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Antikriegs-
tag 2001


vom:
05.09.2001


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Antikriegstag 2001:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag 2001 am 1. September in München

Helmut Schmid



Es gilt das gesprochene Wort



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße Sie/Euch sehr herzlich zur heutigen Veranstaltung des Münchner Friedensbündnisses und des DGB-Kreis München anlässlich des Antikriegstages 2001.

Wie bereits an der Gestaltung des Saales zu sehen ist, führen wir heute eine Kulturveranstaltung mit zwei kurzen Redebeiträgen durch. Dies soll aber mitnichten eine Entpolitisierung dieser Veranstaltung zum Ausdruck bringen

Gerade die kulturelle Darstellung ist ein wichtiges Mittel, Zeitströmungen gegen Krieg und Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Dies ist im übrigen auch gute gewerkschaftliche Tradition.



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ausgerechnet am Antikriegstag 2001, dem 62. Jahrestag, des Überfalls Nazi-Deutschlands auf Polen, der den Beginn des 2. Weltkriegs markierte, also heute, begeht der "Bund der Vertriebenen" seinen "Tag der Heimat". Nach einer entsprechenden Vorgabe des Bundesinnenministeriums kann sich der BdV über die Beflaggung unter anderem in Sachsen-Anhalt, Bayern und sogar im SPD-PDS-regierten Mecklenburg-Vorpommern freuen.

Da wird mit staatlicher Unterstützung gerade am Antikriegstag die Fahne für die alte Heimat im Osten hochgehalten.

Dies muss vor den Hintergrund der Geschichte des BdV und seiner 19 Landsmannschaften eingeordnet werden.

So schrieb der BdV-Funktionär Paul Latussek - eine. Figur mit besten Beziehungen ins rechtsextremistische Lager - 1995 in der sattsam bekannten rechten Zeitschrift "Nation und Europa": "Mit der Wiedervereinigung von West- und Mitteideutschland und dem Wegfall des Eisernen Vorhanges sind nunmehr neue Bedingungen für eine selbständige deutsche Politik in Europa entstanden, die auch der Vertriebenenpolitik neue Möglichkeiten schaffen. Es ist Aufgabe der deutschen Politik, mit Selbstbewusstsein und Mut zur geschichtlichen Wahrheit unserer Nation wieder den Platz in der Völkergemeinschaft zu geben, der unseren Traditionen, aber auch unserer Bedeutung als Kulturnation und Wirtschaftsmacht entspricht. Will sie dieser Aufgabe gerecht werden, so wird sie nicht daran vorbeikommen, die Wahrung und Wiederbelebung einer 800-jährigen Kulturnation der ostdeutschen Gebiete ernsthaft zu betreiben." Soweit Latussek.

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Diese Denkweisen sickerten in den Jahren seit 1989 nach und nach In den gesellschaftlichen Diskurs ein. Forderungen an Tschechien und Polen werden verbunden mit Drohungen gegen diese EU-Beitriffskandidaten, ihrem Beitritt mit einem Veto zu begegnen.

Hierzu brauche es, so die BdV-Präsidentin Erika Steinbach (CDU-MdB) am 26. August 1999 in der "Süddeutschen Zeitung", "keine Kampfflugzeuge".



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist natürlich kein Zufall, dass der BdV den "Tag der Heimat" auf den 1. September, unseren traditionellen Antikriegstag, gelegt hat. Diese Terminierung ist eine Kampfansage in zweierlei Hinsicht:

Zum einen geht es in geschichtsrevisionistischer Absicht um die Relativierung der deutschen Kriegsschuld zum anderen sollen die Ziele deutscher Außenpolitik in Richtung Osten und auch weltweit ohne sogenannte vergangenheitsbezogene Verkrampfungen so formuliert werden, dass sie eine breite bewusstseinsmäßige Verankerung in der Bevölkerung erhalten.

Dem müssen wir entschieden entgegentreten



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben es nach der Ära der Systemkonkurrenz international mit einem Prozess zu tun, den ich als Prozess der weltweiten Gestaltung der Marktwirtschaft bezeichnen möchte.

Wir erleben die praktische Realisierung des Satzes von Marx dass der Weltmarkt "überhaupt die Basis und Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise bildet".

Diese Formierung einer marktwirtschaftlichen Weit buchstäblich bis in deren letzten Winkel, die ohne Staaten und Staatenbündnisse nicht denkbar wäre, führt zu teilweise dramatischen Verelendungsprozessen und einer Reihe von begrenzten regionalen Kriegen.

Die über ein internationales Finanzsystem vermittelten Kriterien marktwirtschaftlich profitablen Produzierens zwingen die Staaten der Welt dazu, sich trotz Ihrer unterschiedlichen politischen und sozialen Strukturen den Rechenarten marktwirtschaftlicher Logik zu unterwerfen.

Folglich sind Standortsicherung im Innern und politische und militärische Handlungsfähigkeit nach außen die zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Die Formierung der nationalen Arbeitskraft Im Rahmen der Standortkonkurrenz und die Fähigkeit, auch an weit entfernten Orten Sicherheitsinteressen geltend zu machen und durchzusetzen, sind zusammengehörende Momente eines Prozesses.

Die Staaten sind also nicht, wie viele sogenannte Globalisierungsgegner oberflächlicher- und fälschlicherweise meinen, quasi Opfer der internationalen Konkurrenz, nein, die Staaten sind mit ihrem jeweiligen nationalen Kapital im Rücken die Macher derselben.



Sie machen ja auch

 die Modernisierung des Sozialstaats,

 die heimische Standortsicherung,

 die Reduzierung sogenannter Besitzstände der abhängig Beschäftigten und

 die Bedingungen, unter denen mit anderen Staaten die weltweite Konkurrenz geregelt wird, und dies sowohl diplomatisch, als auch militärisch.



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

daher muss es der Friedensbewegung und der Gewerkschaftsbewegung In dieser Zeit darum gehen, diese Zusammenhänge bewusst zu machen und öffentlich zu diskutieren.

Es ist richtig, was in unserem Aufruf zum 1. September 2001 steht: Der Antikriegstag ist ein Tag des Kampfes gegen die Militarisierung der Politik und für weltweit soziale und friedliche Verhältnisse.



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist notwendig und mir ein Bedürfnis, abschließend noch einige Worte zu Mazedonien zu sagen:

Obwohl uns ja immer angekündigt wurde, dass mit dem politischen Ende von Slobodan Milosevic die Hauptursache für die Probleme auf dem Balkan beseitigt sei, sehen wir uns doch einer anderen Realität gegenüber.

Nun also sollen mit deutscher Beteiligung angeblich innerhalb von 30 Tagen die Waffen eingesammelt werden` die von vielen NATO-Staaten, darunter auch den USA, in den vergangenen Jahren geliefert wurden.

Nun sollen die angeblich friedlichen Modelle Bosnien und Kosovo auf Mazedonien übertragen werden.

Machen wir uns nichts vor: es geht beim Einsatz in Mazedonien letztlich um einen Kampfeinsatz. Dieser ist ein weiterer Schrift in der seit Jahren betriebenen Militarisierung der Außenpolitik.

Eine friedliche Perspektive für den gesamten Balkan wurde immer nur verbal proklamiert, nie aber konkret begonnen. Aus einem Konflikt wurden neue Konflikte. Aus einer militärischen Intervention, vorgeblich immer nur in humanitärer Absicht, erwuchs dann quasi zwangsläufig die notwendige nächste Intervention. Ein Ende ist nicht in Sicht.



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich unterstütze eine solche Politik nicht. Ich unterstütze keine Politik, die In den letzten Jahren ökonomische und soziale Zerrüttung und menschliches Leid nicht verringert, sondern vergrößert hat.

Ich bestehe auf den Satz aus unserem Grundsatzprogramm:

"Soziale, ökonomische und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Weg ohne militärische Gewalt gelöst werden"


Helmut Schmid ist Vorsitzender des DGB Kreises München

E-Mail:   muenchen@dgb.de
Internet: http://www.dgbmuenchen.de
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