Netzwerk Friedenskooperative



Antikriegs-
tag 2002


vom:
02.09.2002

Antikriegstag 2002:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Friedensveranstaltung zum Antikriegstag 2002 am Geschwister-Scholl-Platz in VS-Schwenningen am 1. September 2002

Heinz Geyer (Vors. der DGB-Region Schwarzwald ...)

- Es gilt das gesprochene Wort ! -



Anrede

Heute genau auf den Tag vor 63 Jahren, am 1. September 1939, entfesselte Hitler, entfesselte Nazideutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg.

Mit diesem Krieg, der die Juden vernichten und die deutsche Herrschaft über die slawischen Nachbarvölker erzwingen sollte, begann ein entsetzlicher Weg des Leidens, der Verwüstung, des Tötens und Mordens.

12 Jahre einer menschenverachtenden Barbarei, die in der Geschichte beispiellos ist und die Tragödie des Zweiten Weltkrieges kosteten 55 Millionen Menschen das Leben.

Eugen Kogon schreibt dazu in seinem Buch "Der SS-Staat":

"Ein wirkliches Verständnis des Nationalsozialismus ist nur möglich, wenn man seinen schauervollsten Ausdruck - die Grausamkeiten in den Vernichtungslagern - nicht als Auswuchs, sondern als unausweichliche Konsequenz des gesamten Systems versteht."

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

was zwischen 1939 und 1945 geschah, können wir nicht mehr rückgängig machen.

Aber was wir können und müssen ist die Erinnerung daran wach zuhalten und die notwendigen Lehren aus diesem schwärzesten Kapitel unserer Geschichte zu ziehen.

1945, nach der Befreiung vom Faschismus und Ende des 2. Weltkrieges, als die halbe Welt in Schutt und Asche lag, waren die Menschen von dem festen Willen beseelt, eine solche Katastrophe, einen solchen Wahnsinn, in der Zukunft ein für alle Mal zu verhindern.

Es entstand eine internationale Solidarität gegen kriegerische Auseinandersetzungen und eine weltweite Einigkeit für Frieden. Diese Einigkeit fand ihren Ausdruck in der "Charta der Vereinigten Nationen". Das war 1945.

Hiroshima und Nagasaki waren noch in unmittelbarer, schrecklicher Erinnerung.

Heute- 57 Jahre später - wissen wir, dass seitdem und unabhängig davon, kein Jahr, kein Tag, keine Stunde vergangen ist, ohne dass irgendwo Menschen bei bewaffneten Auseinandersetzungen umgebracht wurden.

In über 170 Kriegen nach 1945 wurden mehr als 30 Millionen Mensch getötet, darunter 98 % Zivilpersonen.

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Antikriegs-
tag 2002
Diese entsetzliche Bilanz macht mit Blick auf die aktuellen, schrecklichen Ereignisse im Nahen Osten, wie in anderen Teilen der Welt deutlich, dass der Krieg als gewolltes Mittel der Politik bis heute existiert.

Nach den jüngsten Kriegshandlungen in Afghanistan, wo durch wochenlange Flächenbombardements der USA - in ihrem angeblichen Kampf gegen den Terrorismus - über 3000 unschuldige Menschen, darunter unzählige Frauen und Kinder getötet worden sind, plant US-Präsident Bush jetzt den Krieg "gegen den Terrorismus" auszuweiten. Als nächstes festes Ziel steht der Irak auf dem Plan. Ein Kreuzzug gegen politisch missliebige Staaten droht.

Die Staaten der Welt werden in Gut und Böse eingeteilt, um militärische Gewaltanwendung zu rechtfertigen, wann und wo immer dies nützlich erscheint.

Um nicht missverstanden zu werden:

Nichts kann Terrorakte und Mordanschläge entschuldigen, ganz gleich ob sie von religiösen Fundamentalisten, Milizen oder von Widerstandsbewegungen begangen werden.

Genauso aber ist Krieg kein Mittel gegen den Terrorismus. Krieg selbst ist Terror und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil er die zivile unbeteiligte Bevölkerung trifft und durch Zerstörung der Infrastruktur den Menschen die letzte Lebensgrundlage entzieht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

mehr denn je stehen wir heute an einer Wendemarke von einer Politik der Kriegsvermeidung zu einer Politik der Kriegführung. Der 11. September 2001 scheint alle Hemmungen vollends über Bord geworfen zu haben. Ob "friedenserhaltende" oder "friedensstiftende" Maßnahmen - immer handelt es sich um Krieg.

Nach dem Golfkrieg, nach Jugoslawien und Afghanistan schient die alte Doktrin mehr und mehr wieder an Boden zu gewinnen:

"Wenn du den Frieden willst, musst du den Krieg vorbereiten."

Ich sage dazu: "Nein !"

Diese Logik muss endlich durchbrochen werden.

Von dorther ist es gut, dass die heutige Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder an ihrem klaren Nein gegen einen Krieg mit deutscher Beteiligung im Irak uneingeschränkt festhält.

Wir müssen endlich wegkommen von der Fixierung auf Militäreinsätze, die erfahrungsgemäß immer wieder aufs Neue eine endlose Spirale der Gewalt und Gegengewalt in gang setzen, an deren Ende Zerstörung und die unschuldige Zivilbevölkerung die Opfer und Leidtragenden sind, derweil die Rädelsführer, Verursacher sowie Kriegs- und Rüstungsexporteure weit vom Schuss ihrem Luxusleben frönen.

In aller Deutlichkeit sage ich auch:

Der Einsatz von Atomwaffen gegen die Bekämpfung des Terrorismus- wie unlängst von den USA in Erwägung gezogen - hätte weltweit unübersehbare fatale und vernichtende Folgen.

Schon der Gedanke an eine solche Möglichkeit ist eine Perversion für die es in der globalisierten Welt, die sich auf die Errungenschaften der Zivilisation beruft, keinerlei Rechtfertigung gibt - weder politisch noch moralisch.

Und noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Folgendes stand erst vor kurzem als Schlagzeilen in unseren Tageszeitungen:

"Terror schraubt Rüstungsspirale hoch"

"USA mit Abstand größter Waffenexporteur der Welt, gefolgt von Russland, Frankreich, England, Deutschland steht an 5. Stelle"

"Ärmste Länder Afrikas zahlen kräftig fürs Militär, 60 % gehen in die Entwicklungsländer"

Dieser Tatbestand ist doch blanker Zynismus und steht in einem eklatanten Widerspruch zu den angeblich friedenspolitischen Zielsetzungen einer sich selbsternannten, zivilisierten Industriegesellschaft und Staatengemeinschaft.

Alle wissen es doch und tun es trotzdem:

Rüstung tötet auch im Frieden, weil es eine Verschwendung menschlicher und finanzieller Ressourcen ist und weil das Geld an anderer Stelle fehlt.

Rüstungsexporte fördern und zementieren die Ungleichheit und Unterentwicklung der Menschen in den ärmsten Ländern, stützen autoritäre Regime und Diktaturen, sichern Privilegien politischer und militärischer Eliten und behindern demokratische Entwicklungen.

Zig Beispiele verdeutlichen, dass Länder, die mit Hilfe des Westens aufgerüstet wurden, mit diesen Waffen Krieg geführt haben, gegen ihre Nachbarn oder gegen Teile der eigenen Bevölkerung.

Im Wissen um all diese Zusammenhänge, im Wissen um die wirklichen Motive von Militarismus und Kriegshandlungen und nicht zuletzt im Wissen um die verheerende Bilanz von Zerstörung, millionenfachen Tötens und menschlichen Leid in zurückliegender Zeit, wie in der Gegenwart unterstreicht der Deutsche Gewerkschaftsbund nachhaltig, auch an diesem Antikriegstag 2002, sein kategorisches Nein zu jeglicher Art von Militarisierung und Kriegshandlungen unabhängig und durch wen und mit welchen Motiven auch immer begründet.

Statt dessen fordern wir die politisch Verantwortlichen auf, endlich ernst zu machen, durch konkrete Maßnahmen zur Prävention und Kriegsverhütung.

Lasst uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Kenntnis unserer leidvollen Geschichte, im Gedenken an die Opfer von Krieg und Faschismus und mit Blick auf die aktuellen weltweiten Ereignisse endlich auch Schluss machen mit den drei unheiligen Sätzen der Deutschen, die da lauten:

1. Mitmachen um Schlimmeres zu verhindern

2. Wie konnte es dazu kommen ?

und 3. Das haben wir nicht gewollt.

Sind wir uns bewusst:

Auch unsere Generation muss eines Tages Rede und Antwort stehen. Dann werden uns keine Ausflüchte helfen, weil wir nicht an unseren Reden sondern ausschließlich zurecht an unseren Taten gemessen werden.

Selbstverständlich haben auch wir eine große internationale Verantwortung. Dazu gehört aber in erster Linie eine friedensstiftende, internationale Politik.

Deutschland schuldet der Welt weder todbringende Waffen, noch Soldaten für Kriegshandlungen, sondern Beiträge zu Frieden, gewaltloser Konfliktlösung und Initiativen für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.

Die zentralen Herauforderungen für die Menschheit sind Hunger, Armut, Krankheiten, Umweltzerstörung, Klimakatastrophen und Massenarbeitslosigkeit.

Keines dieser Probleme lässt sich militärisch lösen.

Und noch ein Letztes, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur Zeit wird ja parteiübergreifend auf der politischen Ebene wieder einmal heftig über die richtigen Rezepte zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit gestritten.

Ich sage und unterstreiche dazu folgendes:

Gemeinsame und geeignete Anstrengungen in unserem Land hierzu sind unerlässlich, notwendig und richtig.

Wenn es aber nicht gelingt die Gewaltspirale zu durchbrechen und den Frieden in der Welt zu sichern,

wenn es nicht gelingt, in Allianz mit den reichsten Industriestaaten und in Solidarität mit den armen Ländern der Welt dem globalen Kapitalismus seine Giftzähne zu ziehen und global weltweit gerechte Verhältnisse zu schaffen, sind alle nationale Anstrengungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mittel und langfristig umsonst.

Wer, wie derzeitig, durch die Lande reist und durch Ausklammerung und Ignoranz dieser Grundursachen der Bevölkerung suggeriert, Massenarbeitslosigkeit in Millionenhöhe sei hausgemacht und ließe sich ausschließlich national gar mit neoliberaler Wirtschaftspolitik, mit Deregulierung - sprich Einschränkung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten, Sozialabbau und Steuergeschenken für Reiche beseitigen, frei nach der These:" Mach die Reichen reicher und die Armen Ärmer damit es aufwärts geht", betreibt bewusste Augenwischerei und entgegen besseren Wissens ein verantwortungsloses, verhängnisvolles und gefährliches Spiel mit der Wahrheit und Zukunft der Menschen.

Sind wir uns alle auch bewusst:

Die weltweiten Probleme und menschlichen Katastrophen werden uns auch hier in Europa einholen- an unseren Grenzen kein Halt machen.

Deshalb gilt es heute jeden Tag aufs Neue gemeinsam die Kriegshandlungen in aller Welt, zu ächten,

sowie der Globalisierung und Zentralisierung von Kapital und Machtstrukturen nachhaltig mit der Globalisierung durch Frieden und Gerechtigkeit zu begegnen.

Noch ist es dafür nicht zu spät - aber viel Zeit dafür ist nicht mehr!



E-Mail:   heinz.geyer@dgb.de
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