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vom:
26.04.2000


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Ostermärsche und -aktionen 2000:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

(Manuskript)

Rede in Stuttgart

Pfarrer Peter Häußer, Tübingen

Liebe Leute,

Kriege sind vermeidbar. Gewalt kann überwunden werden. Frieden ist möglich durch die Kreativität und Solidarität der Menschen. Das wollen wir heute gemeinsam bekräftigen.

Darum geht es: die nächsten beiden Jahrzehnte zu nutzen, um all die Instrumente und Institutionen zu reformieren und zu stärken, die eine zivile Bearbeitung der Konflikte zwischen den Staaten und innerhalb der Staaten möglich machen. Dazu muss der Druck von unten immer deutlicher und stärker werden. Die Politiker allein schaffen es nicht.

Ein Ulmer Professor hat ausgerechnet: wenn jede und jeder pro Jahr einen Anderen überzeugt, genügen 33 Jahre, um weltweit ein Umdenken zu erreichen. 2 hoch 33 - das ergibt 8 Milliarden, da ist sogar das Bevölkerungswachstum berücksichtigt. Und wir fangen ja nicht bei Null an, aber jede und jeder kann sich wirkungsvoll beteiligen. Und einige können auch mehr tun.

Zum Beispiel wenn es darum geht, die schwere Belastung, die wir aus dem letzten Jahr mitbringen, zu bewältigen. Denn wo die militärischen Katastrophen nicht wirklich aufgearbeitet werden, droht der Wiederholungszwang. Der Krieg im Kosovo war eine militärische und politische Katastrophe - und ist es bis heute.

Dieser Krieg muss vor Gericht. Der kanadische Jura-Professor Michael Mandel z.B. hat das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag aufgefordert, die Anklage vorzubereiten gegen führende NATO-Politiker und -Militärs. Er ist überzeugt, dass dieser Krieg völkerrechtswidrig war und dass die Bombardierungen ziviler Ziele Kriegsverbrechen sind. Ja, dieser Krieg muss vor Gericht, nicht weil wir Recht haben wollen, sondern weil wir wollen, dass das Recht gestärkt wird.

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Inzwischen kann es jeder wissen: Wir sind belogen und getäuscht worden. Es gab genügend Möglichkeiten für friedliche Lösungen, aber dieser Krieg war gewollt. Um ihn zu rechtfertigen, wurden die höchsten Werte bemüht und missbraucht: die Menschenrechte und die Verpflichtung: Nie wieder Auschwitz!.

Um das Tötungsverbot aufzuheben, braucht man starke ´heilige` Rechtfertigungen und die Verteufelung des Gegners. Aber die Moralisierung der Politik ist ein zweischneidiges Schwert. Im günstigsten Fall zügelt die Moral das Schwert, im ungünstigsten Fall lässt die Moral das Schwert gnadenlos walten, denn sie kennt selten Kompromisse.

Hier wäre eine wichtige Aufgabe für die christlichen Kirchen gewesen. Gerade weil man sie noch für moralische Anstalten hält, sollten sie vor einer moralischen Interpretation von politischen Konflikten warnen.

Zuviel Moral verklebt die Gehirne, trübt das Urteilsvermögen und verschleiert die wahren Interessen.

Von Bill Clinton war zu hören: mit den Angriffen auf Jugoslawien wollen wir allen zeigen, wie entschieden wir der Aggression entgegentreten. Mit anderen Worten: Wir werden jetzt ein wenig töten, um unseren Unwillen über das Töten auszudrücken. Ein Amerikaner hat das als Clinton-Doktrin bezeichnet: Wir bestrafen Unschuldige, um gegenüber den Schuldigen unseren Unwillen auszudrücken.

Es ist wahr: Wir haben unsere wichtigste Hausaufgabe seit Jahren versäumt: eine Weltrechtsordnung zu errichten, die unparteiisch und wirksam dort für Recht sorgt, wo Staaten die Menschenrechte missachten und wo Diktatoren das Recht mit Füßen treten. Aber niemand darf das Amt des Weltpolizisten an sich reißen, nicht die Supermacht USA, auch nicht die NATO.

Es ist scheinheilig, wenn diejenigen über die Schwächen der UN klagen, die alles tun, um die UN zu schwächen und zu beschädigen.

Daran messen wir ihre hohen moralischen Ansprüche und Rechtfertigungen: ob sie sich der Überprüfung ihrer Ziele, Methoden und Folgen stellen, ob die USA ihren Widerstand gegen den Weltstrafgerichtshof endgültig aufgeben oder sich weiterhin eine Sonderrolle anmaßen.

Daran messen wir die hohen moralischen Rechtfertigungen: ob das Engagement für den Frieden ebenso stark ist wie für den Krieg. Warum ist der Krieg scheinbar nie teuer genug, aber für den Frieden reicht das Geld nie. Warum ist man sofort in der Lage, 30 000 Militärs in den Kosovo zu schicken, aber nicht im Stand, die notwendigen 6000 Polizisten oder Verwaltungsleute zu entsenden.? Es ist haarsträubend: Die gesamte UN-Mission im Kosovo kostet im Jahr soviel wie ein halber Tag der Bombardierungen.

Nun gibt es ja tatsächlich Prozesse um diesen Krieg, allerdings nicht z.B. gegen Herrn Scharping, der nachweislich die Öffentlichkeit grob getäuscht und belogen hat und der Äußerungen getan hat, bei zu prüfen wäre, ob sie nicht den Tatbestand der Volksverhetzung und des Aufstachelns zum Angriffskrieg erfüllen.

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Nein, die Gerichtsverfahren gelten Menschen, die Soldaten aufgefordert haben, sich diesem völkerrechtswidrigen und verfassungswidrigen Krieg zu verweigern. Diese Anklagen haben nicht ewig Gestrige mit schnarrenden Stimmen und militärischem Gehabe verfasst, sondern junge Staatsanwälte, die sich so unpolitisch verstehen, als hätten sie die ´Last der deutschen Vergangenheit` und die sich daraus ergebende Verpflichtung zum Frieden nie gespürt, als sei die Funktionsfähigkeit der Armee oberste Priorität und wichtiger als die Verfassung. Diese Angst einflössende Unbefangenheit hat ein Autor der ZEIT auf den Begriff gebracht: Blockwartenkel.

Die Rede von der militärischen Gewalt als ultima ratio, als letztem Ausweg ist eine wertlose Ausrede und bleibt unglaubwürdig, solange nicht ausreichende Mittel für eine wirksame Konfliktbearbeitung bereitgestellt werden. Es ist scheinheilig, festzustellen, die OSZE und die UN hätten versagt, wenn man ihnen nie eine echte Chance gab. In allen bisherigen Fällen war die Zahl der Mitarbeiter von vornherein viel zu gering. Und nie wurde selbst die zu geringe Planzahl auch nur annähernd erfüllt.

Jeder weiß, dass Konflikte im Frühstadium bearbeitet werden müssen, wenn man verhindern will, dass sie unbeherrschbar werden. Aber es fehlt an der Umsetzung dieser Erkenntnis. Fehlt der nötige politische Wille? Manchmal denke ich: da herrscht ein innerer Zwang, dauernd beweisen zu wollen, dass es eben doch nicht ohne militärische Gewalt geht. Dabei ist unübersehbar, militärische Gewalt ist untauglich und löst keine Konflikte. Sie schafft es nicht einmal,. Diktatoren wie Saddam oder Milosevic das Handwerk zu legen. Und es ist aberwitzig und schlimmer Selbstbetrug, wenn man meint, man könne mit Bomben Menschen zu Freunden der Menschenrechte machen oder ihr moralisches Urteilsvermögen stärken.

Wir brauchen ein gutes Vorwarnsystem, damit es nicht immer wieder heißt: Zu spät! Wir müssen lernen, die Stimmen der Betroffenen nicht nur als Hilferuf zu hören, sondern auch als Ausdruck von eigenem Willen und Können.

Kirchen, Gewerkschaften, Medien, Bürgergruppen können hier eine wichtige Rolle spielen.

Aber es ist auch klar: ´Von unten` allein ist der Aufbau einer wirksamen zivilen Konfliktbearbeitung nicht zu schaffen. Es geht nur, wenn dies endlich vom Staat als vorrangige Aufgabe begriffen und finanziert wird, wenn endlich zivile Konfliktbearbeitung als Alternative zu den militärischen Mitteln angesehen wird. Sonst bleibt sie nur das fünfte Rad am Wagen, der mit großem Tempo in die falsche Richtung fährt.

Wenn wir die Richtung ändern wollen, brauchen wir viele Verbündete. Ich weiß, dass viele von Euch enttäuscht sind von den Kirchen, die selten deutlich Stellung beziehen. Ich bin es auch. Aber klagen und anklagen hilft nicht weiter. Besser ist, die Kirchen beim Wort zu nehmen.

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Ein Beispiel: der Ökumenische Rat hat zu einer Dekade zur Überwindung der Gewalt aufgerufen, die im nächsten Jahr beginnt. Da sollen die Erfahrungen der Friedensinitiativen und Friedensdienste und der Friedenskirchen weiterentwickelt werden. Da sollen die Gemeinden ermutigt werden, nicht bloß Zuschauer der Gewalt zu sein oder Gewalt lediglich zu beklagen.

Da geht es um aktive Überwindung der Gewalt in ihren unterschiedlichsten Formen. Da geht es endlich um die Konsequenzen aus der Einsicht von 1948, als der Ökumenische Rat klar formuliert hat: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!

Und wie damals der entsprechende Satz in der Charta der Vereinten Nationen dazugehört: Wir, die Völker der Vereinten Nationen, sind fest entschlossen, künftige Geschlechter von der Geißel des Krieges zu bewahren! so wollen sich diesmal die Ökumenische Dekade und die UN-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit für die Kinder der Welt" gegenseitig ergänzen und unterstützen.

Wir, wir alle können viel dazu beitragen, dass es hier tatsächlich zu Synergie-Effekten kommt. Fragt also in Euren Gemeinden und Kommunen nach! Regt Aktionen und Seminare an! Mischt Euch ein. aber bitte ohne jeden Dogmatismus! Nehmt die Kirchen beim Wort!

Sie wissen, dass Frieden und Gerechtigkeit zusammengehören. Sie wissen aus der Bergpredigt, wie man die Logik der Gewalt infrage stellt. Sie tragen in sich die Vision der einen Menschheit und der einen Erde, die allen Geschöpfen Heimat werden kann.

Sie denken allerdings auch sehr realistisch über den Menschen, der von der Macht verführbar ist, der irren kann, der sogar manchmal guten Gewissens das Falsche tut.

Es mag mühsam sein, nach Jahrhunderten der Gewalt umzulernen. Aber wir müssen es versuchen. Wir müssen und wollen lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Denn die Zukunft gehört denen, die Frieden stiften. Schalom



E-Mail:  buero@friedensnetz.de
Internet: http://www.friedensnetz.de
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