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Panzer in die Türkei? - Inhalt


vom:
20.03.2001


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Panzer in die Türkei?:

  Aktuelles

Die Türkei hat kein Geld mehr für den Leopard

Bonner Generalanzeiger, Susanne Güsten

Rüstung: Wegen der Finanzkriese liegt der geplante Kauf von 1.000 deutschen Kampfpanzern auf Eis

Von unserer Korrespondentin Susanne Güsten

ISTANBUL. Nicht kleckern, sondern klotzen, lautete jahrelang das Leitmotiv der türkischen Armee bei Rüstungsprojekten. Die Generäle wollten in den kommenden drei Jahrzehnten die riesige Summe von 300 Milliarden Mark für neues Kriegsgerät ausgeben. Unter anderem standen 1.000 deutsche Leopard-2-Panzer auf der Einkaufsliste. Obwohl sich auch andere Länder um den Auftrag bemüht hatten, ließen die Türken schon durchblicken, dass sie den Leopard favorisieren.

Die Pläne der innenpolitisch mächtigen Militärs wurden bisher nicht von den türischen Politikern durchkreuzt. Doch die schwere Wirtschafts- und Finanzkrise der jüngsten Zeit zwingt jetzt den Generalstab in Ankara, auch die Rüstungspläne zu überdenken. Kleine Projekte werden vermutlich ganz gestrichen, größere Vorhaben zumindest auf Eis gelegt. Die Geldnot dürfte nach Einschätzung von Diplomaten und Experten in Ankara das Panzergeschäft auf unbestimmte Zeit verzögern. Die bisherige Planung sah vor, dass in diesem Frühjahr die Entscheidung fallen sollte, welches Lieferland den Zuschlag bekommen sollte.

Doch die aktuelle Finanzkrise mit dem drastischen Wertverlust der türkischen Lira um 30 Prozent in den vergangenen Wochen könnte dafür sorgen, dass der Zeitplan ins Wanken gerät: Der Beschluss über das Geschäft könnte verschoben werden, damit würde sich auch der für das Jahr 2003 geplante Baubeginn der Panzer um ein oder zwei Jahre verzögern. Zurzeit befinden sich Experten der türkischen Armee in der Schlussphase der Tests an den vier Panzermodellen. Das geplante Joint Venture war mit einem Gesamtvolumen von 15 Milliarden Mark ausgeschrieben.

Für die rot-grüne Bundesregierung wäre die Verzögerung von Vorteil, da es ihr - sollte sich die Türkei tatsächlich für den Leopard 2 entscheiden -. erspart bliebe, den Bündnispartner mit einer Absage vor den Kopf zu stoßen. Denn die Berliner Koalition hatte in den vergangenen Monaten mehrmals deutlich gemacht, dass Ankara angesichts der vielen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auf absehbare Zeit nicht mit einer Liefergenehmigung für den Leopard rechnen könne.

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Das türkische Militär hatte sich offenbar vor vornherein bei der Finanzplanung verkalkuliert, denn schon seit einiger Zeit wird an einer Revision der ehrgeizigen und teuren Aufrüstungspläne gearbeitet. Grund dafür ist nicht nur die leere Staatskasse, sondern auch das Versiegen von anderen, fest eingeplanten Geldquellen. So gehören zu den Nebeneinkünften des Militärs außerhalb des Verteidigungshaushaltes Erlöse aus der Alkoholsteuer und der staatlichen Lotterie, aber auch Einnahmen aus vielen Unternehmen mit Armee-Beteiligung: Die Militärs sind in der Automobilindustrie ebenso aktiv wie bei der Betonherstellung. Da all diese Aktivitäten weniger Geld abwerfen als erwartet und nun auch noch die Finanzkrise zusätzlich den Sparzwang verstärkt, müssen die Generäle den Rotstift ansetzen. Dahinter steckt zudem ein psychologischer Druck: Das Ansehen der Armee im eigenen Land könnte Schaden nehmen, wenn sie sorglos weiter teure Rüstungsgüter anschafft, während der Rest des Landes den Gürtel enger schnallen muss.

Hinter den Kulissen wirbt zudem die israelische Regierung in Ankara darum, ganz auf den Bau neuer Panzer zu verzichten und statt dessen auf die Modernisierung älterer Panzer - durch ein israelisches Unternehmen - zu setzen. Sollte sich das Problem Leopard auf diese Art zumindest fürs Erste von selbst erledigen, dürfte die Bundesregierung aufatmen. Wenn allerdings die Türkei trotz Finanzkrise den Leopard anfordert, birgt das Thema für die rot-grüne Koalition erhebliches Streit-Potenzial - nicht zuletzt, weil ein endgültiges Nein gegenüber Ankara eine neue Krise in den ohnehin schwierigen Beziehungen zum NATO-Partner heraufbeschwören könnte.

Quelle: General Anzeiger 14.03.2001

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