Redebeitrag für den Ostermarsch in Bremerhaven am 19. April 2025

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Guten Tag, ich begrüße alle, 

die den Weg hierher gefunden haben und mindestens in Teilen mit unserem Aufruf für diese Demonstration übereinstimmen.

Seit 2002 haben einige von Mut zum Frieden jährlich zu einem Ostermarsch aufgerufen. Seit dieser Zeit, weil Ende 2001 feststand, dass sich Deutschland am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA auf Afghanistan beteiligen würde. Zur Erinnerung: Der Weltsicherheitsrat hat den USA kein förmliches Mandat erteilt, kein afghanischer Staatsbürger war bei den genannten Terroristen vom September 2001.

Während frühere Völkerrechtsbrüche nicht so wichtig zu sein schienen, – sich Deutschland auch an einigen beteiligte – änderte sich das mit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Es war unter anderem diese Doppelmoral und auch Nachrichten, nach denen eine Friedensverhandlung schon im März/April 2022 kurz vor dem Abschluss stand, die einige veranlassten, sich in der Initiative Mut zum Frieden zu beteiligen.

Unsere Hauptaktivität besteht seit über zwei Jahren darin, dass sich meistens zehn bis 15 von uns (an guten Tagen auch mehr) an jedem Freitag zu einer Mahnwache vor der Großen Kirche treffen. Zunächst nur mit Papptafeln, inzwischen mit einem Banner, das hier und auf unserer Internetseite zu sehen ist, fordern wir „VERHANDELN!” und verteilen dazu Flyer – zuletzt die Aufforderung an diesem Ostermarsch teilzunehmen.

Zunächst allgemein: In dieser Zeit sind weit über 10000 Flyer verteilt worden. Viele haben auch keine genommen, aber dass jemand sie genommen hat, um sie demonstrativ zu zerreißen oder auf den Boden zu werfen, ist nur zwei- oder dreimal passiert. Ebenso selten sind wir beschimpft oder angepöbelt worden. Auch ist es vorgekommen, dass uns Menschen zugestimmt haben, die nach eigenem Bekunden AfD-Mitglieder oder -Sympathisanten waren. Aber wir wissen uns ja jetzt auf der Seite von Friedrich Merz, der am 29. Januar 2025 unmittelbar vor der Abstimmung über seinen umstrittenen »5-Punkte-Plan« im Bundestag sagte:

»Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig«.

Ich weiß nicht, ob es überall so ist, aber uns ist die Polizei professionell freundlich begegnet, um nachzusehen, ob wir wieder da sind und wie viele wir sind.

So viel noch einmal zu uns.

1928 hat Arthur Ponsonby ein Buch geschrieben, in dem er kritisch darstellt, wie man friedfertige Menschen dazu bringt, einen Krieg zu unterstützen. Der deutsche Titel lautet „Lüge in Kriegszeiten”. Die belgische Historikerin Anne Morelli hat daraus griffig 10 Prinzipien der Kriegspropaganda gemacht (auf unserer Internetseite nachlesbar). Eines der Prinzipien heißt:

 „Angesehene Persönlichkeiten, Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.”
Mir fiel auf, dass viele Persönlichkeiten aufhörten angesehen zu sein, wenn sie zur Ukraine Meinungen vertraten, die dem sogenannten Main-Stream nicht passten. Da griff ein anderes der 10 Prinzipien, das da lautet:
„Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, steht auf der Seite des Gegners und ist ein Verräter.“
Nun kommen diese Menschen nicht ins Gefängnis, aber auch nicht mehr in Talk-Shows.

Hält man die Generäle Vad und Kujat weiterhin für Experten, dann geht man mit ihnen davon aus, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann und dass Russland militärisch nicht in der Lage ist, es mit dem Westen aufzunehmen. Es sind gerade diese Punkte, die den gegenwärtigen Rüstungsbemühungen der EU und Großbritanniens widersprechen.

Daran knüpfen sich für mich einige Fragen:

  • Was tun Deutschland oder Frankreich oder weitere Staaten Mittel und Westeuropas, wenn der Ukraine die Soldaten ausgehen?
  • Will man die Ukrainer so lange sterben lassen, bis der Westen Russland besiegen kann?
  • Wie viele Ukrainer und Ukrainerinnen, die nach Westen geflohen sind, werden versuchen, außerhalb der Ukraine ein neues Leben aufzubauen statt in ein zerstörtes Land zurückzukehren?

Hierzulande wenig bekannt geworden ist ein Artikel von der New York Times vom 29. März 2025. Aus dem kann man herauslesen, dass zwischen Vertretern des US-Militärs und des ukrainischen Militärs in Wiesbaden ein Abkommen geschlossen wurde. Danach übermittelten US-Geheimdienste und Militärs die Ziele, die das ukrainische Militär zu beschießen hatte. Ich zitiere aus diesem Artikel:

„In gewisser Weise war die Ukraine auf breiterer Ebene ein Rückspiel in einer langen Geschichte von Stellvertreterkriegen zwischen den USA und Russland - Vietnam in den 1960er Jahren, Afghanistan in den 1980er Jahren, Syrien drei Jahrzehnte später.

Es war auch ein großes Experiment in der Kriegsführung, das nicht nur den Ukrainern helfen, sondern auch den Amerikanern Lehren für künftige Kriege liefern sollte.”

Insbesondere die Lehren für künftige Kriege bereiten mir Sorgen. Ich erinnere an das sogenannte Sicherheitsparadoxon. Wenn eine Seite aufrüstet, um ihre Sicherheit zu vergrößern, fasst das die andere Seite als Bedrohung auf und rüstet ihrerseits. Bei den wechselseitigen Aufrüstungen verlieren beide Seiten an Sicherheit, denn mit immer schnelleren Reaktionsmöglichkeiten der Computer kann kein Irrtum korrigiert werden. Die Logik fordert, zuerst anzugreifen. Auch daran wird deutlich, dass es keine Alternative zu Verhandlungen gibt und zu neuen Rüstungskontrollvereinbarungen, um ein gegenseitiges Vertrauen wieder herzustellen. Die US-Mittelstreckenraketen sind da sicher kein hilfreicher Weg. Bei einer Reichweite von 2600 km kann die USA damit jeden Ort in Europa von Deutschland aus angreifen (ok, ganz bis zum Ural reicht’s nicht, aber die wichtigsten Städte Russlands sind schon dabei). Aber bei einer Luftlinie zwischen Berlin und New York von 6300 km sind die USA vor Mittelraketen geschützt.

Zwei Fehlkalkulationen in diesem Krieg:

  • Wäre aus dem Vertragsentwurf zwischen Russland und der Ukraine im März/April 2022 ein Friedensvertrag geworden, so lebten die Westukrainer unbehelligt in einem unzerstörten Land.
  • Die westlichen Sanktionen haben Deutschland mehr geschadet als Russland. Es fließt immer noch russisches Erdgas nach Deutschland, nur musste es den Umweg über Indien nehmen, wo es in Flüssiggas umgewandelt und auf dem Seeweg nach Deutschland gebracht wird. Lukrativ auch für indische Firmen.

Und zwei Überlegungen:

  • Sind Panzer überhaupt noch die Waffen der Zukunft? Wer China angreifen wollte, müsste berücksichtigen, dass China weltweit 70 % aller kommerziell genutzten Drohnen einsetzt.
  • Wer glaubt ernsthaft, dass ein paar Reservisten den Hafen schützen können?

Traditionell verlese ich jetzt noch die auf dem Ostermarschaufruf genannten Forderungen:

  • Stopp der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Diplomatie und Verhandlungslösungen statt Krieg!
  • Keine deutschen Kriegskredite, kein EU- Aufrüstungsprogramm!
  • Keine weiteren Waffenlieferungen in Kriegsgebiete!
  • Demontage aller Mittelstreckenwaffen in Europa, keine nukleare Teilhabe!
  • Weltweite Abrüstungsinitiativen, Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen!
  • Statt Rüstung: Geld für Bildung, Gesundheit, zivile Infrastruktur, Klimaschutz, bezahlbare Wohnungen und nachhaltige Zukunftsideen!
  • Bremerhaven als Friedenshafen, kein militärischer Ausbau von Häfen, Brücken und Straßen, z.B. der A20!

Vielen Dank.

 

Werner Begoihn ist aktiv bei der Bremerhavener "Initiative Mut zum Frieden".