Krieg zu verhindern. Aber offenbar war die Erweiterung der NATO wichtiger und unverhandelbar.

Auch mit der Demokratie, die angeblich in der Ukraine verteidigt wird, ist es dort nicht weit her. Vor Beginn des Krieges galt die Ukraine als das korrupteste Land Europas. Oppositionsparteien wurden weitgehend verboten. Mit dem Kriegsrecht regiert Selenskyj weitgehend autokratisch. Zudem haben faschistische Kräfte in der Ukraine erheblichen Einfluss. Die Ukraine ist zwar kein faschistisches Land, wie von russischer Seite häufig behauptet, aber dass die faschistischen Kräfte ein Machtfaktor sind, ist unbestreitbar.

Weder die Vorgeschichte des Krieges noch die Demokratiedefizite, die in Russland selbst im Übermaß vorliegen,  rechtfertigen allerdings den russischen Angriffskrieg. Dieser Krieg ist, wie alle Kriege, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er verursacht unendliches Leid, unglaubliche Zerstörungen und erzeugt vielen neuen Hass und er ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Er ist aber auch nicht so singulär, wie uns von Politik und Medien eingeredet wird. Angriffskriege ähnlicher Art gehören in der US-Aussenpolitik zum Business as usual, und auch Deutschland war vor nicht allzu langer Zeit mit dem Jugoslawien-Krieg an einem solchen Krieg ohne UN-Mandat beteiligt.

Auch die Brutalität des Ukraine-Kriegs ist zwar erschreckend, aber leider nichts Außer-gewöhnliches. Im Jugoslawien-Krieg wurden Eisenbahnbrücken, Chemiefabriken, Donaubrücken und die chinesische Botschaft bombardiert und Uran-Munition eingesetzt. Im Gaza-Krieg, der seit Oktober letzten Jahres dauert, wurden bereits weit mehr Zivilisten getötet als in dem über zwei Jahre dauernden Ukraine-Krieg. Von den Brutalitäten der USA-Krieg in Vietnam und Irak brauchen wir hier gar nicht zu reden.

Nichts kann den Ukraine-Krieg rechtfertigen. Aber wir sollten uns davor hüten, Russland und Putin derartig zu dämonisieren, dass Bemühungen um eine Beendigung des Krieges als zweck- und aussichtslos erscheinen.

Die Kritik an der Brutalität des Ukraine-Kriegs ist notwendig und legitim. Aber sie wird zur Kriegspropaganda, wenn sie als Begründung für die Fortsetzung des Kriegs und gegen Verhandlungen instrumentalisiert wird. Und die Dämonisierung des Gegners ist nichts Anderes als Kriegshetze. Die Dämonisierung Putins hat zudem schon lange vor dem Ukraine-Krieg begonnen.

Um eine immer weitere Ausweitung des Krieges zu verhindern, um weitere menschliche Opfer und weitere Zerstörungen zu verhindern, bleibt nur der Weg über einen schnellstmöglichen Waffenstillstand und anschließende weitere Verhandlungen. Wir wissen nicht genau, was über Verhandlungen mit Russland zu erreichen ist. Dies kann man nur herausfinden, wenn man es probiert. Aber wir wissen Eines: Dieser Krieg muss, wie alle anderen Kriege auch, letztlich durch Verhandlungen beendet werden. Ansonsten werden wir in einer noch viel größeren Katastrophe, möglicherweise in einer weltweiten, enden.

Deshalb:

  • Stopp der Kriegsrhetorik und der Diffamierung des Engagements für Friedenslösungen
  • Stopp der Waffenlieferungen, Vorrang für Diplomatie
  • Verhandlungen über einen sofortigen Waffenstillstand
  • Die Kriegshandlungen müssen schnellstmöglich beendet werden, um noch mehr Tote und Verletzte zu verhindern!

Vielen Dank.

 

Wolfgang Bluhm ist aktiv beim Krefelder Friedensbündnis.