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Erstellt:
18.08.1997


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Bruce Gagnon am 20. März 1997 in Darmstadt

Interview zur "Ambivalenz der Weltraumtechnik"

geführt von Peter Rieth u.Regina Hagen, Darmstädter Friedensforum

Bruce, würden Sie sich bitte kurz vorstellen

Ich heiße Bruce Gagnon und arbeite als State Coordinator für die "Florida Coalition for Peace and Justice". Das ist eine Friedensorganisation, die im US-Bundesstaat Florida aktiv ist. Wir beschäftigen uns seit 10 Jahren mit Weltraumtechnik. Zu diesem Thema kamen wir, da sich Cape Canaveral in Florida befindet, von wo die ganzen Raketen ins All geschossen werden.

Außerdem haben wir eine internationale Organisation gegründet, das "Global Network against Weapons and Nuclear Power in Space", also ein Netzwerk gegen die Stationierung von Waffen und die Nutzung von Kernenergie im Weltall. Da arbeiten auch Freunde aus New York und Colorado mit. Gemeinsam versuchen wir, das Thema bei den Friedensgruppen in der ganzen Welt bekanntzumachen. Deshalb sind wir jetzt auch hier in Deutschland.

Bei unserer Arbeit stellen wir fest, daß die militärische Nutzung des Weltraums zunimmt. Die Militärs haben immer mehr Ideen für Weltraumwaffen. Wir versuchen herauszufinden, wozu sie diese Waffen im Weltraum brauchen. Sie wollen die Waffen nicht nur zur Beherrschung der Erde einsetzen - das US Space Command hat sich selbst ein Logo gegeben, ein Motto. Und das lautet "Master of Space", also Beherrscher des Weltalls.

Wir Amerikaner wollen also den Weltraum nicht nur kontrollieren, um die Erde kontrollieren zu können. Wir wollen die Waffen nicht nur, um die Erde zu kontrollieren. Sondern wir wollen die Waffen im All auch, um das All selbst zu kontrollieren.

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Folglich stellt sich die Frage: "Was wollen wir eigentlich im All? Was haben wir da vor?"

Ich vergleiche das gerne mit Christoph Kolumbus. Für uns in Amerika ist er eine ganz herausragende Gestalt der Geschichte. Kolumbus kam im Auftrag der Königin von Spanien. Er war auf der Suche nach neuen Märkten und nach neuen Bodenschätzen. Und als er auf den Karibischen Inseln landete, traf er auf die Indianer. Und er begann gleich damit, ihnen die Hände abzuhacken, sie umzubringen, sie zu versklaven. Damit zeigte er seine Dominanz, seine Überlegenheit. Wer ist hier der Beherrscher? Und dann begann er, nach Gold zu suchen.

Ja, und heute passiert genau das selbe wieder. Die Vereinigten Staaten haben bei den Weltraummissionen der letzten Jahre erkannt, daß der Mond und der Mars und die Asteroiden und Kometen zahlreiche Bodenschätze enthalten. Der Mond zum Beispiel enthält viel Helium-3. Da gibt es Nickel und Kobalt. Es gibt Platin. Auf den Planeten findet man ganz unterschiedliche Mineralien und Bodenschätze. Und die Vereinigten Staaten sind fest entschlossen, diese Planeten in ihren Besitz zu nehmen.

Mit den Weltraumprogrammen ist es also ganz ähnlich wie mit Christoph Kolumbus. Und die Amerikaner wollen die amerikanische Flagge im Weltall hissen. Und wir wollen die "Master of Space" werden, die Beherrscher des Weltalls. Wir wollen sicherstellen, daß wir das All kontrollieren. Und daß der Mond uns gehört. Und daß der Mars uns gehört. Und wenn es dann soweit ist, daß man diese Bodenschätze ausbeuten und zur Erde bringen kann, daß das dann auch von den Vereinigten Staaten gemacht wird. Und kein anderes Land kann uns daran hindern. Weil wir nämlich die "unüberwindliche Armada" haben. Wir beherrschen die "sieben Meere". Die sieben Meere aber befinden sich in diesem Fall im Weltraum. Wir beherrschen die Planeten. Und dazu brauchen wir das Militär im Weltraum. Also sorgen die dafür, daß das auch so kommt.

Und daran arbeiten sie jetzt. Allerdings haben sie ein Problem: Geld. Weil dieses Unterfangen außerordentlich teuer ist. Deshalb haben sie für die Finanzierung einen Umweg gewählt: Seit der Zeit, als die Sowjetunion noch existierte und Ronald Reagan im Amt war, hatte das Militär ein sehr hohes Budget. $ 300 Mrd. gaben wir für das Pentagon aus, als Ronald Reagans Präsidentschaft zu Ende ging. Und bis heute geben wir immer noch $ 260 Mrd. dafür aus. Obwohl es die Sowjetunion gar nicht mehr gibt. Wir haben keine echten Feine mehr. Aber wir haben dieses enorme Militärbudget. Warum?

Nun, der Grund dafür ist, daß wir uns jetzt auf diese neue Mission eingelassen haben, auf diese neue Richtung. Und dafür brauchen sie viel Geld. Und deshalb kürzen sie die Sozialprogramme. Sie kürzen an der Wohlfahrt, an der Gesundheitsversorgung, sie diskutieren sogar Kürzungen der Sozialprogramme für alte Menschen. Sie kürzen alle möglichen Programme. Sie kürzen bei den Umweltschutzprogrammen. Und all das Geld verwenden Sie dann, um das Weltall zu erkunden, um die zukünftige Ausbeutung des Weltalls zu erkunden.

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Werden diese Weltraumprogramme in den Vereinigten Staaten politisch diskutiert?

Nicht wirklich. Es wird zwar viel über die ständigen Kürzungen diskutiert. Das wird aber nicht in Zusammenhang gebracht mit der militärischen Strategie.

Die Friedensgruppen konzentrieren sich auf die alten Waffensysteme, auf die Interkontinentalraketen und andere konventionelle Waffen. Das ist einerseits natürlich wichtig und verständlich. Natürlich wollen wir keine Kriege, und wir wollen auch keine Waffen für Kriege hier auf der Erde. Aber andererseits schaut die Friedensbewegung nicht weit genug in die Zukunft, sie kümmert sich zuwenig um die neue Militärstrategie des 21. Jahrhunderts.

Wie soll ich das erklären? Als Christoph Kolumbus mit seinen drei Schiffen von Spanien lossegelte, da standen die Menschen nicht am Ufer. Also das ist so, wie wenn die Friedensbewegung nicht da ist. Sie begriffen nicht, was da vor sich geht. Sie haben nicht erkannt, daß Kolumbus auszug, andere Menschen zu beherrschen,...

...einen neuen Kontinent?

Ja. Aber auch alles andere. Und das trifft auch auf uns heute zu. Deshalb versuchen wir, die Menschen auf das Ufer zum Weltraum aufmerksam zu machen. Das Ufer zum Weltraum ist Cape Canaveral in Florida, wo die Raketen abgeschossen werden. Und wir sagen: "Kommt her und schaut Euch das an. Schaut Euch an, was hier passiert. Schaut Euch an, welche Visionen sie haben. Schaut Euch ihre Pläne an. Schaut Euch an, was sie vorhaben."

Wir sind fest davon überzeugt, wenn die Menschen sich damit beschäftigen, begreifen Sie auch, was das alles für die Zukunft bedeuten kann. Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben die historische Chance, etwas Schlechtes zu unterbinden, bevor es passiert. Sonst machen wir immer Schadensbegrenzung. Wir versuchen Kriege zu stoppen, nachdem sie ausgebrochen sind. Wir wollen Atomwaffen abschaffen, nachdem Sie stationiert wurden. Einmal haben wir jetzt die Chance, uns vorher einer Sache entgegenzustellen und sie zu verhindern. Wir haben allerdings nicht viel Zeit dafür. Die Sache ist wirklich dringend. Wir empfinden die Dringlichkeit sehr stark. Deshalb sind wir nach Deutschland gekommen. Wir waren diese Woche schon in England, Belgien und Holland. Wir wollen den Menschen hier klarmachen, was da eigentlich passiert.

Um wer ist für diese Projekte, über die Sie geredet haben, politisch verantwortlich? Wer profitiert davon?

Also, zuerst mal braucht man natürlich Raumschiffe. Kolumbus konnte erst lossegeln, als er die Schiffe hatte. Sie brauchen große Raumfahrzeuge, sie brauchen Missionen. Und wer stellt die Raketen her? Wer stellt die Landefahrzeuge für den Mars her? Wer stellt die Erkundungsfahrzeuge für den Mars her, die die Kartierung machen und das Gestein untersuchen und aufsammeln und für die Wissenschaftler zur Erde zurückbringen? Wer macht das alles? Die Rüstungsindustrie! Es sind die selben Firmen, die auch die Waffen herstellen.

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Einerseits erkunden also die Waffenhersteller diese Planeten, kartieren sie, bauen die Straße ins All, die Straße zum Profit. Das tun sie übrigens mit unserem Geld - dem Geld der Steuerzahler. Gleichzeitig bauen sie aber auch die Waffen für den Weltraum. Und sobald die Straße ins All da ist, können sie diese dann auch überwachen und sicherstellen, daß niemand ohne ihre Genehmigung diese Straße betritt. Das sind dieselben Firmen. Und wir bezahlen das alles.

Und ich bin fest davon überzeugt, wenn sie den Mond oder den Mars erst mal im Griff haben und damit Geld verdienen können, dann sagt unsere Regierung: "Oh, also wirklich, wir müssen die Raumfahrt privatisieren. Die Steuerzahler haben schon viel zu lange dafür bezahlt. Wir müssen das wirklich privatisieren. Sollen doch die beteiligten Firmen für die Ausbeutung des Weltraums bezahlen." Und was passiert dann? Sie privatisieren das Ganze, und die Rüstungsindustrie verdient daran. Die Profite gehen an die Rüstungsindustrie, und der Steuerzahler geht leer aus. Obwohl wir alles finanziert haben. Das funktioniert doch immer so.

Die Rüstungskonzerne verdienen also gleich doppelt? Sie verdienen an der Rohstoffausbeute im Weltall, und gleichzeitig verdienen Sie damit, die neuen Besitztümer der Amerikaner im All zu schützen?

Ja, ich bin ganz sicher, daß das so kommt - wenn wir sie nicht daran hindern.

Ich glaube aber, unsere Erklärungen klingen plausibel. Ich glaube, wenn wir die historischen Parallelen aufzeigen, verstehen die Menschen, was vorgeht. Das ist alles schon so oft passiert. Es wird immer behauptet, daß Verbrecher einen bestimmten modus operandi haben, bestimmte Verhaltensweisen, die sie immer wiederholen. Und daß ein guter Kriminalbeamter deshalb immer herausfinden kann, wer ein Verbrechen begangen hat, weil der Verbrecher immer verräterische Spuren hinterläßt.

Ich bin davon überzeugt, daß man auch bei der Betrachtung der Kriegsgeschichte, der Eroberungen, des Kolonialismus immer einen modus operandi erkennen kann. Sie hinterlassen immer verräterische Spuren. Und wenn wir das den Menschen überall auf der Erde klarmachen können, wenn wir sie auffordern, dieses Bild, das wir entwerfen, genau anzuschauen, dann werden die Menschen sagen: "Jawohl, das klingt überzeugend." Und ich bin sicher, die Menschen werden auch sagen: "Nein, laßt uns die Saat der Gier und des Krieges nicht auch noch ins Weltall tragen." Dort haben wir die Chance, alles besser zu machen. Dort können wir den Frieden bewahren und die Schöpfung, anstatt alles wie hier auf Erden zu verschmutzen.

Wie ein großer Nationalpark also?

Genau, wie ein intergalaktischer Park. Aber dafür brauchen wir so etwas wie Wildhüter. Es muß Leute geben, die ihre Stimme für diesen Park erheben. Ich glaube fest daran, daß der Aufbruch ins Weltall unser Schicksal ist. Die Frage ist nur, wie wir dorthin gehen. Gehen wir mit Gier dorthin oder zu unser aller Nutzen? Ich glaube, daß wir damit die Vorstellungskraft der Menschen errreichen, und daß sie sich dafür interessieren. Wir müssen es ihnen einfach richtig vermitteln.

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Sie haben vorher gesagt, daß all diese Informationen auch für Sie recht neu sind. Arbeiten Sie zu diesem Themenbereich bereits mit Friedensgruppen und Menschen aus anderen Ländern zusammen, oder ist das eine rein amerikanische Sache?

Tja, natürlich sehen alle anderen Länder auch, was da vor sich geht. Die Franzosen - sie haben bestimmt nicht vor, den Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Weltraum zu überlassen. Die Deutschen - sie wollen den Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Weltraum nicht überlassen. Die Russen - sie wollen den Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Weltraum nicht überlassen. Daher ist ein Wettrüsten im All recht wahrscheinlich. Und dieses Wettrüsten wird von der Furcht angefeuert, daß wir unseren Zugang zum All verlieren, wenn wir im All nicht konkurrenzfähig sind. Das heißt, alle diese Länder wollen auf keinen Fall den Zugang zu all diesen Dingen verlieren.

Und auch dafür gibt es geschichtliche Parallelen. Unser Land, Amerika, wurde ja von drei oder vier Supermächten kolonalisiert - England, Spanien, Frankreich, Holland. Und sie haben dafür Kriege geführt. Sie haben durch Kriege geklärt, wer diesen Kontinent kontrollieren darf.

Wenn wir also nicht genau aufpassen, wiederholt sich das alles im Weltraum. Sie werden durch Kriege entscheiden, wer den Weltraum kontrolliert. Wer wird den Mond kontrollieren? Wer kontrolliert die Ressourcen auf dem Mars? Wer kontrolliert den Himmel zwischen der Erde und dem Mars? Wer kontrolliert den Verkehr im All zwischen den Galaxien? Ich finde, das sind enorme moralische Fragen, die sich da auftun.

Sehen Sie, momentan sehen sich alle "Star Wars" an, den wiederaufgelegten Film "Star Wars". Und alle finden den ganz toll. Und den ganzen Kindern, die das anschauen, wird eine Saat ins Herz gepflanzt: Die Saat, daß der Krieg im All nicht verhindert werden kann. Das ist wirklich schlecht. Und ich glaube, daß die Rüstungsindustrie und die ganzen Konzerne genau das beabsichtigen. Ich glaube, Sie wollen, daß eine ganze Generation heranwächst und sagt: "Ja, das Wettrüsten im All kommt unvermeidlich, das kann man nicht verhindern. So ist das eben."

Im Kino ist das ja auch recht spannend.

Ja genau, wie in einem Western.

Und wie sieht die Alternative aus? Kontrolle des Weltalls durch die Vereinten Nationen?

Wohl schon. Die Vereinten Nationen brauchten viele Jahre, am Ende unterzeichneten sie aber doch ein internationales Meeresrecht. Ein Abkommen, in dem festgelegt ist, daß die Schätze des Meeres allen Völkern gehören. Nicht nur den Ländern, die am Meer liegen, sondern auch den Binnenländern, die selbst keinen Zugang zum Meer haben. Dieses Abkommen regelt den Zugang aller Nationen zum Meer, und daß jeder ein Recht auf die Meere hat. Das ist die einzige Möglichkeit.

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Wir kommen alle von dieser Erde. Wir sind alles Kinder dieser Erde. Daher sollten wir auch alle an den Schätzen des Meeres teilhaben. Gleichzeitig sollten wir aber auch darauf achten, daß die Erde bei der Ausbeutung dieser Schätze nicht verschmutzt wird. Für mich ist die Antwort also einfach: Wir sollten das für den Weltraum genauso regeln. Daß wir also bei der Erforschung des Weltraums zusammenarbeiten, daß wir das als Kinder dieser Erde tun. Und daß wir dabei gewaltfrei vorgehen. Und daß wir dabei mit der Umwelt rücksichtsvoll umgehen. Und daß wir das im Geiste des Guten tun, nicht im Geiste des Krieges und im Geiste des Profits und der Gier. Weil uns das die Möglichkeit gibt, es vollkommen anderes zu machen als hier auf der Erde mit allen Konflikten und Widersprüchen.

Und daher halte ich es für richtig, für angebracht, daß wir von der Friedensbewegung uns diese Fragen stellen und uns mit diesen Themen beschäftigen. Wir müssen die Menschen zum Nachdenken bringen - weil wir nicht davonlaufen können. Wir können nicht davonlaufen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Bruce Gagnon ist State Coordinator für die "Florida Coalition for Peace and Justice"

E-Mail:   regina.hagen@jugendstil.da.shuttle.de





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