6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch Rhein-Ruhr in Essen am 12. April 2020
Liebe Engagierte der Friedens- und Klimagerechtigkeitsbewegung!
Mein Name ist Christiane Gregor und ich schreibe euch die folgenden Worte im Namen der Parents for Future Essen!
Vielen Dank, dass ihr euch auf diesen alternativen, digitalen Weg des diesjährigen virtuellen Ostermarsch gemacht habt! In Gedanken stelle ich mir vor, wie ihr euch die Zeit nehmt, euch durch die virtuellen Reden zu klicken, die eigentlich auf dem Willy-Brandt-Platz gehalten worden wären. Stellen wir uns einfach vor, wir sind alle zusammen dort und spüren die Kraft der Gemeinschaft! Denn das ist, was uns in dieser Zeit trotz auferlegtem „Social Distancing“ zusammenhält. Schwierige Zeiten schweißen zusammen - durch konkrete Hilfe, durch Anrufe, durch kreative Ideen der digitalen Welt, durch Videokonferenzen, durch Zeit zum Nachdenken!
Da in diesen Tagen so viel unterschiedliche Betroffenheit bei euch sein wird und mir nichts ferner liegen würde, als jemandem von euch zu nahe zu treten, fließen die Worte nicht so leicht aus meiner Feder und müssen doch um so sorgsamer gewählt werden!
Seien Sie bitte sicher, dass ich im Namen der Parents for Future Essen allen, die sich für unsere Gesundheit, für den Schutz und die Versorgung von uns allen einsetzen, von ganzem Herzen unseren Dank ausspreche! Für uns ist es eine selbstverständlichkeit, dass wir uns solidarisch und hilfsbereit in dieser Krise einbringen. Selbstverständlich „Bleiben wir zu Hause“, um die Ansteckungskurve abzuflachen, selbstverständlich packen wir da, wo es geht, mit an!
ABER:
„Man könnte es plakativ so ausdrücken: Wer achtlos das Virus weitergibt, gefährdet das Leben seiner Großeltern. Wer achtlos CO2 freisetzt, gefährdet das Leben seiner Enkel,“ so sagt der Klimaforscher Joachim Schellnhuber.
DARUM dürfen wir als Klimagerechtigkeitsbewegung bei all der Krisenhaftigkeit dieser Corona-Pandemie - schließlich geht es bei vielen um die Gesundheit oder sogar um die Existenz - uns für die nachfolgenden Generationen auf keinen Fall mundtot machen lassen.
Wir müssen weiter unsere Stimmen erheben, denn das, was gerade mit unserer globalen Gesellschaft passiert, ist wie ein Zeitraffer des Klimawandels! Corona ist durch eine der Lücken gekrochen, die unser unnachhaltiges, rücksichtsloses Leben hervorgebracht hat. Und der Klimawandel geht weiter - auch wenn die Coronakrise über uns hinweggezogen ist wie eine schwarze Wolke. Wir sind dafür verantwortlich, die Menschen daran zu erinnern, dass jede und jeder von uns für die Zukunft verantwortlich ist!
Und was eine exponentielle Entwicklung ist, dürfte nun jeder verstanden haben: der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur hat nunmal die gleiche Kurve wie Corona. „#Flattenthecurve“ muss auch in Sachen der globalen Erderwärmung das gemeinsame Ziel sein!
Der Kampf gegen das Corona-Virus wird in den Ländern dieser Welt unterschiedlich tituliert: Kanzlerin Merkel spricht von einer nie da gewesenen „Herausforderung“ seit dem 2. Weltkrieg, der französische Präsident Macron von „Krieg“, der amerikanische Präsident Trump sogar von „totalem Krieg“. Die Ernsthaftigkeit der Lage wird aber vor allem durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, deutlich gemacht: „Die Wut des Virus zeigt die Torheit des Krieges. Deshalb fordere ich heute einen sofortigen globalen Waffenstillstand in allen Teilen der Welt. Es ist Zeit, Konflikte zu beenden und uns gemeinsam auf den Kampf um unser Leben zu konzentrieren.“
So einen Satz hätte man bislang nur von Friedensaktivisten erwartet! Medial leider viel zu wenig verbreitet und viel zu wenig diskutiert! Und in der Realität? Nach dem Motto „jetzt erst recht“ wird mit medizinischen Schutzmasken vor dem Gesicht mit schwerster Munition aufeinander geschossen. Was für ein Hohn.
So bringt diese Krise - wie alle Krisen - das beste und das schlechteste aus den Menschen hervor!
UNS soll das beste zusammenhalten: das Streben nach Klimagerechtigkeit und nach Frieden!
Denn das eine ist ohne das andere nicht möglich!
Der “Corona-Shutdown” ist erst wenige Wochen alt, hat aber unsere globale Gesellschaft in wenigen Wochen in unvorstellbarer Weise durchdrungen und umgekrempelt wie kein Ereignis zuvor!
Ein mentale Lehre sollten wir ganz bewusst aus dieser Krise ziehen und daraus Kraft schöpfen:
- Das Vertrauen in die schier unbegrenzte Fantasie, Lösungen für neue Lebensumstände zu finden,
- Die Erfahrung, dass wissenschaftliche Fakten schnellstens in politisches Handeln und Maßnahmen umgesetzt werden können und
- Das Wissen um die Fähigkeit, sich auch den krassesten Notwendigkeiten und Veränderungen tatsächlich anpassen zu können!
Und ganz ehrlich: die geforderten und vor allem die umgesetzten Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise übersteigen die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung bei Weitem!
Aber wenn tiefgreifende Entscheidungen und das Unvorstellbare offensichtlich doch möglich sind, sollte uns das Hoffnung und einen noch stärkeren Willen geben durchzusetzen, dass alle weiteren Entscheidungen unter der Blaupause des Klima- und Umweltschutzes und der globalen Gerechtigkeit zu treffen sind und somit dieser Planet auf (er)neue(rbare), gerechte und nachhaltige Beine gestellt wird! Deswegen müssen wir laut bleiben, um die alten Stimmen zu übertönen, die “Business as usual” als den Weg der Zukunft anpreisen und fordern. Der Weg der Vergangenheit kann jedoch nur wieder der Weg sein, der uns den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebracht hat und die Welt letztendlich nur noch weiter in den Abgrund treiben wird.
Und eine gerechtere Welt anzustreben, führt uns zu beiden Zielen, die miteinander so eng verwoben sind: zu Frieden und Klimarettung!
So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: wir retten die Natur auf unserem Planeten durch Einstellen von Kriegshandlungen und Ausbeutung der Ressourcen. Wir retten uns Menschen durch Respekt vor dem Recht des jeweils anderen und durch Respekt vor dem Leben selbst - allem Leben.
Diese abschließenden Worte gibt uns der Talmud passend für jeden weiteren unserer Schritte mit auf den Weg:
„Achte auf deine Gedanken,
Denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte,
Denn sie werden Taten.
Achte auf deine Taten,
Denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,
Denn sie werden zum Charakter.
Achte auf den Charakter,
Denn er wird dein Schicksal.“
Die Parents for Future Essen wünschen allen weiterhin viel Kraft, viel Hoffnung und viel Mut! Lasst uns weiter zusammen laut und hörbar bleiben!
Christiane Gregor ist aktiv bei den Parents for Future Essen.
[Archiv der ungehaltene Reden]
[zurück zum virtuell Ostermarsch]