Gesundheit statt Rüstung!
Mitten in der Corona-Zeit hat Ronja ein Praktikum bei der Friedenskooperative absolviert
Mitten in der Corona-Zeit hat Ronja ein Praktikum bei der Friedenskooperative absolviert

Mitten in der Corona-Zeit absolvierte ich ein dreimonatiges Praktikum beim Netzwerk Friedenskooperative – und lernte so die vielfältigen Möglichkeiten des Online-Aktivismus kennen. Obwohl ich mich auf „traditionellen“ Aktivismus wie Demos und Interaktionen mit der Zivilgesellschaft gefreut hatte, beispielsweise gegen das geplante Militärmanöver der NATO „Defender 2020“ (Achtung! Es ist nur verschoben und findet bedingt ab dem 10. Juli wieder statt), kann ich im Rückblick nicht unbedingt sagen, dass „virtueller“ Aktivismus so viel schlechter ist als „physischer“. Ein großer Teil der friedenspolitischen Lobbyarbeit der Friedenskooperative läuft über Online-Aktionen, zum Beispiel in Form von Protestmails an Mitglieder des Bundestags, dem Sammeln von Unterschriften oder Informations- und Aufklärungsarbeit. Und da gefühlt ganz Deutschland die letzten Monate vor dem Bildschirm verbracht hat, erreichten wir auch so eine breite Masse.

Schon alleine wegen der Pandemie war die politische Lage während meiner Zeit sehr spannend. Aber auch Entwicklungen der Außen- und Sicherheitspolitik gaben Anlass zur Sorge und genügend Gründe aktiv zu werden. Im April nahm beispielsweise die Diskussion über die Erneuerung der deutschen Luftwaffe an Fahrt auf, nachdem AKK ihrem US-Kollegen Mark Esper bestätigte, neue Kampfjets kaufen zu wollen. Bereits in meiner zweiten Woche nutze ich dann die Chance, eine Podcast-Folge zu diesem Thema mit zu gestalten und aufzunehmen. Dafür interviewte ich meinen Kollegen Marvin und die Folge „Neue Atombomber für Deutschland?“ entstand.

Podcasts sind natürlich gerade in der aktuellen Situation in Mode, stellen aber auch wirklich eine gute Möglichkeit dar, über wichtige Themen zu sprechen und sie in die Öffentlichkeit zu bringen. Mir hat das Podcasten sehr viel Spaß gemacht, woraufhin ich in meiner letzten Woche eine weitere Folge aufnahm. Gemeinsam mit Dr. Anja Seiffert vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr warf ich einen feministischen Blick auf die Situation für Frauen im deutschen Militär. Hier gibt es alle Lifehack Peace Folgen zum Anhören.

 

Eine weitere Diskussion kam während meiner Zeit im Netzwerk auf: bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Hier war Kampagnen-Arbeit besonders gefragt, da viele wichtige Themen in der Hochzeit der Pandemie drohten unterzugehen. So entstand die neue Aktionsplattform www.lobbying4peace.de, über die Protestmails an die jeweiligen Abgeordneten geschickt werden können. Ich durfte den gesamten Prozess begleiten und die Konzeption der Website unterstützen. Mir wurde dadurch besonders bewusst wie notwendig es ist, die Bevölkerung über politische Diskurse zu informieren und ihre persönliche Meinung ins Parlament zu bringen.

Eine weitere wichtige Thematik die mich während des gesamten Praktikums begleitete war die der Atomwaffen, in der ich persönlich mein Wissen stark erweitern konnte. Um an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 75 Jahren zu erinnern, organisierte das Netzwerk gemeinsam mit anderen Kampagnen eine Großflächen-Plakat-Aktion in verschiedenen deutschen Städten. Ich bekam interessante Einblicke in die Organisation einer solchen Aktion, sprach selber mit Aktivist*innen die die Plakate unterstützen wollten und nahm an Telefon- oder Videokonferenzen zum Thema teil.

Des Weiteren führte ich Lobbygespräche mit MdBs im Rahmen der Kampagne „Unter 18 nie“ durch, bei denen ich mit Abgeordneten mal mehr und mal weniger in Übereinstimmung über die Rekrutierung Minderjähriger in der Bundeswehr diskutierte, lernte mit Bildbearbeitungsprogrammen umzugehen (danke Marvin :-)) und verfasste mehrere kleine Beiträge für die Website.

Am zeitaufwendigsten war für mich wohl die Datenpflege alter FriedensForum-Hefte. Obwohl die Arbeit selber sehr eintönig war, waren die Artikel, die ich bearbeitet habe, inhaltlich hoch spannend. Ich wurde durch die Zeitgeschichte der Friedensbewegung getragen und konnte viel über deren Entwicklung lernen. Alle Ausgaben sind also online zu finden – lest sie doch und tragt dazu bei, dass sich mein Aufwand gelohnt hat ;). Hier geht es zum FriedensForum-Archiv.

Das Praktikum war die perfekte Möglichkeit, einen ehrlichen und realistischen Einblick in die Arbeit einer Nicht-Regierungs-Organisation zu bekommen, in der ich auch noch meine persönlichen politischen und ideellen Ansichten gespiegelt sah. Durch meine Teilnahme an den täglichen Büro-Meetings wusste ich immer, was gerade anstand, ohne dass ich selber damit beschäftigt war. So war ich sehr einbezogen und informiert. Als Praktikant*in hatte ich außerdem nicht das Gefühl, in der Hierarchie ganz unten zu stehen – denn im Netzwerk geht es sehr demokratisch und un-hierarchisch zu. Das hat mir im Vergleich zu meinen Erfahrungen in staatlichen Institutionen sehr gefallen. Ich wurde immer nach meiner Meinung gefragt und es wurde konsequent abgelehnt, wenn ich meinte, dass diese nicht zähle. Die Verbindung zwischen „links sein“ und der gerade beschriebenen Atmosphäre im Büro ist denke ich eindeutig.  Außerdem ist Raum vorhanden, eigene Ideen und Expertise einzubringen und kreativ zu werden.

Das Dilemma, um unabhängige und auch kritische Arbeit leisten zu können von Spenden abhängig zu sein, prägt die Arbeit im Netzwerk wie auch in anderen Friedensorganisationen und zeigt, dass wir viel friedenspolitischen Lobbyismus brauchen, um einen starken gesellschaftlichen Rückhalt zu bekommen. Ich würde mir wünschen, dass besonders die Arbeit, die das staatliche Handeln kritisch bewertet und der Bevölkerung eine andere Sichtweise auf aktuelle innen- und außenpolitische Fragen offenlegt, ebenfalls gefördert würde, auf was für eine Art und Weise auch immer.

Jetzt geht es für mich erst einmal ins Masterstudium in Friedens- und Konfliktforschung – und danach vielleicht zum Netzwerk, wenn die Spenden für eine weitere Stelle reichen – für eine Gleichstellungsbeauftragte? :-D