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vom:
14.04.2001


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Rede auf der Ostermarschkundgebung am 14. April 2001 in Bremen

Martin Warnecke

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

kürzlich wurde ich gefragt: "Warum gibt es eigentlich immer noch den Ostermarsch? Ist der überhaupt noch zeitgemäß?" Ich denke, es gibt gute Gründe dafür, dass wir heute hier in Bremen und in diesen Tagen an vielen Orten unseres Landes Ostermärsche veranstalten. Ein paar dieser Gründe möchte ich nennen.

Als wir vor zwei Jahren am Ostersonnabend hier standen, bombardierte die NATO gerade Jugoslawien. Mit dabei: die Bundeswehr. Gezielt wurden zivile Objekte wie Brücken, Industriebetriebe, Krankenhäuser, Kraftwerke, Rundfunk- und Fernsehsender zerstört und Menschen getötet. Der Einsatz uranhaltiger Munition verursachte bleibende Schäden bei Mensch und Natur. Deutsche Soldaten taten zum ersten Mal seit 1945 wieder das, was sie gelernt haben, und was sie in Zukunft - jedenfalls nach dem Willen der zuständigen Politiker und Militärs - wieder häufiger tun sollen: in fremden Ländern Krieg führen, Menschen töten und die dortigen natürlichen Lebensgrundlagen zerstören.

Deshalb veranstalten wir immer noch Ostermärsche: als Protest für das Leben. Die zukünftigen Kriege werden jetzt vorbereitet. Diesem Zweck dient die geplante und in ihrer groben Struktur bereits erkennbare Reform der Bundeswehr. Die Bundeswehr soll in die Lage versetzt werden, in Zukunft an zwei unterschiedlichen Orten gleichzeitig Krieg zu führen. Die Streitkräfte werden zahlenmäßig kleiner - einige Bundeswehrstandorte sollen geschlossen werden, weil sie für die neue Interventionsarmee nicht nötig sind - aber dafür angriffsfähig.

Am 14. Juni vergangenen Jahres stimmte das Bundeskabinett den Plänen Scharpings zu, die Bundeswehr zur Interventionsarmee auszubauen. Alles wird auf Angriff ausgerichtet. Für künftige Kriege soll ein Einsatzführungskommando gebildet werden. Und die Einsatzkräfte - damit ist jener besonders ausgebildete und ausgerüstete Teil der Bundeswehr gemeint, der in Zukunft Kriege führen soll - werden verdreifacht, von 53.000 im Jahre 1999 auf zukünftig 150.000 Mann und Frau. Dazu gehört ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. In den kommenden Jahren sollen für rund 200 Milliarden Mark neue Waffen und Ausrüstungen beschafft werden.

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Deutsche Interessen sollen in Zukunft weltweit militärisch durchgesetzt werden. In den verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 wird unter anderem als Auftrag der Bundeswehr genannt, für die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels" und den "ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" zu sorgen.

Um die Durchsetzung eigener Interessen ging es bereits im Jugoslawienkrieg. Neben geostrategischen, wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen ging es aus deutscher Sicht auch darum, zu verhindern, dass eine große Zahl von Flüchtlingen aus dem Kosovo in unser Land kommt.

Uns wurde erklärt, der Krieg sei gar kein Krieg, sondern eine humanitäre Intervention, um einen Völkermord zu verhindern. - Nebenbei gesagt: Die Rede von der humanitären Intervention stammt aus der Mottenkiste der Kriegspropaganda. Auch Hitler-Deutschland bezeichnete die Besetzung der Tschechoslowakei 1938 als eine humanitäre Intervention. - Wir wissen heute ganz genau: Es ging im Jugoslawienkrieg nicht um Menschenrechte, es ging ausschließlich um das Recht des Stärkeren.

Die Kriegspropaganda vor zwei Jahren und das Festhalten verantwortlicher Politiker an ihren damaligen Unwahrheiten bis heute sind ein weiterer Grund, weshalb wir Ostermärsche veranstalten: Ostermarsch als Protest gegen die neue Gewöhnung an den Krieg. Denn Krieg wird auch in den Köpfen vorbereitet.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und Vier-Sterne-General Klaus Naumann sagte schon vor sechs Jahren, als er über die neue Rolle der Bundeswehr sprach: "Wir wollen allerdings bei solchen Einsätzen - in der Regel Einsätze außerhalb Deutschlands und aus einer Gesellschaft heraus, die weiter in Frieden lebt - die Mehrheit unserer Mitbürger hinter uns wissen."

Die neue Rolle der Bundeswehr ist eine alte. Und die Mehrheit der Bevölkerung soll wieder zustimmen. Deshalb wurde vor zwei Jahren solch ein Aufwand getrieben, um den Krieg gegen Jugoslawien als moralisch gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Keine Lüge war zu grotesk, um Zustimmung zum Krieg zu erreichen. "Noch nie haben so wenige so viele so gründlich belogen wie im Zusammenhang mit dem Kosovokrieg" sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer. Und als nach der Bombardierung eines albanischen Flüchtlingstrecks und anderer sogenannter Kollateralschäden die Stimmung für den Krieg zu kippen drohte, schaltete man die Werbeagentur Tony Blairs ein, um die Öffentlichkeit im eigenen Sinne zu manipulieren.

Auch jetzt, zwei Jahre später, nachdem die Kriegslügen durch unterschiedliche Medien als solche enthüllt wurden, ist kein Politiker der Regierungskoalition bereit, den Krieg neu zu bewerten, oder zuzugeben, Fehler gemacht zu haben. Auch in den Medien hat die Aufarbeitung des Jugoslawienkrieges nur ein schwaches Echo gefunden. So besteht die Gefahr, dass ein verzerrtes Bild über den Krieg in den Köpfen vieler Menschen haften bleibt. Und dieses verzerrte Bild ist dann für den nächsten Waffengang leicht wieder zu reaktivieren.

Dem setzen wir Informationen und Aktionen entgegen, wie in diesen Tagen auf den Ostermärschen. Dem setzen wir unsere Lebensfreude und unsere Überzeugung entgegen, dass Frieden möglich und notwendig ist, und immer wieder geduldige Gespräche. Das ist oft mühsam. Doch es ist gleichzeitig unsere Chance. Denn die Herren des Krieges wollen mehrheitliche Zustimmung zu ihrem tödlichen Treiben, und die sollen sie nicht bekommen.

Ostern ist das Fest der Auferstehung. Und Auferstehung hat mit Aufstehen und Widerstehen zu tun. Stehen wir dafür auf, dass immer mehr Menschen laut und deutlich Nein sagen zu einer Bundeswehr, die weltweit Kriege führt. Widerstehen wir der neuen Kriegslogik, die uns einreden will, es gäbe moralisch gerechtfertigte, ja humanitäre Kriege. Humanitär heißt auf deutsch menschenfreundlich. Das ist das Gegenteil von Krieg. Stehen wir auf für den Frieden ohne jedes Wenn und Aber. Und hüten wir uns vor denjenigen, die Frieden sagen, aber vor dem Krieg nicht zurückschrecken.

Stehen wir auf für eine Kultur des Friedens, für ein Miteinander aller Völker und Menschen, das von gegenseitiger Achtung vor der Würde jedes Einzelnen geprägt ist. Dafür brauchen wir dringend die Milliarden, die in den Tod investiert werden sollen. Wir brauchen sie für das Leben. Stehen wir auf für ein Leben voller Lebensfreude und Lebenslust.

Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit.


Martin Warnecke, Pastor und Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche, Max-Planck-Straße 57, 28357 Bremen

E-Mail:   m.warnecke@nwn.de
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